Kapitel 25

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Kira zog verzweifelt an ihren Fesseln. „Oh Gott, Phoe!", flüsterte sie tonlos. Das letzte Fünkchen Hoffnung in ihr war in sich zusammengesunken wie ein angestochener Luftballon. Angst rann durch ihren Körper. Sie wandte den Kopf und sah aus dem Augenwinkel, wie sich Lians Augen sich vor Entsetzen weiteten, wie sein Mund Wörter formulierte, die sie nicht mehr hören konnte. Alles ging im flächendeckenden Lärm der Maschinen unter. Die Panik hatte sich ihrer bemächtigt, rundherum schien alles im Schwarzbetongrau der Halle, in Stahl und Eisen und den unscharfen Silhouetten der Scuros zu entgleiten. Ihr Herz schlug flatternd, als würde es gleich davonfliegen. Die Krähen oben auf den Kabelsträngen und dem Geländer nickten wie in Trance mit den Köpfen dazu. Was passierte hier?

Sie heftete ihren Blick auf das wilde Sammelsurium an dickbauchigen Phiolen, Reagenzgläsern und Schläuchen, die sich wie krakenhafte Arme zu dem Käfig hin windeten. Erneut schoss Adrenalin durch ihren Körper, als sich, von einer brodelnden Flüssigkeit in einem der Glasgefäße ausgehend, schwarze Schlieren ausbreiteten und am unteren Rand des Käfigs nach oben stiegen. Genau dort waren auch die Kabel der Maschinen an den Käfig angeschossen und, wie von einer unheimlichen teuflischen Macht gesteuert, stieg der wabernde dunkle Nebel nun unerbittlich auf. Wie schwarzer Trockeneisnebel, hämmerte es in ihrem Kopf. Verwirrt bemerkte sie, dass eine frostige Kälte von den sich kräuselnden Schwaden ausging. Sie schoben sich wie gefräßige Monster an den Gitterstäben entlang, kletterten nach oben, unaufhaltsam und eisig. Der kalte Nebel quoll vom Boden hoch, stieg unerbittlich nach oben, bis er schließlich bei ihr und Phoe ankam und sie beide wabernd und lechzend umschlossen.

Sie spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich, als Phoe schrie. Es war der markerschütternde Schrei eines leidenden Tieres.

Entsetzt sah sie zu, wie eine schwarze Wolke sich um den Phönix windete. Die Schwärze bemächtigte sich seiner, sie schlang sich um ihn und nahm ihn mit dem würgenden Druck einer todbringenden Krankheit in Besitz. Ein scharfer, gummiartig-öliger Geruch erfüllte auf einmal die Luft, an dem sie zu ersticken meinte. Es war, als ziehe sich die dunkle Schlinge auch um sie immer enger.

Weiter hinten konnte sie die Scuros ausmachen, die dicht an dicht standen und ihren Sieg schon mit erhobenen Armen und in ekstatischer Erregung feierten. Mitten unter ihnen entdeckte sie Korbinian, seine hohe Gestalt in dem langen schwarzen Mantel, war unschwer zu erkennen. Die hässliche Krähe hockte immer noch auf seiner Schulter.

Kira drehte ihren Kopf zur Seite und versuchte so, dem schwarzen Eisnebel auszuweichen, der ihr die Sicht und den Atem nahm. Mittlerweile umschloss er den ganzen Käfig, umfasste sie und Phoe mit unerbittlichem Zangengriff. Durch den Qualm blinzelte sie zu Phoe hinüber. Es schien kein Entkommen zu geben.

Im selben Moment erreichten die schwarzen, sich kräuselnden Schwaden sein Gefieder und sie sah entsetzt, wie sich Phoes Flügelspitzen schwarz färbten. Der Feuervogel war, - so grausam das war -, offensichtlich dabei, sich in einen Dunkelvogel zu verwandeln.

Sie hörte sich selbst schreien, doch ihr Brüllen ging in den schrillen Angstschreien des Vogels und dem Lärm der Maschinen unter. Reflexhaft packte sie mit ihren gefesselten Händen die Gitterstäbe. Tränen standen in ihren Augen.

„Phoe!", rief sie und versuchte, dem Feuervogel durch ihre bloße Präsenz Kraft zukommen zu lassen.

Da registrierte sie an ihren Händen auf einmal aufsteigende Hitze. Oder ging sie von dem Metall aus? Der schwarze Lack der Gitterstäbe änderte die Farbe und wurde langsam, aber stetig orangegelb. Die Stäbe begannen zu glühen! Das Leuchten breitete sich aus, Gitterstab für Gitterstab. Bildete sich hier eine Gegenkraft?

Mit neuer Hoffnung packte sie die Stäbe stärker, versuchte, gegen die kalten Schwaden anzukämpfen. Schlagartig wurde ihr klar, dass dies ihrem Traum ähnelte. Sie war hier einer der Gegenspieler, sie musste sich zur Wehr setzen! Sie und Phoe fochten denselben Kampf aus. Eine Welle der Verbundenheit erfasste sie und sie schloss die Augen und sendete dem Feuervogel den ganzen Sturm und die Kraft ihrer Gefühle. Mitgefühl, Zorn und aufwallende Hoffnung ließ sie durch ihre Finger direkt in das Metall der Käfigstangen gleiten und die Stäbe wurden heißer und heißer.

Im Schatten des PhönixDonde viven las historias. Descúbrelo ahora