Kapitel 33

53 8 6
                                    

Kira packte ein Tau, stieß sich von der Plattform ab, schwang sich in einem Bogen durch die Luft und kam mit den Füßen voraus vor Eleonora auf dem Boden zu stehen.

Eleonora strahlte übers ganze Gesicht „Kira, du bist soweit!", jubelte sie. „Du machst das richtig gut mittlerweile. Jetzt ist Ombrine mit ihrem Schutzwall an der Reihe."

Kira atmete schwer. Stolz erfüllte sie, wenn sie daran dachte, was sie alles gelernt hatte. Es war eine lange und intensive Trainingsphase gewesen und oft hätte sie sich am liebsten irgendwo zwischen den Farnen verkrochen und Eleonora ohne sie an Tauen und Stricken herumwirbeln lassen, statt ihren leichtfüßigen Schrittfolgen zuzuschauen und sich zu sagen, dass sie das nie im Leben schaffen würde.

Irgendwann hatte sie der Ehrgeiz gepackt und sie schaltete ihre schreienden Muskelkater-Schmerzrezeptoren aus und übte einfach weiter. Und sie wurde besser. Sie wurde sogar richtig gut. Das merkte sie einerseits daran, dass es sich auf einmal flüssiger anfühlte, wenn sie sie zwischen verschiedenen Positionen wechselte, Handgriffe durchführte und ihre Füße setzte, andererseits aber auch daran, dass sie immer weniger außer Puste kam.

Hatte sie anfangs noch wie ein Sack an einem der Seile gehangen und war ziemlich unelegant auf den Boden geplumpst, beschrieb sie jetzt durch die Luft fliegend mit durchgedrücktem Rücken einen Bogen und landete auf beiden Füßen.

„Was ist ein 'Schutzwall'?", fragte sie Eleonora neugierig.

„Das kann dir Ombrine erklären. Der Schutzwall erfordert einiges an Geschick. Sie ist die Beste dafür."
*

Ombrine, groß und schlank, stand in ihrer grauen Wolljacke, die ihr bis zu den Knien reichte, mit ihr unter der großen Buche.

„Der Schutzwall kostet Kraft", erklärte sie ihr, „doch du kannst bei einigen Gelegenheiten verwenden. Er umschließt dich mit einer ringförmigen Kuppel und lässt sich in Sekunden errichten, er wehrt giftige Nebel, sowie Kugelhagel oder auch Lichtpfeile ab. Vor allem kommt er zum Einsatz, wenn du nicht weißt, aus welcher Richtung der Feind angreift, wenn du in die Enge getrieben wirst oder dich gegen eine Vielzahl an Angreifern wehren musst. Du kannst ihn breitwandiger oder größer machen, doch musst du wissen, dass es dich in diesem Fall auch mehr Kraft kostet. Starke Lichthüter, die routiniert sind, schaffen es, einen doppelten Schutzwall aufzufahren, doch birgt dies auch gewisse Gefahren."

Kira sah sie ängstlich an.

Ombrine seufzte. „Nun ja ..., wahrscheinlich ist es besser, du weißt Bescheid ... Ein doppelter Schutzwall kann in Flammen aufgehen und die Person, die er eigentlich schützen soll, mit verbrennen; es kann sich ein aufsteigender Feuerpilz bilden oder das hineingeleitete Licht hat zu wenig Platz und die gesamte Struktur explodiert – in der Praxis hatten wir das glücklicherweise nur sehr selten."

„Äh, ich denke, ein einziger Schutzwall reicht mir völlig", platzte Kira eilig heraus.

Ombrines Miene blieb ausdruckslos. „Auch wenn du den doppelten Schutzwall erst mal nicht anwenden wirst, ist es gut, die Details zu kennen." Sie verzog die Mundwinkel zum Hauch eines Lächelns. „Aber keine Angst, ich zeige dir, wie alles geht. Kommen wir also erst Mal zum normalen Schutzwall ..."

Sie stellte sich aufrecht hin, strich dann mit beiden Händen die langen glatten, grauen Haare hinter die Ohren und sah konzentriert geradeaus. Dann warf sie Kira einen kurzen Seitenblick zu. „Konzentration ist alles", sagte sie, schloss die Augen und legte die Hände vor der Brust wie zum Gebet zusammen.

„Es muss aus dir kommen", sagte sie. „Du kannst die Energie des Feuervogels tief in dir finden. Dort musst du sie holen."

Sie ließ eine Lichtkugel in ihren gefalteten Händen entstehen, strahlend und hell, und gerade als Kira geblendet die Augen abwenden wollte, riss Ombrine die Hände auseinander und führte sie in einem reißenden Bogen um sich herum. Es war, als ließe sie einen Wasserfall um sich herum entstehen. Das Licht strömte, blitzschnell und mit immenser Kraft, in alle Richtungen, sodass sich eine Art Kuppel um Ombrine bildete, hinter der sie wie hinter einer flüssigen Wand aus Licht stand.

Im Schatten des PhönixWhere stories live. Discover now