Kapitel 35-Albtraum bei Tante Rosie (5)

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„Luna,warte!"brüllte mir John B hinterher,um mich aufzuhalten.Aber ich konnte nicht.Ich erstickte an der Wahrheit,die meine Tante erzählte,als wäre sie nichts.Als wäre ein Teil,der mein Leben prägte nichts.Deshalb musste ich das liebreizende Dinner mit meiner Familie ausfallen lassen ,um meine eigenen Gedanken zu fesseln.Allerdings schien es so,als wäre ich nicht die einzige,die das Dinner ausfallen lies,um einen klaren Kopf zu bewahren.Ich wollte allein sein.Einfach nur allein sein.Der Schmerz ,den mir meine Tante zufügte war nicht zum aushalten und in Kombination mit der Wut auf John Bs Sisterswitch,schnürte es mir die Kehle zu.Alles krachte in mir mehr und mehr zusammen,wenn ich jetzt nicht diese gottverdammte Party verlassen würde.
„John B was machst du?Geh zurück zum Dinner,zu Sarah.Das gehört nicht zum Plan!"antwortete ich etwas mürrisch,da mir der Gedanke schmerzte,dass John B gleich wieder zu ihr gehen wird.Zu dem Mädchen,welches er liebt.Wie soll ich mich also dem Jungen über verhalten,der mir einerseits das Gefühl gibt zu schweben,aber im gleichen Moment auch wieder zu fallen?Ich drehte mich blicksenkend weg und lief auf die Tür zu.Bis mich John B zurück zu sich zog und ich gegen ihn stoß.Mach es mir doch nicht noch schwerer dich gehen zu lassen,John B.
„Nicht bevor ich weiß wie es dir geht.Ich lass dich nicht so einfach gehen,kurz nachdem was gerade passiert ist.Du kannst mir alles sagen Luna.Dafür bin ich hier."antwortete John B verständlich und liebevoll.Im gleichen Moment kullerte mir eine Träne hinunter,denn ich weiß wie er es meinte.Wie er mich sah.Als seine beste Freundin.Doch gerade jetzt wollte ich einfach nur alleine sein.Keine Erklärung.Kein reden.Kein Blick in John Bs Augen,die mir eine neue Welt öffneten.
„Was denkst du denn?Das es mir gut geht,kurz nach der Scheiße von gerade eben?Das meine Tante von meinem Selbstmordversuch erzählte,als wäre es nichts?"giftete ich vorlaut zurück.Ich konnte nicht anders.Jede Anwesenheit in diesem Haus machte mich so dermaßen wütend,dass ich selbst dafür keine Erklärung fand.Generell hatte ich auf gar nichts eine Antwort.Da war nichts,was ich erklären oder beantworten konnte,was es leichter machen könnte.Gerade tat mir einfach nur alles weh.
„John B bitte versteh mich doch!Gib mir bitte Zeit!"flehte ich um Verständnis.Seine Hand fuhr meinen Arm hinunter zu meiner Hand,die er fest anpackte.Schuldgefühle prägten mich,aber ich konnte nicht anders als mir alles aus der Seele zu schreien.
„Ich kann dich in diesem Zustand nicht einfach so gehen lassen,Luna."antwortete John B mit seinem Beschützerinstinkt.Und dann riss mein Geduldsfaden.Alles,was ich brauchte war Ruhe und Zeit für mich allein.Ich spreche nicht gerne über Gefühle ,vor allem nicht gerne dann,wenn ich sie selbst nicht zuordnen und beschreiben kann.
„Wieso nicht?Hast du Angst,dass ich es wieder versuchen würde?!"antwortete ich zickig und riss meine Hand aus seiner.
„Zu deiner Information.Wir sind nicht zusammen,John B.Das war alles nur Teil deines verfickten Plans,den du gerade zerstörst,wenn du nicht zurückgehst.Wir sind wegen Sarah hier.Du bist wegen Sarah hier.Sie ist diejenige, die du in diesem Moment sehen solltest!"fügte ich ernergisch hinzu und trat ein paar Schritte zurück.
