Ich erinnere mich...

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33…34…35…Still und einsam zählte ich die Regentropfen, welche von der Dachrinne auf den Boden tropften. Keine Ahnung wie lange ich schon aus dem Fenster starrte und das Gelaber des Professors nicht mehr beachtete, aber alles andere war in diesem Moment interessanter, als sein Unterricht. Ich sah seufzend zum Himmel hinauf und bemerkte, wie sich die Regenwolken verzogen. Langsam aber doch kam die Sonne wieder zum Vorschein. Die Wettervorhersage stimmte also doch und es war wohl wirklich der letzte regnerische Tag der Woche.
Ich hatte meinen Kopf auf meiner Hand abgestützt. Völlig abwesend wandte ich meinen Blick vom Himmel hinunter auf den Campus. Es war sehr ruhig. Keine Menschenmenge, keine kreischenden Mädchen und auch kein Mark. Irgendwie fragte ich mich, weshalb er wohl hier war. Hatte er etwa auch eine Prüfung, wollte er vielleicht doch nur in den Unterricht oder… Ich zischte unglaubwürdig und musste etwas lachen, als ich diesen absurden Gedanken hatte, dass er vielleicht wegen mir hier gewesen sein könnte. Kopfschüttelnd drehte ich meinen Kopf vom Fenster weg und fing in meinem Buch zu kritzeln an.
Niemals. Nein, Mark war auf keinen Fall wegen mir da. Wieso sollte er auch? Ihm war doch seine Karriere wichtiger. Sollte er mich da nicht eigentlich vermeiden?

Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich das Schlussläuten der Glocke wieder einmal komplett überhörte. Erst als mich mein Sitznachbar darauf aufmerksam machte, erhaschte ich einen kurzen Blick auf die Uhr. „Oh verdammt! Der Bus!“, schrie ich erschrocken auf. Gestresst packte ich meine sieben Sachen in die Tasche, verabschiedete mich bei ihm und lief dann in Windeseile aus dem Raum.

Ich lief hektisch durch den endlos langen Flur bis hin zum Haupteingang. Erneut sah ich auf die Uhr. „Verdammt, ich hätte früher gehen sollen.“, sagte ich gestresst und lief weiter bis zum Tor. Der Bus wartete bereits an der Bushaltestelle, doch während ich lief, war es kurz davor die Türe zu schließen. Genau in diesem Moment, als ich am Tor vorbeilief wurde ich plötzlich festgehalten und zurückgezogen. Erschrocken schrie ich auf und stolperte fast über meine eigenen Beine.
Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, wer eigentlich vor mir stand.

Schockiert sah ich zu ihm hinauf. „Meine Güte Chris!“, sagte ich entsetzt und schlug ihm leicht auf die Schulter. Mein Cousin lächelte mich mit einem breiten Grinser an. „Hi Kusinchen!“. Ich stieß einen großen erleichterten Seufzer aus und meinte daraufhin: „Was machst du denn hier?“ Er legte seine Hand auf meine Schulter und lachte. „Ich wollte dich nur überraschen.“ Ich hob eine Augenbraue hoch. „Indem du mir so einen Schrecken einjagst?“ „Hätte ich wissen können, dass du so schnell aus dem Gebäude gelaufen kommst?“, fragte er zurück und zog einen Schmollmund. Erneut seufzte ich und streifte mir dann meine Haare hinter die Ohren. „Wieso bist du eigentlich hier? Solltest du nicht langsam deinen Koffer für die Abreise packen?“, fragte ich verwundert. Chris schüttelte den Kopf. „Ich flieg doch erst in ein paar Tagen…Ich hab Zeit.“ Er machte eine Pause und führte dann fort. „Ich wollte eigentlich noch mit dir ein bisschen Bummeln gehen.“ Erstaunt fing ich zu lachen an. „Was stehen wir dann hier noch rum? Gehen wir.“

In ein Geschäft nach dem Anderen zerrte ich meinen Cousin mit, aber erstaunlicherweise war Chris gar nicht genervt. Ganz im Gegenteil. Er war total motiviert mit mir shoppen zu gehen.
Doch nach bereits drei Stunden flehte mich mein Cousin an, eine kleine Pause einzulegen. Da ich selber schon etwas erschöpft war, beschloss ich ins Café zu gehen.

„Schade, dass du schon wieder zurück musst.“, meinte ich bitter. Chris nickte traurig, brachte aber irgendwie kein Wort aus dem Mund. „Wenn du wieder in New York bist musst du wohl dann in die Fußstapfen deines Vater treten, was?“, fragte ich ihn. Erneut nickte er. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe…“, murmelte er nachdenklich. „Aber natürlich wirst du das schaffen. Die Firma deines Vater wird bei dir in guten Händen sein!“ Ich lächelte Chris aufmunternd an und als er mich so grinsen sah, musste selbst er lächeln. „Wenn du das sagst…“ Überzeugt nickte ich und nahm dann einen kleinen Schluck meines Kaffees.
Es wurde für einen Moment ruhig. Chris sah schweigend aus dem Fenster, wandte aber kurz darauf seinen Blick zu seiner Tasse zurück. Er nahm seinen Kaffeelöffel und rührte langsam in seiner Tasse herum. Der klare weiße Milchschaum vermischte sich mit dem Kaffee und nahm nach wenigen Sekunden einen hellen Braunton an. Chris klopfte seinen Löffel am Rande der Tasse ab und legte sie schlussendlich wieder auf die Untertasse. Der Dampf seines Kaffees stieg in die Luft und trug einen dezenten, süßlichen Duft mit sich mit. „Ich werde dich vermissen Kusinchen.“, fing Chris plötzlich zu reden an. Verblüfft sah ich ihn an. „Ach ja?“ Er nickte lächelnd. „Ich war jetzt ganz schön lange in Seoul…“ Er seufzte kurz. „Sobald ich zurück bin, muss ich mich um die Firma kümmern. Wer weiß, wann ich das nächste Mal wieder Zeit habe dich zu besuchen.“ „Mach dir keine Sorgen Chris…Ich wollte sowieso mal nach New York. Das nächste Mal werde ich dich besuchen.“, meinte ich lächelnd und stand dann auf. „Wo gehst du hin?“, fragte er überrascht. Doch anstatt ihm zu antworten, zeigte ich nur kurz unauffällig zur Toilette.

