Kapitel 31

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Die Domäne entpuppte sich als gut getarntes Verteidigungslager. Im Waldstück unterhalb der Felswand waren nicht nur unzählige mannsgroße Netze versteckt, die im Falle eines Angriffs gespannt wurden, sondern dazu verlief ein ganzes System von aus Seilen geknüpften Hängebrücken und Plattformen in den Baumkronen. Taue und Seile hingen an den Plattformen, mit denen sich ein Affe oder jemand so Geübtes wie Eleonora von einem Baum zum anderen schwingen konnte.

Geschickt versteckt im Wald hatten die Drei Schwestern an diesem Fleckchen eine Behausung geschaffen, wie sie niemand vermuten würde.

Der Fels, an der das Haus stand, hatte mehr Löcher als ein Schweizer Käse, was schon erstaunlich genug war. Doch sie trauten ihren Augen nicht, als Mila und Eleonora sie hinten in der Küche zu einer mit schlichten Holzbrettern vertäfelten Wand führte, an der das handgemalte Bild einer Eule hing. Mit einem leichten Druck ihres Fußes gegen die untere Wand öffnete sich eine Tür, hinter der eine Treppe sichtbar wurde.

„Eine Geheimtür!" Kira stieß einen verblüfften Pfiff aus.

„Für Gäste haben wir im oberen Stock einige Zimmer eingerichtet", sagte Mila, als sei es das Normalste der Welt, betätigte einen Lichtschalter an der Holzverschalung und bedeutete den anderen, ihr zu folgen. Dann wandte sie sich noch einmal um. „Übrigens hat uns - auch wenn es für euch vermutlich keine Rolle spielen wird – der Eulenblick in der Vergangenheit schon sehr gute Dienste geleistet."

„Häh?", machte Joella verständnislos. „Welcher Eulenblick? Haben Sie besonders gute Augen?" Zweifelnd musterte sie die Nickelbrille mit den dicken Gläsern auf Milas Nase.

Mila schob ihre Brille zurecht. „Oh, nein, überhaupt nicht", lachte sie, meine Augen sind nicht die besten. Entschuldige, wenn ich den Begriff so selbstverständlich verwende ..., der 'Eulenblick' ist für uns schon beinahe eine feste Redewendung. Ich meine natürlich das Bild, das wir gerade gesehen haben ..."

Alle drehten sich um, doch die Holztür hinter ihnen war schon wieder ins Schloss gefallen.

„Sie meinen, die Eule auf dem Bild gerade eben?", fragte Kira. „Auf der anderen Seite der Tür?"

Lian, der ganz hinten gelaufen und sich auch umgewandt hatte, stieß einen überraschten Ruf aus: „Oha, da ist ein Türspion in der Wand!"

Kira lachte beeindruckt. „Man schaut durch das eine Auge der Eule direkt in die Küche!"

„Die Küche und einen Teil des Salons", bestätigte Eleonora stolz. „Das Haus hält noch so einige Kleinigkeiten bereit, die ihr nicht kennt."

Oben angekommen staunten sie nicht schlecht, als sie merkten, dass versteckt in der steil aufragenden Felswand Mansarden für sicherlich insgesamt zwanzig Personen lagen.

Im Flur vor den Zimmern hingen an der rückseitigen Wand viele kostbar aussehende, zum Teil verblichene Wandteppiche. Eleonora machte vor einem der Teppiche halt, die Szenen des römischen Gladiatorenlebens darstellten. Als sei sie eine gelangweilte Führung in einem Museum, wies sie beiläufig darauf und sagte: „Ombrine und Mila haben sie selbst geknüpft, die Winterabende hier im Wald sind manchmal lang ... Und eigentlich ist es ja auch ganz hübsch, oder?"

Kira und Joella starrten auf die fein gewebten Teppiche. Römische Athleten in sportlicher Positur, Pferde- und Wagenrennen, ein Diskuswerfer, Gladiatorenkämpfer, ein Amphitheater. Es musste Jahrzehnte gedauert haben, um diese Teppiche anzufertigen!

„Ganz hübsch?", ächzte Joella. „Die sehen aus, als seien sie ein Vermögen wert!"

„Und als hätte man sie direkt im alten Rom abfotografiert", fügte Kira staunend hinzu.

Im Schatten des Phönixحيث تعيش القصص. اكتشف الآن