Chapter 73.

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Jungkook

"I-ich... Habe ich I-ihn erschossen?" fragte ich irgendwann in den Raum, um endlich Sicherheit zu bekommen. Keiner derjenigen, die gerade in diesem Raum standen, keiner von Taehyungs Männer traute sich, die Stille zu brechen. Nicht einmal Taehyung selbst schaffte es, etwas zu sagen, musterte mich aufmerksam und beobachtete jede kleinste Änderung in meinem Ausdruck. Er sagte nichts, womöglich aus Angst, das Falsche zu sagen, weswegen er abwartete, was passierte, was ich sagen würde. Seine Angst... Mich zu verlieren, musste gerade ähnlich intensiv sein, wie meine.

"Sieh zur Seite, Jungkook" kam es jedoch nur, fast schon emotionslos aus dem Mann neben mir, welcher seine Hand um meine Taille geschlungen hatte, sodass ich weiterhin gegen seinen Körper stand und seine angenehme Wärme genießen konnte. Das einzige, was mich gerade davor bewahrte, einen Herzstillstand zu erleiden und vollkommen durchzudrehen. Ich hasste das hier, wie ich mich fühlte.

Krallte mich also fest in den muskulösen Arm des Mannes, der mich in diesen hielt, legte meinen Kopf kurz auf seiner Schulter ab und zuckte zusammen, als man einen erneuten Schuss hören konnte. Und mit diesem auch eine kleine, einzelne Träne meine Wange herunter rollte.

Ich war diesem Moment hilflos ausgeliefert und konfrontiert mit Gefühlen, die ich gerade noch nicht sammeln und ordnen konnte. Alles was ich gerade brauchte war Zeit und Ruhe. Und Abstand von Allem... Was mit Taehyung und seinem Leben zu tun hatte.

Auf der einen Seite sehnte sich mein Körper danach, in den Armen des Älteren zu bleiben, mich auszuweinen, ihm nahe zu sein und beruhigende Wirkung zu genießen, auf der anderen Seite wollte ich hier weg, in meine kleine, heruntergekommene Wohnung und zu meinem besten Freund, Hauptsache ich wäre weit weg von alle dem hier. So verwirrt und durcheinander fühlte ich mich gerade. So hilflos all diesen Gefühlen ausgeliefert. Und all den aufmerksamen Blicken, die mich musterten und auf eine weitere Reaktion warteten.

Doch ich drehte meinen Kopf bloß zu Taehyung, sah tief in seine besorgten Augen, da er erkannte, wie schlecht ich mich fühlte und selbst hilflos war, da er wusste, mir gerade nicht helfen zu können. Und ich... Ich konnte nur heulen, als ich tief in diese fürsorglichen Augen des Mannes vor mir sah.

Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte, auch Taehyungs so sanfter Blick half mir dabei keinesfalls. So überfordert war ich mit all den Gedanken, die mir durch den Kopf gingen. Der Fakt, dass ich diesen Mann angeschossen hatte, Tae ihn mit solch einer Leichtigkeit tötete und meine Angst, dass vorallem der Mann vor mir verletzt wurde. Dass Taehyung verletzt wurde. Aber all diese Dinge auf einmal lösten ein Chaos in mir aus und ich nicht in der Lage war, dieses Chaos in meinem Kopf aufzulösen und einen klaren Gedanken zu fassen.

Ich hatte Angst. Angst davor, was dieser Mann mir angetan hätte und was Taehyung getan hätte... Um genau dies zu verhindern. Er würde nicht nur töten für mich. Er würde sterben für mich. Und diese Verzweiflung und dieses Chaos in meinem Kopf brachten mich gerade ehrlich um den Verstand und trieben mich in eine unangenehme Form der Verzweiflung, der Hilflosigkeit, weil ich nicht wusste, was ich tun, fühlen oder machen sollte.

Ich wusste nur, dass ich verurteilen sollte, was Taehyung getan hatte, aber ich war froh. Froh, dass dieser Mann tot war und weder mir, noch dem Älteren jemals wieder etwas antun könnte. Aber ich konnte all diese Gedanken nicht sortieren und wurde überwältigt von der Leiche, die vor uns lag und meine verwirrenden Gedanken, die mich quälten. Dazu gehörte auch mein Hass auf mich selbst, da ich das hier... Nicht so verurteilte, wie ich es sollte.

Ich war ein reines Chaos.

"Wie viele Menschen hast du schon erschossen, Taehyung? Wie viele Menschen... Hast du schön getötet, dass es dir so einfach fällt?" schrie ich, doch eigentlich sprach ich erneut nur aus meiner Verzweiflung. Ich sollte es grausam finden, was Taehyung gerade für mich getan hatte, nur damit ich sicher war. Aber eigentlich... Fühlte ich mich gerade deswegen so sicher, so geborgen bei dem Älteren, obwohl ich genau das Gegenteil empfinden sollte.

