Kapitel 11 (Part 2)

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Als sich Willow wieder auf dem Weg zu den Stallungen befand, überlegte sie, ob sie sich wohl heute nach davonschleichen konnte. Sie wusste, dass die Hölle los wäre, sollte ihr Bruder davon erfahren. Aber das würde er nicht, richtig? Dafür würde sie schon sorgen. Er würde tief und fest schlafen und sie würde das bisschen Freiheit genießen. Es war wohl noch zu kalt im in dem kleinen Teich schwimmen zu gehen, aber sie könnte trotzdem zu ihrem Lieblingsort gehen und ein wenig Zeit weit weg von Philip verbringen.

Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr juckte es sie unter den Fingern sich wieder davonzuschleichen. Sie würde auch extra vorsichtig sein in dieser Nacht. Und sie würde ja nicht zu lange weg bleiben. Eine Stunde - maximal zwei. Es würde schon nichts passieren.

Als die junge Herzogin die Stallungen erreichte, ließ sie sich wieder in den großen Heuhaufen fallen und begann wieder zu lesen. Aber es dauerte nicht lange, bis sie das Buch zu Ende gelesen hatte. Da sie zu faul war nach oben auf den Dachboden zu gehen um sich ein neues zu besorgen, beschloss Willow stattdessen Arthur zur Hand zu gehen.

Sie wurde mit der äußerst wichtigen Aufgabe des Striegelns bedacht. Nicht wirklich eine wichtige Aufgabe und auch nicht wirklich etwas, dass gerade unbedingt hätte erledigt werden müssen, aber Willow würde es nicht hinterfragen, da sie die Pferde sehr gerne striegelte. Sie schnappte sich eine der Bürsten und begann mit ihrer Arbeit. Als sie die Bürste so über den Rücken des Pferdes gleiten ließ, fragte sich die junge Herzogin, wie es wohl wäre einfach von hier fort zu galoppieren. Einfach auf genau dieses Pferd vor ihr zu steigen und fort zu reiten, ohne zurück zu blicken. Wie würde es sich anfühlen, wenn der Wind durch ihre Haare fuhr? Wie würde es sich anfühlen, so schnell zu reiten?

Willow war sich sicher, dass sich so vollkommene Freiheit anfühlen musste. Oh, wie sehr sie sich wünschte genau das tun zu können. Aber das war schlicht und ergreifend unmöglich. Sie hatte bisher noch nicht einmal auf einem Pferd gesessen, da es Philip strikt verboten hatte. Also war die Wahrscheinlichkeit, dass sie herunterfallen würde durchaus gegeben.

Und selbst wenn sie es schaffen würde, das Pferd zu reiten, gäbe es keinen Ort an den sie gehen könnte. Sie hatte kein Geld, also könnte sie nicht in einer Herberge unterkommen und ganz alleine draußen zu schlafen machte ihr etwas Angst. Natürlich könnte sie rein theoretisch einen kleinen Ausritt machen, aber ihr Bruder würde sie umbringen, sobald sie wieder Fuß auf das Grundstück setzte. Also war das nicht wirklich eine gute Idee. Seufzend fokussierte sich Willow wieder auf das Striegeln und schüttelte diese Gedanken aus ihrem Kopf.

Willow's Gedanken wanderten weiter zu einem ganz bestimmten anderen Pferdebesitzer. Der Fremde aus den Wäldern. Er hätte sicher einfach fortreiten können und all seine Sorgen hinter sich lassen können. Er schien genug Geld zu haben um für ein Zimmer zahlen zu können und noch dazu war er ein Mann und konnte sich sicherlich besser behaupten. Willow hingegen hatte nicht den leisesten Schimmern, wie sie sich hätte verteidigen können und sie hatte auch keine Waffe. Sicherlich wusste der Fremde wie man kämpfte und hatte wahrscheinlich sogar eine Waffe bei sich gehabt.

Er hätte sie wohl auch benutzt, wenn er das Gefühl gehabt hätte, dass Willow in irgendeiner Art und Weise eine Bedrohung gewesen war. Aber auch in kompletter Finsternis war es mehr als offensichtlich gewesen, dass Willow ihm in so ziemlich allen Bereich unterlegen gewesen war. Er hatte auf die junge Herzogin den Eindruck gemacht als wäre er recht groß und er hatte ein Pferd. Das alleine war ein großer Vorteil. Wahrscheinlich hätte er sie mit einem Schlag oder Griff außer Gefecht setzen können. Willow lief es bei diesem Gedanken kalt den Rücken hinunter. Sie hatte wohl Glück gehabt, dass nichts dergleichen passiert war und sie sich stattdessen ein wenig unterhalten hatten.

Natürlich war sie sich bewusst darüber, dass es gefährlich sein konnte nachts alleine draußen zu sein, auch wenn sie aussah wie ein Junge und nicht wie ein Mädchen. Die Welt war ein gefährlicher Ort. Vor allem nachts. Willow war sich darüber sehr wohl bewusst, aber nicht einmal das hätte sie von ihren nächtlichen Ausflügen in die Freiheit abhalten können.

Secrets of the Night (Deutsche Version)Where stories live. Discover now