POV Mark

Nachdenklich, aber nervös blieb ich vor der Tür des Sekretariats stehen. Ich stieß einen Seufzer aus. „Will ich das wirklich?“, fragte ich mich selbst und ließ dann meine Hand von der Türklinke fallen. Schweigend starrte ich auf Tür und zögerte sie aufzumachen. Wollte ich es wirklich? Wollte ich tatsächlich die Uni wechseln? JBs Stimme war in meinem Kopf zu hören. „Sie will dich beschützen, deshalb hat sie sich dafür entschieden.“ Kaum verschwand die Stimme hatte ich diesen Moment wieder vor mir, als Lin sich heute Morgen schweigend von mir wegwandte und ging. „Es ist besser wenn wir uns nicht mehr sehen…auch für dich Mark…“ Als ich Lins Worte von damals wieder hörte trat ich nervös zurück. So weit, dass ich mit dem Rücken an der Wand aufprallte und mich schockiert dann die Wand entlang hinunterfallen ließ. Ich blieb regungslos sitzen und hatte meinen Blick nur ins Leere gerichtet.
Ihr Lächeln, ihre Augen, ihr Blick mit dem sie mich damals immer ansah. Ich hatte sie vor mir. Dieses schüchterne Mädchen, welches zu einer wunderschönen Frau heranwuchs.
Kurz darauf erinnerte ich mich an diesen einen Tag, als wir uns wiedergefunden hatten. Dieser wunderschöne Moment, als ich sie weinend vor Freude in die Arme nahm. Ja, diesen Tag werde ich nicht vergessen. „Ich kann nicht…“, unterbrach ich nachdenklich die Stille. „Ich kann sie nicht verlassen…“

POV ENDE

Als ich nach wenigen Minuten von der Toilette zurückkam, vernahm ich einen Zigarettengeruch auf unserem Platz wahr. Überrascht setzte ich mich wieder auf meinen Platz und bemerkte dann einen Aschenbecher, worin ein abgedämpfter Zigarettenstummel lag. Verblüfft weitete ich meine Augen. „Chris? Du rauchst?“, fragte ich schockiert. Doch kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, schossen mir blitzartig unzählige Bilder durch den Kopf. Wie in einem Daumenkino sah ich sie vor mir. Dieser unbekannte Junge aus meinen Erinnerungen und ich. Wir standen auf der Straße und stritten uns. „Gib mir bitte jetzt den Ball, oder…“, sagte ich zu ihm. „Oder was?“, fragte der Junge, welcher mindestens zwei Köpfe größer war. „Ich erzähl ihnen, was du gemacht hast.“, hörte ich mich sagen. „Nein, das wirst du nicht!“, schrie der Junge. „Doch!“, schrie ich zurück. Der Streit wurde lauter und lauter. Ich und dieser Junge stritten wirklich heftig. „Lass mich los Chris!“
Blitzartig verschwanden diese Bilder in meinem Kopf und ich starrte nur noch schockiert in Chris’s Augen. Mein ganzer Körper zitterte. Ich hatte Gänsehaut. Wie aus dem Nichts kam mir die Erinnerung durch den Kopf geschossen. Dieser eine Zigarettenstummel im Aschenbecher erinnerte mich an Chris’s Geheimnis, welches damals niemand erfahren durfte. Doch es war nicht das Einzige, an was ich mich nun erinnern konnte.

Mit zittrigen Lippen versuchte ich ein Wort herauszubekommen, doch mein Hals war wie zugeschnürt. „Lin?“, fragte Chris überrascht, als er mich so erstarrt sah. „Chris…“, sagte ich schockiert und hielt für eine Zeit lang inne. Ich konnte es nicht glauben. Konnte das wirklich möglich sein oder irrte ich mich nur? Ich sah ihn noch immer mit weit aufgerissenen Augen an und versuchte meinen Satz mit zittriger Stimme fortzusetzten. „Chris…du …“ Verwirrt zog er seine Augenbrauen zusammen und runzelte verblüfft die Stirn.
Das was ich eben vor meinen Augen hatte. Waren das meine Erinnerungen? Aber, wie konnte das sein? Es war doch Mark, oder etwa nicht?
Ängstlich hielt ich mich von Chris fern, hatte dennoch meinen schockierten Blick nicht von ihm weggewandt. „Was ist los?“, fragte er besorgt. Langsam senkte ich meinen Blick auf den Aschenbecher. Der Zigarettenstummel glühte noch immer etwas und der Gestank des Nikotins schwebte in der Luft. Angewidert vom Geruch und schockiert von Chris drückte ich mich in den Sessel. Nachdem ich erst Mal realisierte, an was ich mich eben erinnerte, sah ich meinem Cousin wieder in die Augen. Mir fiel es schwer diesen Satz auszusprechen und doch konnte ich mich auf irgendeiner Weise überwinden. „Du warst damals dort…“

Damals vor 14 Jahren (Got7 Mark FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt