Kapitel 23

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„Kooperiere einfach, dann wird dir nichts geschehen", sagte Lian und sah ihr mit so starrem Blick in die Augen, als sei sie eine Schlange, die es zu bändigen galt.

„Du weißt nicht, was du da tust, Lian! Lass dich nicht von ihnen benutzen!", flehte sie.

„Lass mich meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich nehme jetzt den Phönix mit." Er hatte es in einem Tonfall gesagt, als sei auch sein Inneres plötzlich vereist.

„Du bist ein Mistkerl!", stieß sie hervor. Alle möglichen Gedanken schossen ihr durch den Kopf, sie wollte ihn mit Lichtblitzen durchlöchern, ihm ihre Faust ins Gesicht rammen, ihn mit Schimpfwörtern überschütten ... oder aber ihren Tränen freien Lauf lassen. Doch sie konnte Phoe mit seinem verletzten Flügel unmöglich fallenlassen. Also stand sie bewegungslos da. Die Scuros waren bei ihrer Beschimpfung drohend vorgerückt, griffen jedoch nicht zu ihren Waffen. Logisch, sie hatte ja auch den Phönix, den sie lebend brauchten.

Sie ließ sich den Vogel ganz erbärmlich und unspektakulär von Lian aus den Armen nehmen. Ihre Augen brannten vor Zorn. Auch nun konnte sie sich nicht auf ihn stürzen oder ihn mit Feuerblitzen traktieren, der Bastard wusste genau, was er machte. Solange er den Phönix vor sich hielt, war das wie ein Schutzschild für ihn.

„Bindet ihr die Hände wieder auf dem Rücken zusammen", wandte er sich an die Scuros. Diese, dienstbeflissen wie übermotivierte Angestellte mit Aussicht auf baldige Beförderung, beeilten sich, seinem Befehl nachzukommen und branden ihr grob die Hände wieder auf den Rücken.

Heller Zorn überwältigte sie. Sie überlegte, die Scuros anzugreifen, egal, was dann auf sie zukam, irgendwie musste sie sich doch zur Wehr setzen!

„Du hast keine Chance gegen uns, wir sind zu viele. Also versuch es erst gar nicht, du machst es dir dadurch nur noch schwerer", sagte Lian, als hätte er in ihren Augen gelesen, was sie vorhatte.

„Ihr werdet damit nicht durchkommen!", keuchte sie.

„Du auch nicht", presste er zwischen den Lippen hervor. „Kooperiere einfach."

„Mistkerl! Außerdem wiederholst du dich!"

„Du auch. Und ich bin kein Mistkerl. Ich erfülle nur meine Aufgabe."

Der sekundenlange Moment Empathie, den sie in seinen Augen gelesen hatte, war augenblicklich wieder verschwunden.

„Denkst du etwa, ich lasse mich von euch brav wie ein Lamm zur Schlachtbank führen? Mit dem beklagenswerten Phönix, den ihr, verdammt noch mal, komplett aus dem Spiel lassen solltet, weil das hier Tierquälerei ist? Denkst du daran, hm?" Sie wusste, dass sie sich wie ein in die Enge getriebenes Opfer verhielt. Das Schlimme daran war: sie war eines.

Lian entfernte sich.

"Ist jetzt die Audienz beendet oder wie?", rief sie ihm aufgebracht hinterher. Sie wollte ihn aufhalten, ihm klarmachen, dass er hier einer Sekte oder Ähnlichem aufgesessen war, dass er sich endlich von ihnen abgrenzen sollte, sie wollte ihm Fragen stellen, sie wollte einfach nur, dass er bei ihr blieb! Doch sie wusste mit bitterer Gewissheit, dass er ihr nicht zuhören würde. Er hatte sich von ihr abgewendet. Er lief mit dem Phönix einfach weg.

Nur kurz wandte er den Kopf. „Man wird sich um dich kümmern. Du kannst etwas essen und trinken. Ruh dich aus." Es klang, als würde alles unabänderlich einer bestimmten Ordnung folgen, als hätten weder er noch sie Einfluss darauf. Seine Resignation traf sie mehr als die Information, dass sie sich ausruhen sollte. Wofür ausruhen? Dafür, dass sie bald zuschauen sollte, wie man Phoe umbrachte, um einen Dunkelvogel aus ihm zu machen?

„Ich will mich nicht ausruhen!", schrie sie. „Ich will hier raus! Raus aus diesem verdammten Loch, raus aus dieser Gruft mit all diesen dubiosen Maschinen! Das ist das Einzige, was ich will!" Und dann, leiser: „Lian, du kannst mit all dem hier doch nicht einverstanden sein!"

Im Schatten des PhönixTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon