Kapitel 24

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Nachdem Magnus sich selbst vergewissert hatte, dass ihre Handgelenke fest an die Gitterstäbe angebunden waren, verschloss ein Scuro die Käfigtür. Das metallische Quietschen klang so durchdringend, dass sich ihr unwillkürlich die Nackenhaare aufstellten. Was hatten sie mit Phoe vor?

Einige von Korbinians Männern machten sich an den Computern zu schaffen und Magnus ging zur Seite und tippte dort etwas in sein Handy ein. Verflucht, mit wem kommunizierte er? Ihr Unwohlsein verstärkte sich. Irgendetwas Bedrohliches bahnte sich an, sie spürte es. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn, trotz der nassfeuchten Kälte, die von dem kalten Steinboden an ihr hochkroch. Verwirrt starrte sie auf die Tür an der Stirnseite der Halle. Auch wenn diese als einzige doppelflügelig war und sich wie alle anderen Türen in dem unterirdischen System unscheinbar in die Wand einfügte, schien das Gefühl der Bedrohung genau von dort zu kommen. Es konnte nur ein Zeichen von mentaler Überlastung sein, anders war diese übermächtige Angst in ihr nicht zu erklären. Es ist eine einfache Tür, und Türen können nicht gefährlich sein, versuchte sie sich zu beruhigen. Aber was ist mit dem, was dahinter ist, meldete sich drängelnde, extrem lästige Stimme in ihr zu Wort. Verflucht, sie wusste, dass hier gleich jemand eintreten würde! Sie wusste es ebenso, wie sie spürte, dass Phoes Leben in Gefahr war. Die Präsenz, die sie wahrnahm, die dort Schritt für Schritt der Tür näherkam, rief das nackte Grauen bei ihr hervor. Bis in jede Faser ihres Körpers hinein fühlte sie es. Fliehen, du musst fliehen!, schrie es in ihr. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals hinauf. Die Situation war, gelinde gesagt, beschissen. Sie vermochte nicht zu sagen, ob es noch schlimmer kommen konnte.

Als die schweren Türflügel aufflogen und eine hochgewachsene Gestalt im langen schwarzen Mantel über die Schwelle trat, hatte sie die Antwort auf ihre Frage. ES KONNTE. Unwillkürlich entfuhr ihr ein Keuchen.

Auch ohne das kleinste bisschen Fantasie schien der Mann dort direkt einer Vampirgruft entstiegen zu sein. Sein Gesicht, seine Kleidung, seine raumeinnehmende Präsenz, die die ganze Halle urplötzlich in Schwärze zu tauchen schien, waren die eines Dämons. Ein glattschimmernder, schwarzseidener Mantel mit blutroter Innenseite floss ihm bis zu den schweren Springerstiefeln hinunter, und in dem pechschwarzen Anzug darunter meinte sie das Aufblitzen silbriger Knöpfe zu erkennen. Ein schwarzer, hoher Stehkragen umkränzte das blutleere, scharf geschnittene Gesicht, aus dem eine kantige Nase hervorragte und dessen Blässe man nur als Leichenblässe bezeichnen konnte. Das glatte, mit Pomade nach hinten gekämmte pechschwarze Haar und die harten Falten um seinen schmallippigen, verkniffenen Mund unterstrichen noch den Eindruck unheilvoller Bedrohlichkeit. Es war schwer, sein Alter zu schätzen, - undefinierbar traf es wohl am besten. Zu der sorgfältigen, beinahe prunkvoll zu nennenden Kleidung, die auf einen Charakter hinwies, der großen Wert auf das äußere Erscheinungsbild legte, kam das Gesicht eines Mannes, der wusste, wie sich Macht anfühlte. Härte und Grausamkeit lagen darin. Die dicht beieinanderstehenden, von schmalen Augenbrauen überwölbten Augen durchmaßen jetzt mit stählerner Kälte die Halle.

Kira schauderte. Ohne es zu merken hatte sie den Atem angehalten und sog jetzt zittrig die Luft ein. Sie musste an sich halten, um nicht zu wimmern. Ihr war klar, um wen es sich hier handelte. Diese fleischgewordene Verkörperung des Bösen, die mit ihrem Eintreten die Atmosphäre direkt um zehn Grad gesenkt hatte, war Korbinian, der Widersacher Marc Aurels und Oberhaupt der Scuros. Magnus hatte nicht gelogen, Korbinian lebte. Ihr schwindelte. Er musste fast zweitausend Jahre alt sein. Nie zuvor hatte ihr jemand mehr Angst eingejagt.

Plötzlich war hinter dem schwarzbemantelten Rücken des dämonenhaften Mannes ein flatterndes Rauschen von Flügeln zu hören. Als ein Schwarm aus mindestens zwei Dutzend Krähen (oder waren es Drohnen?) flügelschlagend hinter ihm auftauchte, entfuhr ihr ein Wimmern. Das hier war schlimmer als der schlimmste ihrer Alpträume! Das Flattern, Krächzen und Flügelrascheln brachte sie an den Rand einer Ohnmacht und kurz sackten ihr die Knie weg, doch ihre an den Käfig gefesselten Hände brachten ihr schnell wieder ins Bewusstsein, dass sie der Situation gnadenlos ausgeliefert war. Geschockt sah sie zu, wie die schwarzgefiederten Vögel sich in der gesamten Halle verteilten. Sie landeten oben auf der Balustrade, auf Treppenstufen, Kabelsträngen und sogar auf dem eisernen Gestänge der Kameras. Zwei der Rabenvögel landeten direkt über ihr auf dem Käfig. Das Zittern, das sie darauf unmittelbar erfasste, ließ sich nicht unterdrücken.

Im Schatten des PhönixWhere stories live. Discover now