Kapitel 2

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Als sie wieder zu sich kam, lag sie rücklings am Boden und hatte Marcos Gesicht direkt vor der Nase. Mit einem kalten, tropfnassen Tuch wischte er ihr etwas unbeholfen über das Gesicht.

Nach Luft schnappend riss sie das Tuch herunter. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätte man ihr eins mit dem Knüppel übergezogen, die Schmerzen hinter ihrer Stirn pochten mit hellen Stichen. Und was mit ihren Händen los war, wusste sie auch nicht. Sie kribbelte und stach, als sei sie in Brennnesseln gefallen. Außerdem war es schrecklich heiß.

„Sag mal, spinnst du?", hustete sie. „Willst du mich ersäufen?"

Überrascht fuhr Marco zurück. Ein vorsichtiges Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „Aha. Sie weilt wieder unter den Lebenden", brummte er etwas säuerlich.

Mit einem Grunzen stieß sie ihn weg. „Tut sie, ja. Aber nimm diesen Lappen weg! Was ist eigentlich passiert?"

„Das wollte ich dich auch gerade fragen." Mit hochgezogenen Augenbrauen und ganz unmissverständlich vorwurfvoll blickte Marco sie an. „Was denkst du dir eigentlich dabei, hier einfach so umzukippen?", raunzte er sie an. „Zum Glück hat Lena dich gefunden, sie wollte dich für die Planung der Feier holen ... Du hast uns einen Heidenschreck eingejagt!"

Lena, Sandro und Marco umringten sie und musterten sie alle drei mit demselben, besorgten Blick. Ein spitzer Stein drückte direkt auf ihr Schulterblatt und sie richtete sich stöhnend auf. Da lag ihre Kelle, noch an der Mauer, wo sie sie abgelegt hatte, an einem gerade freigelegten Mauerstein ... Oh Gott, das Ei! Schlagartig setzte ihre Erinnerung wieder ein. Schwindel erfasste sie.
„Scheiße, der Vogel!", keuchte sie.

Die anderen starrten sie an, als sei sie übergeschnappt.

„Hey, starrt mich nicht so an, als sei ich ein verdammtes Fresko!", entfuhr es ihr.

Doch sie sah, dass Besorgnis und Ratlosigkeit in den Gesichtern ihrer Freunde echt waren. Es hätte lustig sein können, doch plötzlich wurde ihr klar, dass es eventuell nicht so einfach werden würde, den anderen von dem Vogel zu erzählen. Sie würden ihr nicht unbedingt Glauben schenken.

„Welcher Vogel?", sagte da auch schon Sandro und schob sich an Marcos Rücken vorbei.

„Da war ein Ei. Und dann ist ein goldener Vogel weggeflogen ...", begann sie. Sandro kniff die Augen zusammen und betrachtete sie kritisch. „Sag mal, hast du Kopfschmerzen? Übelkeit? Hast du zu wenig getrunken?"

„Ja, schon, aber ..."

Sandro studierte im zweiten Semester Medizin und arbeitete regelmäßig im Sommer in der Ausgrabungsstätte, um die Studiengebühren mit zu finanzieren. Jetzt wog er bedächtig den Kopf. „Könnte ein Sonnenstich sein!", brummte er und beäugte sie wie ein interessantes Insekt.

„Quatsch!", sagte Kira langsam und merkte, dass sie selbst plötzlich Zweifel hatte. Ein glühendes, explodierendes Ei? Ein Vogel mit goldenen Federn? Konnte es sein, dass es sich tatsächlich um einen Sonnenstich handelte? Ein Stöhnen entfuhr ihr und sie griff sich an die Stirn, die höllisch schmerzte.

„Sandro hat Recht. Du warst eindeutig zu lange an der Sonne, ich hab's ja gleich gesagt, dass es zu viel ist ...", nickte Marco und schwang schon wieder das nasse Lappending in der Hand und sie verfolgte es misstrauisch mit Blicken. War das etwa das schmutzige Ledertuch, mit dem üblicherweise die Fundstücke gesäubert wurden?

„Irgendwo müssen noch Schalen sein!", krächzte sie matt.

Wieder erntete sie verständnislose Blicke. Es war unglaublich heiß und sie wünschte sich gerade verzweifelt, in das kühle Becken eines Brunnens zu springen, um wieder einen klaren Kopf zu kriegen. Wäre einer in der Nähe gewesen, hätte sie es vermutlich auch getan.

Im Schatten des PhönixWhere stories live. Discover now