„Ja,das weiß ich Luna!Danke für die Erinnerung!"schnappte John B zornig zurück.Ich wollte mich nicht streiten.Aber alles ungesagte musste gesagt werden.Ich hab schon mein ganzes Leben lang geschwiegen.Ich muss ein einziges mal ehrlich sein.
„Worauf wartest du dann?!Die ganze Beziehung war eine fucking Lüge und das weißt du!Also geh bitte zurück zu deiner Prinzessin und gib mir Zeit für mich alleine!"antwortete ich zischend und verließ die Konversation ,indem ich einen Abflug durch die Tür wagte.Mehr Worte und eine Vergrößerung des Streits konnte ich nicht aushalten.Konnte mein Herz nicht aushalten.Mein Kopf war kurz davor zu platzen,doch der Luftzug durch die Tür vermittelte mir neuen Lebenswind.Neuen Aufschub,um ein paar Gefühle und Gedanken fliegen zu lassen.Ich begab mich zurück zum Steg am See.Warum endete meine Reise immer hier?Die Lichter waren bereits ausgeschaltet,sodass es schwierig war sich zu orientieren.Mit leichtem Alkoholintus schwankte ich auf dem Steg herum und setzte mich wackelig am Ende des Steges hin.Bis mein Fuß gegen etwas glasiges traf und es klirrend auf dem Holz herumrollte.
„Pass doch auf!"giftete mich eine männliche,fremde Stimme an.Er schien meines Alters zu sein und der Alkoholige Geruch in der Luft verriet mir,dass dieser Abend ebenfalls ein Albtraum für ihn war.Da ich ihn nicht sah und die Nacht so schön friedlich war ,hatte ich keine Kraft mehr weiterzulaufen.Außerdem schien mir der geheimnisvolle zornige Junge eine gute Ablenkung.Besser als wegzulaufen.Besser als wieder reinzugehen.Besser als John B jetzt zu sehen.
„Sorry!Das massive Licht hier schien zu hell ,um deinen Alkohol auszuweichen."antwortete ich sarkastisch und schabte auf der Oberfläche des Sees mit meinen Füßen herum.
„Deine sarkastische Art,um fremde Leute zu unterhalten,bringt dir auf diesem Grundstück nichts.Versuch es mit Alkohol."offenbarte mir der mysteriöse und reichte mir seine Jägermeisterflasche rüber,während ich ohne zu zögern reichlich daran zog.Er hatte recht.Alkohol bewahrte einem einen kühlen Kopf.Den brauchte ich nach dieser Scheiße unbedingt.Als es mir nach mehreren Schlücken doch zu bitter wurde,hechelte ich nach Luft.
„Du scheinst Erfahrung gesammelt zu haben,Fremder.Wie hältst du es hier überhaupt aus?"
„Tue ich nicht.Was meinst du warum ich hier sitze,Luna Cameron?Als Sohn vom Teufel höchstpersönlich tue ich ihr einen Gefallen in dem ich gar nicht erst an ihren gruseligen Zeremonien teilnehme."gab er offen und ehrlich zu und nahm seine Jägermeisterflasche zurück,an der er im gleichen Moment dran nippte.Erwähnte er gerade meinen Namen?Er kennt mich also....aber wieso konnte ich seine befremdliche Stimme dann nicht zuordnen?„Als Sohn vom Teufel höchstpersönlich...."wiederholte es sich in meinem Kopf und ich versuchte diese Persönlichkeit zuzuordnen.Und dann klingelte es ein.
„Henry Cameron.Natürlich!Der Junge,der lieber faulenzt ,als an seiner Zukunft zu arbeiten."antwortete ich Geistesblitzend.
„Der einzig wahre.Schön,dass du meiner Mutter wenigstens ein einziges Mal zugehört hattest,wenn es um mich geht.Das machst du ja sonst nie,wenn meine Mutter den Mund öffnet."sagte Henry lachend und leerte die Jägermeisterflasche aus.Es war so unfassbar lange her,seitdem ich Henry das letzte mal gesehen hatte.Dennoch war es schön,dass man jemanden hatte,der die gleichen Schwierigkeiten mit der gleichen Person teilte.
