Kapitel 15

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„Jetzt noch die gerösteten Haselnusssplitter dazu, die Kugeln in den Kokosflocken rollen - und fertig sind die leckersten Dattel-Energy-Balls, die es gibt!", rief Joella begeistert. Seit zwanzig Minuten stand sie schon in Kiras Küche und hantierte mit Rührschüsseln, Mixer und verschiedenen duftenden Ingredienzien.

Kira saß am Tisch und atmete genießerisch den Geruch von Honig und gerösteten Nüssen ein. „Das riecht echt himmlisch!", sagte sie anerkennend.

„Es wird auch himmlisch schmecken, wirst du gleich sehen! Schließlich ist das eins meiner persönlich kreierten Number-One-Rezepte!" Joella strahlte über beide Backen.

Kira legte die Dattelkugeln in eine eigens dafür ausgesuchte, hübsche Dose und rieb dann gedankenverloren die Hände aneinander. Als ihre Freundin vor ein paar Monaten erklärt hatte, dass sie ab sofort Veganerin sei und sich nur noch pflanzlich ernähren wollte, hatte sie erst milde gelächelt, es dann als vorübergehende Laune abgetan, um später dann erstaunt Joellas Vorträgen zu lauschen. Joella hatte sich in die pflanzliche Ernährung vertieft, als studiere sie Ernährungswissenschaften und nicht Kunstgeschichte. Sie war begeistert von ihrem Steckenpferd. Jede Menge Bücher hatte sie zum Thema gelesen. Seither wollte sie ihr ständig beweisen, dass rein pflanzliche Gerichte nicht nur aus seltsamen, undefinierbaren Bohnengerichten bestanden, sondern es haufenweise bücherfüllende, leckere Rezepte gab, die dazu noch gesund waren. Kira hörte sich lange Vorträge über Mikronährstoffe, tierisches Eiweiß und Methan in der Atmosphäre an und merkte immer mehr, dass sie eigentlich über die vegane Ernährungsweise kaum etwas gewusst, sondern nur jede Menge Vorurteile gehabt hatte, die sich als unbegründet herausstellten.

„Was hast du denn?", fragte Joella auf einmal. „Du reibst seit mindestens fünf Minuten deine Finger aneinander, als würdest du damit ein Feuer entfachen wollen!"

Kira sah auf. „Oh. Manchmal ist es mir gar nicht bewusst. Ich habe auf einmal wieder dieses Prickeln in den Fingern ... oh Gott."

„Wieso oh Gott? Ich dachte, du hättest es nicht mehr?"

„Das ist es ja. Ich hatte es nicht mehr. Wenn ich es jetzt wieder spüre, kann das nur eins bedeuten: der Phönix muss in der Nähe sein! Die Frage ist: will ich das oder will ich das lieber nicht?"

„Hattest du nicht gesagt, das Prickeln kommt und geht? Also geht es logischerweise auch wieder!" Grinsend sah Joella sie an. „Oder es ist Lian daran schuld", fügte sie lapidar hinzu. „Du bist so verliebt, dass es bei dir einfach überall prickelt!"

Als Lians Name fiel, stieß Kira hörbar die Luft aus.

„Aha. Hab ich ins Schwarze getroffen?!"

Kira horchte in sich hinein. War es so? War sie verliebt, hundertprozentig, Hals über Kopf und mit ganzem Herzen? Oder war das Schwarze, von dem Joella sprach, nur Grau? Vielleicht pendelten ihre Gefühle ja auch gerade zwischen Nebelgrau und Anthrazitgrau. Wenn sie ehrlich war, konnte sie es selbst nicht so genau sagen.

„„Ach ... ich weiß nicht ...", begann sie vorsichtig, nach Worten suchend. „Ich weiß nur, dass ich ständig an ihn denken muss. Und dass ich ihn mag. Er ist blitzgescheit, er ist witzig, er ist frech, er ist selbstbewusst, und dann doch wieder manchmal auf charmante Art plötzlich schüchtern."

„So viel?", fragte Joella lächelnd.

Kira lachte. „Ja, vielleicht sogar noch etwas mehr", gab sie zu.

Joella hob jubelnd die Arme und drehte sich einmal um sich selbst. „Uuuh, ich wusste es!", rief sie. Es war ja auch an der Zeit! Ich habe schon gedacht, du würdest zum Verlieben immer nur die Schaltjahre nehmen!" Breit lächelnd ging sie zum Esstisch und schob sich eine Dattel-Energy-Kugel in den Mund. „Göttlich!", sagte sie und Kira war sich nicht sicher, was genau sie jetzt meinte.

Im Schatten des PhönixWhere stories live. Discover now