Kapitel 4

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Am nächsten Morgen erwachte Kira erst, als Lena in ihr Zimmer gepoltert kam.

„Hey, du Murmeltier! Du schläfst ja immer noch! Für mich übrigens ein eindeutiger Beweis, dass es ein Sonnenstich war ..."

Ächzend setzte sich Kira auf. Sie stöhnte. „Ist es schon so spät?"

„Ist es, ja", grinste Lena. „Es ist nicht nur spät, es ist ultrahyperspät! Fast schon elf Uhr!! Gib zu, du wolltest dich vor dem Küchendienst drücken! Wie geht es dir eigentlich? Besser?"

„Ja, ja, auf jeden Fall, ... mir geht es gut", brummte Kira und streckte ihre Arme nach vorne, um ein etwaiges Prickeln in ihren Händen besser spüren zu können. Doch da war nichts, wie sie erleichtert feststellte.

„Willst du schauen, ob dein Gleichgewichtssinn noch funktioniert? ", meinte Lena und ihre Nase kräuselte sich. „Ich an deiner Stelle würde mir heute nicht unbedingt wieder den Kopf von der Sonne verbrutzeln lassen!"

„Keine Sorge, das habe ich auch nicht vor." Auch ihre Kopfschmerzen waren verschwunden. Sie reckte sich noch einmal und stand dann schwungvoll auf, um Lenas Zweifel an ihrem Gesundheitszustand jegliche Grundlage zu entziehen.

„Dann ist es gut. Übrigens sollst du dich bei Simeon im Büro melden, er will irgendwas mit dir besprechen."

Schlagartig fühlte sich Kira weniger gut. „Was? Simeon? Ist er wieder aufgetaucht? Ich meine ... was will er von mir?"

„Hab ich doch gerade gesagt, er will etwas mit dir besprechen. Mehr weiß ich nicht. Wahrscheinlich fehlt ihm noch irgendetwas für die Dokumentation der Scherben, keine Ahnung."

Kira stützte das Kinn auf die Hände und überlegte. Nachdem sie Simeon am Vortag nicht hatte finden können, wusste sie immer noch nicht, ob er von den zwei Unbekannten in seinem Büro wusste. „Wann soll ich zu ihm? Hat er was gesagt?", fragte sie Lena nervös.

„Sobald du Zeit hast, meinte er. Was ist los? Warum bist du plötzlich so aufgeregt? Ist doch nichts Besonderes. Eben eine Dokumentation von noch so einem sterbenslangweiligen Fundstück. Keine große Sache."

„Ja, sterbenslangweilig, klar. Tut mir leid, ich bin wohl noch nicht ganz wach." Um den letzten Rest Schläfrigkeit loszuwerden, stand sie auf und spritzte sich energisch Wasser ins Gesicht. Sterbenslangweilig, hm, dachte sie. So wie auch der Fund des Eies, der Feuervogel und dieses seltsame Prickeln in den Händen. Dass sie nicht verstand, was ihr gestern widerfahren war, hinterließ bei ihr ein Gefühl von Hilflosigkeit. Ein Gefühl, mit dem sie noch nie gut hatte umgehen können. Verdrießlich griff sie nach ihrer Haarbürste.

Lena betrachtete sie verwundert. „Bist du eigentlich auf irgendwas wütend? Du malträtierst deine Haare ja so, dass sie bald schreien!"

Kira ließ die Bürste sinken. Eigentlich war sie nicht wirklich wütend. Sie fand es nur unwahrscheinlich frustrierend, niemandem etwas von ihrem Gedankenkarussell erzählen zu können.

„Ach nein, ich bin nur etwas durcheinander. Das hat mich doch ganz schön geschlaucht gestern." Sie würde versuchen, einen Schritt nach dem anderen zu machen und vorgehen, wie man es eben in der Archäologie machte: Fakten listen und an dem forschen, was man in der Hand hatte. Nur ... was hatte sie in der Hand? Nicht sonderlich viel. Die schwarzen Scherben hatte sie abgegeben. Wusste Simeon mittlerweile mehr über die Sache?

„Ich gehe gleich zu ihm", erklärte sie Lena. Dann fügte sie etwas lahm hinzu: „Nur verstehe ich nicht, was so wichtig sein soll." Sie versuchte, ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zu bändigen, aber ihre Locken schienen ein Eigenleben zu haben und schafften es von mal zu mal, der erwünschten Ordnung zu entkommen. Auch wenn sie ihre Haare Stunden bürsten würde, würden sie sich immer noch zu eigensinnigen Wellen kräuseln. Ihre Mutter sagte, es sei ihr siziLianisches Naturell, welches da unbezähmbar und wild zum Vorschein kam. Sie meinte, es sei dem Einfluss ihrer siziLianischen Urgroßmutter zuzuschreiben, die eine für die damalige Zeit fortschrittliche Emanzipation an den Tag gelegt hatte und der ein beachtlicher Starrsinn nachgesagt worden war.

Im Schatten des PhönixWhere stories live. Discover now