„Also,wieso sitzt du hier draußen bei dem Alkoholikersohn,obwohl drinnen eine Party mit deinem Freund wartete?"fragte Henry mich,als er einen Stein über den See hüpfen lies.Er kam genau zweimal auf.
„Er ist nicht mein Freund.Er hat nur so getan,als wäre er der Herzenseroberer von der teuflischen Luna Cameron."seufzte ich kopfsenkend und legte meine Arme auf mein Kleid.
„Aber wieso sitzt du dann hier bei mir?"
„Weil deine Mutter mich vor allen Gästen gedemütigt hatte,als sie über mich sprach."
„Das ist ja nichts neues.Aber was genau sagte sie über dich?"fragte Henry mich neugierig.So viele Fragen.Und ich wollte keine beantworten.Dennoch war es gut mit jemanden darüber zu reden,der einen versteht.John B versteht mich zwar.Aber nicht,was meine Familie angeht.Diesen Teil kann nur jemand verstehen,der ihn miterlebt.Deshalb bin ich dankbar,dass ich diesem Teil nicht mit John B teilte.
„Sie offenbarte einen schmerzhaften persönlichen Teil meines Lebens ohne mich je einmal zu fragen,ob dies in Ordnung geht.Sie erzählte ihn,als hätte er keine Bedeutung."antwortete ich schluchzend und knitterte mein Kleid auseinander.Riesige Stille verbreitete sich über den See und überstillte unsere Konversation in unangenehmer Totenstille.So,dass man nur noch den Wind kräuseln hören konnte.
„Schämst du dich für diesen schmerzhaften persönlichen Teil?"fragte mich Henry etwas zurückhaltend und durchbrach damit diese Geräuschlosigkeit.
„Wie meinst du das?"antwortete ich als Gegenfrage und hielt meine Arme verschränkt über die Brust,weil ich anfing zu frösteln.
„Na ja.Ist dir dieses Ereignis peinlich?"wiederholte er seine Frage.Ich verstand die Frage akustisch,aber in meinem Kopf bildete sich ein riesiges Fragezeichen.Wieso sollte es mir peinlich sein?Es war schließlich meine Entscheidung für meine Tat,die ich begann.Allerdings konnte ich dies nicht ausdrücken.Es fiel einem schwer über ein Ereignis zu sprechen,welches man so eng verdrängt hatte,dass einem dazu die Worte fielen.
„Es ist mir peinlich ,dass ich deiner Mutter vertraut hatte.Aber das Ereignis an sich aus nicht."drückte ich mich wage aus,weil ich es selbst nicht beschreiben konnte.Wie sollte ich etwas fest ausdrücken,wenn ich es in den Gedanken nichtmal formulieren kann?
„Es ist mir halt jetzt unangenehm,da die Leute sich jetzt ein unpassendes Bild von mir machen."fügte ich hinzu und streichelte über mein Kleid und fuhr über meinen Arm,der mit kalter Gänsehaut befüllt war.
„Was ist heutzutage denn unpassend?"fragte Henry lachend.
„Unpassend sind nur Leute,die ihre Zeit lieber für andere Menschen investieren ,als sich auf seinen eigenen Scheiß zu konzentrieren.Aber das verstehen die Leute wohl unter verlogener Realität."fügte Henry hinzu und kratzte sich schabend am Kinn.Henrys Vergangenheit wurde von Mobbing angetrieben.Er weiß also von allem am besten,was ein unpassendes Gesicht wiedergibt,wenn man nicht dazugehört.Aber nach der Zeit sah Henry seine Mobbing Erfahrung aus einer anderen Perspektive.Er sah die anderen als Opfer,die mit sich selbst zu kämpfen hatten und den Frust an anderen rausließen.Ich bewunderte seine starke Autorität enorm und sein gewonnenes Selbstbewusstsein,welches ihn heute ausmachte.Manche sahen ihn als den Alkoholiker,der seine Zukunft verschwendete.Ich sah einen ausdrucksstarken Mann,der aus seiner Vergangenheit lernte und damit abschloss.Das andere war sein „unpassendes Gesicht" welches ihm zugeschrieben wurde.
