Kapitel 8

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Am Flughafen war die Hölle los. Alles drängte sich mit Koffern und Taschen um die Gepäckaufgabe, und auch als Kira endlich durch die Sicherheitskontrolle hindurch war, war es in der duty-free-Zone keinen Deut besser.

Die Wartehalle war überfüllt, der Lärm ohrenbetäubend, und die stickige Luft trug auch nicht gerade dazu bei, dass sie sich wohler fühlte.

Müde verfolgte Kira, wie etliche Fluggäste, gereizt von der langen Warterei, sich bei dem Flughafenpersonal beklagten, das wiederum versuchte, deeskalierend Einfluss zu nehmen und geduldig auf sie einredete. Mütter versuchten, ihre weinerlichen Kinder zu besänftigen, eine Familie unterhielt sich lautstark, wer es denn nun gewesen war, der den aufblasbaren Flamingo vergessen hatte und von irgendwoher klang das dumpfe Rauschen einer schlecht gewarteten Klimaanlage. Sie hasste Flughäfen.

Müde fragte sie sich, wo ihr Bodyguard abgeblieben war. Wahrscheinlich steuert er nachher das Flugzeug, und der Pilot liegt schon geknebelt und gefesselt im Frachtraum, ging es ihr durch den Kopf. Aber egal, vielleicht war er ja auch an der Passkontrolle gescheitert und von der Security zurückgeschickt worden. So einen Schwarzenegger-Typ wie ihn beobachteten die sicher mit Argusaugen.

Wie war das nochmal? Wie die Stoiker sollte sie ihre Sorgen ent-sorgen. Sie nahm sich vor, keinen Gedanken mehr an den Bodyguard zu verschwenden und lieber das Nächstliegende tun. Seufzend stieg sie über ausgestreckte Beine, Taschen und Rucksäcke, auf der Suche nach einem freien Sitzplatz.

Sie hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben und überlegte, ob sie sich irgendwo auf den Boden hocken sollte, als ihr zwischen all den Leuten ein Junge auffiel. Beziehungsweise der Platz neben ihm.

Wie ein Fixpunkt saß er reglos inmitten all der ameisenhaften Betriebsamkeit da, die Kapuze seines schwarzen Hoodies über den Kopf gezogen und in der Hand ein Sandwich, von dem er abbiss, als hätte er seit Tagen nichts gegessen. Den anderen Arm hatte er locker über den großen Rucksack auf dem Sitz neben sich gelegt.

Das gibt's doch nicht! Während andere stehen müssen, nimmt er einfach zwei Plätze für sich!, dachte sie empört und näherte sich neugierig.

Der Junge hielt den Kopf vornübergebeugt und aß seelenruhig weiter sein Sandwich. Ein paar Strähnen seiner dunklen Haare hingen ihm in die Stirn, was ihn aber ebenso wenig zu kümmern schien, wie der ganze Lärm um ihn herum. Ein schmales Gesicht, Lippen, die sich beim Kauen in die Länge zogen, so dass sich kleine Grübchen neben seinen Mundwinkeln bildeten und ein markantes Kinn. So wie er dasaß, machte er den Eindruck, als würde er sich von der ganzen Welt abschotten wollen. Er blickte auch nicht auf, als sie ein paar wenige Schritte vor ihm stehenblieb.

Doch sie wusste, dass sie in seinen Radar geraten war, das hatte ihr ein leichtes Zucken seiner Augenlider hinter den schwarzen Locken verraten. Er war in ihrem Alter oder vielleicht auch etwas älter. Seine Finger umschlossen den letzten Rest seines Sandwichs. Schmale, lange Finger, wie sie feststellte. Klavierspielhände, dachte sie und fragte sich, warum ihr das gerade jetzt einfiel. Auf seinem Rucksack erspähte sie einen Aufkleber, auf dem ein Spruch stand: „Zahme Vögel träumen vom Fliegen, wilde Vögel tun es'.

Aha, dachte sie, er ist also Deutscher. Der Spruch gefiel ihr. Doch sein Verhalten, zwei Plätze für sich zu beanspruchen, fand sie einfach nur dreist. So ein Egoist!

„Könntest du vielleicht deine Sachen da wegräumen, damit ich mich hinsetzen kann?", fragte sie und sah ihn abwartend an.

Der Junge ließ ein Grunzen hören, das sie als Ausdruck seines Unmuts darüber nahm, dass sie gewagt hatte, in seine Privatsphäre einzudringen. Erst jetzt sah er auf und sein Blick streifte sie für eine Millisekunde, grün blitzende, helle Augen, die sie unwillkürlich für einen Moment den Atem anhalten ließ. Dann senkte er den Blick wieder auf sein Sandwich. Mit plötzlichem Herzklopfen sah sie auf seine gesenkten Augenlider und blieb stehen. Gleichzeitig war ihr klar, dass dieser Typ, auch wenn er ziemlich gutaussehend war, unwahrscheinlich arrogant war.

Im Schatten des PhönixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt