Kapitel 14

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Mammina liebte es, Gäste zu haben. Eine Anwesenheit derselben entzündete in ihr stets ein fröhlich-wirbelndes Dauerfeuer, und sie plauderte dann höchst vergnügt und über Stunden im dunklen Akzent ihrer sizilianischen Heimat, stellte charmant-interessierte Fragen und bot lächelnd Kaffee, Kekse und Kuchen an. So ähnlich war es auch, als sie Lian das erste Mal nach Hause brachte. Es war ähnlich, aber doch wieder auch ganz anders.

Fairerweise musste man sagen, dass es nur alle paar Schaltjahre mal vorkam, dass Kira männlichen Besuch mit nach Hause brachte. Deshalb wunderte es sie auch nicht, dass Mammina die Neugierde ins Gesicht geschrieben stand, als Lian mit ihr zur Haustür hereinschneite. Es war eine recht spontane Entscheidung gewesen, einfach weil das Haus ihrer Eltern als Ausgangsort für den Petrisberg, auf den sie laufen wollten, ideal lag. Kira hatte Mammina schon von ihm erzählt, nicht allzu viel, nur dass er an der gleichen Uni wie sie studierte und sie sich manchmal verabredeten und ihre Mutter hatte sie mit einem Blick bedacht, der ein so hohes Maß an Interesse zeigte, dass Kira direkt zu einem anderen Thema gewechselt hatte.

Wenn Sie gedacht hatte, dass sie an diesem Nachmittag nur ganz kurz in ihrem Elternhaus vorbeischauen könnte, um es Lian zu zeigen, hatte sie nicht mit der sizilianischen Beharrlichkeit ihrer Mutter gerechnet.

Das ganze Haus wurde vom unwiderstehlichen Duft der Apfeltaschen durchzogen, die Mammina gebacken hatte, und schlussendlich ließen sie sich von ihr breitschlagen und machten es sich draußen unter dem Sonnenschirm auf der Terrasse gemütlich.

Lian blickte sich neugierig um, warf einen Blick auf den weitläufigen Garten mit dem kleinen Teich, dem Vogelhäuschen und der verschlissenen Hängematte unter der alten Weide und schien zu mögen, was er sah. Kurz meinte sie, einen Anflug von Traurigkeit in seinen Zügen zu lesen, dann war der Moment aber schon wieder vorbei und er fragte Mammina, die sich eine Weile zu ihnen setzte, grinsend, ob Kira als Kind hier im Garten alles umgegraben hatte.

„Schlimmer als ein Maulwurf war sie!", lachte Mammina. „Obwohl sie einen eigenen Sandkasten hatte, hatte sie, als sie neun Jahre alt war, die fixe Idee, dass unter meinem Gemüsegarten ein Schatz vergraben war. Ich musste höllisch aufpassen, dass sie meine Radieschen und die Salatköpfe leben ließ. Irgendwann hat sie eine Buddel-Ecke gekriegt und war zufrieden ... Auch wenn sie nur alte Glasscherben und hübsche Steinchen gefunden hat, war sie glücklich." Mamminas fröhliches, unbezwingliches Lachen klang durch den Garten.

Kira machte einen Schmollmund. „Zwar habe ich keine Münze gefunden wie im Garten von der Nonna, aber der alte Schuh vom Hausmeister und das Maulwurfgerippe waren auch sehr spannend!"

Lian sah interessiert auf. „Du hast eine alte Münze gefunden?"

Kira nickte stolz. „Ja, in Sizilien. Und zwar eine richtig alte! Ich hab' mich wie ein Schneekönig gefreut damals!"

Mammina gluckste. „Ein Schneekönig in Sizilien? Die deutsche Sprache ist lustig. In Sizilien freut man sich nicht wie ein Schneekönig. Da weiß man nicht mal, was das ist. Wir haben da andere Assoziationen! Du bist und bleibst ein Wirbelwind, mia cara. Eine Scirocco-Prinzessin, die schon immer wusste, was sie will."

„Ski-Rocko?", fragte Lian verständnislos.

„Der Scirocco ist ein Wüstenwind aus der Sahara, der zum Mittelmeer weht", erklärte ihm Kira. Aber Mammina übertreibt gern, ich bin weder Wind noch Prinzessin."

Lian hatte kurz einen Ausdruck in den Augen, als würde er widersprechen wollen und Kira hätte gerne gefragt, ob er den Wind oder die Prinzessin meinte. Aber Mammina schaute schon wieder so komisch, so dass sie lieber nichts sagte und noch einen Schluck von der frischen Aqua e Limone nahm.

Im Schatten des PhönixWhere stories live. Discover now