„Was ich aber nicht verstehe ist,wieso du nicht mit deinem Freund Zeit drinnen verbringst,sondern eher mit deinem Cousin über Realität und Wahrheit faselst."fragte Henry erneut und änderte erneut das Thema und warf erneut einen Stein ins Wasser,welcher dreimal aufkam.Gute Frage.Beschissene Antwort.
„Die Frage hatte ich dir schon beantwortet."
„Deine Antwort gefiel mir nicht.Ich meine-
nur weil meine Mutter wieder den Teufel raushängen lässt,heißt es ja nicht ,dass ihr eure Romanze nicht fortführen könntet."versuchte Henry verständlich nach einer Lösung zu suchen.Aber da war keine mehr.Keine Lösung.Kein Ausweg.Nichts.
„Wir hatten uns gestritten.Ziemlich heftig.Was so ziemlich bedeutet,dass wir die Fake-Romanze für heute so ziemlich vergessen können."antwortete ich schluchzend,da mir die Erinnerung an den Streit schmerzte.
„Ich denke nicht.Sonst würde er nicht am hellbeleuchteten Fenster auf dich warten,damit du ihm deine Aufmerksamkeit schenken kannst."
„Was?!Nein,das kann nicht..."doch er hatte Recht.Im Anzug hellbeleuchtet stand John B da und schaute zusammengekaut über den See.Zu mir.Ein leichtes Grinsen breitete sich aus,aber erlosch wieder ,als Sarah ihn zu sich zog.So tut Liebe nun mal weh.Vor allem ,wenn sie nur aus einer Seite erwidert wird.
„Und da ist sie wieder.Helles Licht.Goldenes Lächeln.Sarah Cameron."antwortete ich enttäuscht und drehte mich zurück zum See.Jedes Mal,wenn auch nur die leichteste Spannung sich ansammelte.Es leicht knistert.Vielleicht Liebe in der Luft schwebt.Jedes Mal ist sie da.Jedes Mal ist sie bei ihm.Und jedes Mal erlöscht die Hoffnung,wenn er sie nur ansieht.
„Was interessiert's dich?"fragte Henry locker und entspannt,als wäre seine Frage leicht zu beantworten.Als gäbe es keinen Wettkampf um John B.
„Ich meine hieß es vorhin nicht noch ˋich scheiße auf jedenˋ?"äffte Henry mich nach und fing an zu gähnen.Ich wollte nicht nachfragen,warum er mich und John B belauscht hatte,weil es mir eigentlich egal war.Denn seine Aussage hatte einen gewissen Effekt.Es kitzelte in meiner Brust und Gedankenfunken kreisten umher.Scheiß auf jeden,Luna.Sie war meine Schwester und Ich ließ es wieder einmal zu,dass sie sich an ihn ranmachte und mich dabei verletzte.Dabei sollte das doch schon längst aufhören.Oder besser gesagt:es würde genau jetzt aufhören.Ich sprang auf und richtete mein Kleid erneut.
„Ich muss gehen."
„Was machst du?"ertönte Henrys Stimme hinter meinen Rücken,als ich mich auf dem Weg zurück aufs Schlachtfeld wagte.
„Deinen Rat befolgen:Ich scheiße auf jeden."antwortete ich selbstbewusst und wank ihm noch anschließend zu.Es war wie in einem Schachspiel nur mit anderen Regeln.Wenn eine Figur rausgeschmissen wird,bleibt sie automatisch draußen.Aber ich änderte die Regeln und formte sie neu um.Nur weil ein Spieler rausgeschmissen wurde,heißt es nicht.dass er keinen Weg wieder hineinfindet,um den Kampf zu vollenden.Um den Kampf zu gewinnen.

Ein Hauch von Sommerliebe||John BWhere stories live. Discover now