Kapitel 5 (Part 1)

932 40 9
                                    

Willow saß bereits am Esstisch - ihr Buch neben ihr liegend, als Philip den Raum betrat. Offensichtlich hatte sie es den ganzen Tag nicht aus der Hand gelegt. Ein sanftes Lächeln erschien auf dem Gesicht seiner Schwester, als sie ihn eintreten sah und Willow begrüßte ihn mit einem ruhigen "Guten Abend, Philip." Philip versuchte ebenfalls ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, aber er war sich nicht allzu sicher, ob es überhaupt nach einem Lächeln aussah. Es fühlte sich viel mehr wie eine Grimasse an.

"Wie war dein Tag?", wollte Willow wissen, während sie von dem dampfend-heißen Essen auf dem Teller vor ihr zu ihrem Bruder aufsah. Willow hatte das Gefühl, dass ihn irgendetwas belastete. Es schien ihr so, als hätte Philip einen anstrengenden Tag hinter sich und die junge Herzogin wunderte sich, wer wohl der ominöse Besucher gewesen war und ob er etwas damit zu tun hatte, dass Philip so abgeschlagen wirkte. Sie hatte keine Ahnung wer es gewesen sein könnte, ganz zu schweigen davon worum es bei dem Treffen gegangen sein konnte.

Philip brauchte einen Moment um seiner Schwester eine Antwort zu liefern. Und als er es schließlich endlich tat, war es nicht mehr als ein kurz angebundenes "Gut." von dem er wusste, dass es seine Schwester nicht im geringsten überzeugen würde. Aber es hatte wahrscheinlich genervt genug geklungen, sodass sie nicht weiter nachbohren würde.

"Bist du dir sicher? Du wirkst als würde dich etwas belasten...", fragte Willow gegen Philips Hoffnung weiter. Sie hatte das Gefühl sich auf dünnem Eis zu bewegen und sie wollte sicherlich nicht, dass dieser Abend wie der letzte enden würde, aber sie konnte sich trotzdem nicht davon abhalten zumindest ein wenig nachzubohren. "Es ist natürlich in Ordnung, wenn du nicht darüber sprechen möchtest. Ich möchte dich nur wissen lassen, dass ich für dich da bin, wenn du jemanden zum Reden brauchst.", fuhr Willow fort. Und sie meinte diese Worte aufrichtig. Vielleicht war es an der Zeit sich wieder aufeinander zuzubewegen. Vielleicht musste sie nur einfach den ersten Schritt tun und für ihren Bruder da sein und er würde es ihr gleich tun.

"Ich musste nur über vieles nachdenken.", wich Philip der Frage seiner Schwester aus und schob das Thema der arrangierten Ehe noch ein weniger länger auf. Er würde es ihr sagen, wenn sie mit dem Essen fertig waren. Sie sollte nicht wegen ihm hungrig zu Bett gehen müssen.

Willow dagegen nahm die Antwort als Zeichen, dass er tatsächlich nicht mit ihr reden wollte - was auch immer es war, dass ihn aktuell so beschäftigte. Aber nichtsdestotrotz hatte sie das Gefühl, dass sie ein wenig weiter gekommen waren. Sie hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte und es angesprochen. Und Philip hatte geantwortet anstatt wütend zu werden und sie hatten ein paar Worte ausgetauscht ohne zu streiten. Vielleicht war das nur ein winzig kleiner Schritt, aber es war immerhin etwas. Wenn sie weiterhin so an ihren Gesprächen arbeiten würden, könnten sie in ein paar Wochen vielleicht ganz normale Gespräche führen. Was sie bedrückte, an was sie dachten und was sie fühlten. Vielleicht sogar über ihren Vater. Willow musste einfach nur geduldig sein.

Vielleicht wäre Philip auch nicht mehr so erpicht darauf, dass sie das Anwesen nicht verließ, wenn sie sich wieder besser verstanden. Vielleicht ließ er sie sogar ein paar Bälle besuchen. Natürlich würde all das noch viel Zeit in Anspruch nehmen, aber in diesem Moment schien es nicht mehr komplett unmöglich. Sie mussten es nur versuchen. Die junge Herzogin wusste, dass diese Kälte zwischen ihr und ihrem Bruder nicht für immer bestehen bleiben musste. Sie könnten sich wieder näher sein und diese Distanz zwischen ihnen verringern. Sie könnten an ihrer Beziehung zueinander arbeiten. Und vielleicht wären sie sich irgendwann einmal wieder fast so nahe, wie sie es als kleine Kinder waren.

"Philip... Ich weiß, wir haben uns in den letzten Jahren nicht so gut verstanden und seit Vaters Tod ist es noch um einiges schlimmer geworden, aber ich dachte... ich weiß nicht... vielleicht könnten wir daran ja arbeiten.", traute sich Willow ihre Gedanken auszusprechen. Kommunikation war der Schlüssel, korrekt? Sie mussten nur ehrlich miteinander sein. "Natürlich wird das seine Zeit brauchen. Dinge wie diese - Menschen - ändern sich nicht über Nacht. Aber ich wünsche mir so sehr, dass wir uns wieder verstehen. Vor allem jetzt..." Willow's hoffnungsvoller Blick traf den ihres Bruders.

Secrets of the Night (Deutsche Version)Where stories live. Discover now