1 | 1. Kapitel

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Fast zehnJahre später ahnte ich nichts von den Geschehnissen in jener Nacht. Und selbst wenn, wäre das Wissen von anderen Dingen überschattet worden. Heute war meingroßer Tag. Seit ich alt genug gewesen war, um zu begreifen, was ich war, hatte ich meinem elften Geburtstag entgegengefiebert. Gerade die letzten Wochen waren in der Hinsicht eine Qual gewesen. Ich hatte beinahe den Eindruck, als hätten sich jeden Tag die Stunden hingezogen, als bestünden sie aus Bubbels bestem Blaskaugummi, den ich, nebenbei bemerkt, gar nicht mal so schlecht fand. Doch zu meinem Leidwesen hatte sich mein Vater geweigert, ohne meinen Brief mit mir in die Winkelgasse zu apparieren. Egal wie viel ich auch bettelte und flehte, der heiß ersehnten Einkauf musste leider warten.

Nicht einmal der kühle Holzboden schaffte es, meine Laune an diesem Morgen zu dämpfen, als ich mich hastig zum Fenster begab. Die Sonne am hellroten Morgenhimmel tauchte die schmalen Gassen Cokeworth' in sein sanftes Licht, offenbarte mir allerdings nicht die heiß ersehnte Eule, die vielleicht bereits am frühen Morgen losgeschickt worden war. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis dort hinten am Horizont eine der braunen Schuleulen auftauchen würde, um mir meinen Brief zu überbringen. 

"Caitlyn!", erklang eine Stimme. "Komm runter, ich habe hier etwas für dich." Das konnte nur eins heißen. War ich etwa doch zu spät aufgewacht? Hätte ich mir wohl doch besser meinen Wecker stellen sollen? Hatte ich die Ankunft der Eule verpasst?

Ich rannte die schmale Treppe hinunter, die bei jedem meiner Schritte ein knarrendes Geräusch von sich gab, als wolle sie sich gegen mein Gewicht wehren und stolperte beinahe noch über meine eigenen Füße. Am Ende der Stufen wandte ich meinen Kopf kurz nach links und rechts, obwohl mir im Grunde klar war, dass mein Vater im Wohnzimmer auf mich warten würde. Abgesehen von seinem Arbeitszimmer, war dies sein liebster Ort im Haus, wo er sich mir zu liebe auch am häufigsten aufhielt, da er mich nur sehr ungern in seinem Büro duldete. Anders gesagt war mir der Zutritt zu eben diesem sogar verboten.

Doch auch ich liebte den Wohnbereich, obwohl er sehr düster gehalten war. Dunkle braun und schwarz Töne dominierten den Raum und überall an den Wänden standen hohe Bücherregale, mit manch einem interessanten Buch. Nicht selten verbrachte ich ganze Nachmittage vor dem steinernen Kamin im grünen Ohrensessel meines Vaters sitzend nur damit, in einem dieser dicken Wälzer zu schmökern.

"Alles Gute zum Geburtstag!" Mit wehenden schwarzen Umhang, das schulterlange schwarze Haar wie üblich ein wenig zerzaust, kam mein Vater auf mich zu geschritten und nahm mich in die Arme. Der vertraute Duft nach Kräutern und anderen Zaubertrankzutaten stieg mir in die Nase und ich schmiegte mich noch etwas enger in seine Arme. Solche Momente waren selten. So gut wie nie kam es vor, dass er mir durch solche Gesten seine Zuneigung zeigte, allerdings konnte ich nicht sagen, ob mir etwas fehlte. Ich hatte es nie anders gekannt und er gab mir all die Liebe und Zuneigung, die sich ein Kind nur wünschen konnte.

Trotzdem hatte er mir stets eingetrichtert, meine Gefühle nicht offen zu zeigen und sie hinter einer gleichgültigen Maske zu verstecken. Schon früh hatte er mich gelehrt, dass Gefühle Schwäche bedeuten konnten und wenn dein Feind diese erkannte, konnte er sie gegen dich verwenden. Zugegeben, das Verbergen meiner Gefühle gehörte nicht unbedingt zu meinen Stärken. Mein Vater sagte häufig, dass ich wie ein offenes Buch für ihn wäre.

"Ich habe etwas für dich." Severus Snape hielt mir etwas unbeholfen eine Schachtel entgegen und ich griff danach. 

Behutsam zog ich die grüne Schleife auf und hob den Deckel an. Dort, eingebettet in grünen Vlies, lag ein silbernes Medaillon. Es war überaus schlicht, nur von einem feinen, kaum sichtbaren Muster verziert. Ich hatte den Eindruck, sich ringelnde Schlangen zu erkennen, die sich immer wieder mit feingliedrigen Löwen verbanden und so zu einem ewigen Tanz verschmolzen. An den Kanten war das Silber leicht angelaufen, dennoch konnte man es immer noch als schön bezeichnen. 

Unknown Potter I - Secrets of the PastWhere stories live. Discover now