"Ich habe dir gesagt, dass ich nicht der Held bin, für den du mich wohl am Anfang gehalten hast. Du wusstest es. Ich habe eine Menge Menschen in meinem Leben umgebracht, weil ich kein Held bin. Weil ich das Gegenteil davon bin, Jungkook."

"Du kannst gehen, wenn du das möchtest. Ich kann es verstehen, da es für dich... Neu ist, so etwas zu sehen und du Zeit brauchst, es zu verarbeiten." seufzte Taehyung, jedoch schien er noch nicht ganz fertig zu sein. Seine Hand ließ er dabei weiterhin liebevoll an meiner Taille, was definitiv angenehm war, aber auch in diesem Moment zu viel. Seine Berührung, so sanfte und vorsichtige Berührung brachte mich noch mehr durcheinander, als ich sowieso schon war. Ich brauchte eine Weile Ruhe, irgendwo ganz alleine, damit ich nachdenken und meine Gedanken sortieren könnte.

"Aber ich will das du weißt, dass ich jeden dieser Männer umgebracht hätte, hätten sie dir auch nur ein Haar gekrümmt oder dich angefasst. Ich werde niemanden an dich heran lassen. Niemand wird dir jemals wieder so nahe kommen, wie er. Weil ich dich liebe. Und ich dich beschützen werde, auch wenn es mich mein eigenes Leben kosten würde." erwiderte er und klang dabei gefasst und anders als bei mir, brach seine Stimme nicht vor Verzweiflung. Aber so kannte ich Taehyung. Er war ein Mafia Boss, sein ganzes Leben lang wurde er trainiert, in dem Wissen, irgendwann das Imperium seines Vaters zu übernehmen.

Und ich liebte diesen Mann. Ich liebte ihn so sehr, dass ich Dinge nicht weiter verurteilte, die ich verurteilen sollte. Schon von Anfang an hatte ich mich verändert, indem ich bei ihm blieb, obwohl ich wusste wer er war und was genau er tat. Dass er Menschen verletzte, ihnen Dinge nahm, andere Imperien von anderen Mafia Bossen zerstörte, all das verurteilte ich anfangs, doch hatte irgendwann aufgehört, daran zu denken. In gewisser Weise war ich Teil seines Lebens geworden. Auch Teil von dem hier. Dem grausameren, dunkleren Teil seines Lebens, welchen er versucht hatte, vor mir fern zu halten.

Obwohl er selbst wusste, dass er es nicht für immer könnte.

Aber genau das, dass Taehyung alles für mich tat, war das Problem. Ich wusste es, sehr genau, da er es mir immer wieder aufs Neue zeigte und eine Angst in mir entstanden war, ihn zu verlieren. Vielleicht wäre ich irgendwann der Grund, wieso er verletzt werden oder sogar sterben würde. Und mein Vater womöglich derjenige war, der es tat. All diese Gefühle, diese Ängste, den Mann zu verlieren, den ich über alles liebte, verwirrte mich und trieb mich an den Rand der Verzweiflung.

Da ich in das hier geworfen wurde. Ich bekam keine Zeit, mich an den dunklen Teil seines Lebens zu gewöhnen, sondern wurde hinein geworfen und müsste damit klar kommen, wenn ich an seiner Seite bleiben wollte.

Und das wollte ich. Ich gehörte hier hin. Ich wollte dieses Leben, an Taehyungs Seite, weil ich diesen Mann mehr liebte, als ich jemals jemand anderen lieben könnte. Es war gefährlich, ihn zu lieben, tödlich für uns beide, aber ich war förmlich an ihn gebunden, durch den Roten Faden des Schicksals, welcher Taehyung und mich zusammen hielt.

Wir könnten nicht mehr ohne den anderen. Niemals wieder.

"Das... Das ist das Problem, Taehyung. Du würdest Leute umbringen, ihnen einfach das Leben nehmen, für mich. Du würdest sterben für mich. Und ich habe... Solch eine Angst davor" wimmerte ich also fast schon, doch war kurz davor, ehrlich zusammen zu brechen. Was auch der Mann vor mir erkannte, welcher mich noch sanft an meiner Taille festhielt und auch seine andere Hand anbot, als mir etwas schwummrig und komisch wurde und ich meinen Blick, mit Tränen in den Augen senkte. Es nicht mehr schaffte, in die besorgten Augen meines Gegenübers zu sehen, welcher sich unglaubliche Sorgen um mich machen musste.

"Ich... Ich bin müde. Außerdem brauche ich... Einen Moment alleine. Also bitte... Gib mir... Einen Moment ohne all das hier"

War das letzte was ich sagte, ehe ich den Raum, ohne ein weiteres Wort verließ und laut schluchzend in Richtung Taehyungs Zimmer begab.

~

Es ist so fucking kaltttt draußen, was soll das

Sweet Evil // 𝑇𝑎𝑒𝑘𝑜𝑜𝑘 ✓ Where stories live. Discover now