vorspann.

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                  „...rechtherzlich bedanken wir uns bei Ihnen, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben", lächelte der ältere Herr hinter dem Schreibtisch freundlich, während ich versuche nicht die Augen zu verdrehen. Hier war ich also gelandet: An meiner alten Schule. Jene, die ich einst als Schüler besucht hatte.

Ausgerechnet jene, in die ich mir geschworen hatte nie wieder einen Fuss hinein zusetzen. Das Zimmer des Direktors sah immer noch genauso aus, wie vor zehn Jahren als ich hier gesessen hatte und die erste Hiobsbotschaft erhalten hatte. Die letzte folgte vor etwa acht Monaten und hatte mich komplett aus der Bahn geworfen.

Den eigentlichen Job an einer anderen Schule, ein paar hundert Kilometer von dieser entfernt, hatte ich nie angetreten. Zum einen aus gesundheitlichen Gründen. Zum anderen deswegen. Die letzten acht Monate hatte ich zuhause gehockt und mich im Selbstmitleid ertränkt. Oder besser gesagt betränkt.

Irgendjemand aus dem Appartementkomplex hatte ihnen wohl gesteckt, dass ich drauf und dran war das Erbe meiner Eltern zu versaufen. Vor einem halben Monat flatterte ein Brief meiner alten Schule ins Haus. Es war kein richtiger Lehrerjob, welchen sie mir boten. Sondern viel mehr wollte man mich alten Griesgram resozialisieren. Und wie konnte man das besser als ihm andere griesgrämige Balgen vorzusetzen, denen er weiterhelfen sollte.

Ich hatte Geschichte und Literatur studiert. So recht wusste ich nicht, wie man mit einer dieser beiden Fachrichtungen Schülern weiterhelfen wollte. Die meisten brauchten wahrscheinlich eh Nachhilfe in Mathe und Sozialem Benehmen.

Welcher Teufel mich dazu geritten hatte die Stelle anzunehmen, wusste ich selbst jetzt noch nicht ganz. Vermutlich wollte ich weg von den familiären Wänden, an denen so viele Erinnerungen klebten. An etwas, was nie wieder so sein würde. An jemanden, der nie wieder zurückkommen würde.

Und dann wäre da noch der Punkt gewesen, dass ich mir irgendwann selbst gesagt hatte, dass ich nicht länger das Erbe meiner Eltern für Alkohol verprassen konnte. Sie hatten mir zwar ein beschauliches Sümmchen hinterlassen, von dem ich vermutlich die nächsten dreissig Jahre noch Sprit bekommen hätte. Nur wäre dann wahrscheinlich meine Leber nach kürzester Zeit kollabiert.

Ich griff nach der Tasse, welche die Sekretärin mir bereitgestellt hatte und nahm einen Schluck vom darin schwimmenden Kaffee. Verkneifen konnte ich es mir nicht das Gesicht zu verziehen, als das Gesöff meine Geschmacksnerven berührte.

„Heiss?", fragte der Direktor, worauf ich gespielt nickte. Am liebsten hätte ich die Brühe wieder ausgespuckt. Aber man musste dennoch ein klein wenig Anstand bewahren um nicht gleich in hohem Bogen wieder rauszufliegen.

Also dann", sagte ich und griff nach dem Gehstock, auf den ich nach wie vor angewiesen war. Zum Gehen bereit wurde ich vom älteren Herrn mir gegenüber nochmal aufgehalten. „Wollen Sie ihren Kaffee denn nicht austrinken?"

Ich schüttelte den Kopf. „Ein andermal sehr gerne. Aber ich habe noch Termine."

Lüge. Ausser man würde mein bevorstehendes Date mit der Badewanne und dem Rotwein als offiziellen Termin ansehen. Dann würde meine Aussage nämlich der Wahrheit entsprechen.

„Dann lassen Sie sich wenigstens von Miss Poffinberger hinaus belgeiten", meinte der Direktor noch, worauf ich stur den Kopf schüttelte. „Danke, aber den Weg finde ich auch alleine." - Dass ich ein Krüppel mit meinem Gehstock war, wusste ich selbst und benötigte dazu nicht noch extra einen Blindenhund in Form einer drallen Blondine.

Ich schüttelte dem älteren Herrn sowie seiner jungen Sekretärin die Hände und humpelte dann zur Tür hinaus. Zu meinem Glück war das Zimmer des Direktors im Erdgeschoss. Ich fand nach acht Monaten immer noch, dass ich beim Treppensteigen albernd aussah.

well built shipsWhere stories live. Discover now