Kapitel 10 (Part 2)

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Willow hatte die Stallungen erreichte und grüßte Arthur, den tatsächlichen Stallburschen, mit einem Lächeln. Die junge Herzogin hoffte, dass der Fremde ihrem Bruder nicht nahe stand und dass es ihm nicht in den Sinn kam hier nach dem Stallburschen, mit dem er sich in der vergangenen Nacht unterhalten hatte, zu suchen. Arthur würde sich nämlich weder an ein Gespräch erinnern, noch sah er Willow in irgendeiner weise ähnlich. Er war sicher einen Kopf größer als sie und kräftig gebaut. Auch die Dunkelheit hätte diese Differenzen nicht unerkennbar machen können.

"Guten Morgen, mein Fräulein.", grüßte Arthur zurück, fuhr dann aber direkt wieder mit seiner Arbeit fort. Die beiden unterhielten sich nie viel. Und Willow war froh darüber, dass er sie einfach hier sein ließ, ohne sie dafür zu verurteilen oder komisch anzusehen.

Arthur ließ die junge Herzogin auch manchmal dabei helfen die Pferde zu versorgen. Und er war immer sehr geduldig, wenn er ihr etwas neues beibrachte, wie die Hufe der Pferde auszukratzen. Aber Willow würde sich davor hüten das heute zu tun. Das letzte Mal war ihr Kleid dabei etwas dreckig geworden und Philip war nicht zu erfreut darüber, als sie in einem verschmutzten Kleid zum Essen erschien.

Also beschloss Willow stattdessen die Mähne von Mora, einem wunderschönen Schimmel, zu flechten. Sie war sich darüber im Klaren, dass sie heute Mittag eine Standpredigt von ihrem lieben Bruder zu erwarten hatte und sie hatte bei Gott nicht vor, diese noch schlimmer zu machen, als sie es sowieso werden würde. Wenn er in schlechter Stimmung war, könnte es vorkommen, dass er beschloss sie direkt nach dem Mittagessen in ihrem Zimmer einzusperren und dann wäre ihre Pläne für diese Nacht gekreuzt. Und das wäre wirklich schade, denn es sah nach einer sehr vielversprechenden Nacht aus.

Viel zu schnell kam Elise zu den Stallungen um die junge Herzogin für das Mittagessen ins Haus zu holen. Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, der Unterhaltung mit ihrem Bruder aus dem Weg zu gehen, hätte Willow es getan. Aber sie wusste, dass es die ganze Sache nur schlimmer machen würde, wenn sie sie aufschob. Philip hatte das bereits bei mehreren Anlässen klar zum Ausdruck gebracht. Er war niemand, der es einfach vergaß, wenn sie sich in seinen Augen unangemessen verhalten hatte, so wie es ihr Vater gewesen war. Nein, Philip war da ganz anders. Er schien sich an jedes noch so kleine Detail zu erinnern.

In den letzten Jahren war Willow ziemlich gut darin geworden, ihren Bruder nicht zu verärgern und sich in seiner Anwesenheit angemessen und nach seinen Regeln zu verhalten. Was passierte, wenn er ihr den Rücken kehrte, war hingegen eine ganz andere Geschichte. Immer wieder war es aber doch vorgekommen, dass ihr eine freche Bemerkung über die Lippen gerutscht war und Philip's Konsequenzen waren alles andere als angenehm. Aber er war auch wirklich schwer zufrieden zustellen und wenn er schlechte Laune hatte, war ein falscher Atemzug schon genug, damit er an die Decke ging.

Willow betrat das Esszimmer bevor ihr Bruder dort eingetroffen war. Sie setzte sich auf ihren Platz und war sich unsicher, was sie erwarten würde. Die junge Herzogin hoffte, dass Philip sie wenigsten zuerst essen ließ, bevor er mit seinem Tadel begann. Während sie einen tiefen Atemzug nahm um sich zu beruhigen, erinnerte sie sich selbst daran, dass sie sich entschuldigen musste und einfach allem zustimmen würde, was er sagte. Das war in solchen Situationen das beste, was sie machen konnte.

Ein paar Momente später betrat Philip auch schon den Raum. Willow zwang ein Lächeln auf ihre Lippen, grüßte ihren Bruder und hoffte, dass ihr Lächeln zumindest mehr oder weniger glaubwürdig war. Philip grüßte zurück, machte sich aber nicht die Mühe zu lächeln. Stattdessen nahm er ohne ein weiteres Wort neben seiner Schwester platz und Stille breitete sich zwischen den Geschwistern aus. Glücklicherweise betrat Thomas in diesem Moment das Zimmer und servierte das Essen.

Willow zwang sich dazu, sich auf ihr Essen zu fokussieren und versuchte es zu vermeiden, zu viel Geklapper zu erzeugen oder zu ihrem Bruder aufzusehen. Die Stille zwischen den beiden war alles andere als angenehm. Das Gegenteil war der Fall. Die Anspannung schien, mit jeder Sekunde die verstrich, anzusteigen.

Secrets of the Night (Deutsche Version)Where stories live. Discover now