Epilog

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Wie schon damals apparierte er mittig auf die Hauptstraße des kleinen Dorfes. Er zitterte, auch wenn das Beben wie beim letzten Mal nicht von der Kälte rührte. Knapp vierzehn Jahre war es nun her, dass er einen Fuß in diesen Ort gesetzt hatte. Der schwarzhaarige Mann erinnerte sich nur zu gut an seine damalige Panik, die Angst, bereits zu spät zu sein.

An diesem Abend jedoch waren seine Schritte bedächtig. Langsam schritt er die Straße entlang, steuerte auf den Marktplatz zu. Er hörte seine Schritte auf dem asphaltierten Weg, spürte den sanften Sommerwind, der ihm seinen schwarzen Umhang aufblähte, doch sein Augenmerk lag auf dem Kriegerdenkmal direkt vor ihm. Einem riesigen Obelisken.

Kurz davor kam er ins Stocken. Wie ein Idiot stand er da, starrte die Statur an, die sich vor seinen Augen zu wandeln begann. Das Muggeldenkmal verformte und veränderte sich, bis an seiner Stelle zwei Gestalten standen. Lily und James Potter. Er betrachtete das gemeißelte Antlitz seiner einst großen Liebe und musste sich beherrschen, damit ihm keine Tränen übers Gesicht liefen. Sie hielt Potter auf dem Arm, dieses kleine Baby ohne Blitznarbe, welches seinem Vater so ähnlich sah, der von hinten einen Arm um seine Frau gelegt hatte. Auch er hielt ein Baby im Arm.

Der Mann beachtete seinen ehemaligen Schulfeind kaum, sondern hatte auch bei ihm nur Augen für das kleine Mädchen. Sie war inzwischen so groß geworden. Würde sie eines Tages diesen Ort sehen wollen?, fragte er sich unweigerlich und riss sich unter Aufbietung all seiner Willenskraft vom Anblick der Erinnerungsstätte los. Selbst wenn, würde sie ihn dabeihaben wollen?

Seine Füße trugen ihn weiter, der Wind war heftiger geworden und ließ ihn frösteln. Ein Sommergewitter bahnte sich an. Kurz spielte er mit dem Gedanken, einen Zauber um sich zu legen, seine Hand zuckte sogar Richtung Tasche, aber er entschied sich dagegen. Die Böen waren nur ein weiterer Beweis dafür, wie sehr er vor so langer Zeit versagt hatte, eine stille Strafe, die er sich selbst auferlegen konnte.

Er kam an einer Kirche vorbei und trat schließlich durch ein kleines, kaputtes Holztor auf den daneben liegenden Friedhof. Das quietschende Geräusch erinnerte ihn unangenehm an jene Halloweennacht und veranlasste ihn dazu, einen hastigen Blick über die Schulter zu werfen. Keiner zu sehen. Zumindest ein wenig ruhiger bahnte er sich seinen Weg zwischen den Grabsteinen entlang, sein schwarzer Umhang strich hier und da über eine der Grabplatten. An einem besonders verwitterten und zugewachsenen hielt er inne.

Stirnrunzelnd blickte er auf die Inschrift, riss sich aber auch gleich wieder los. Er war nicht hier, um dieses Grab zu sehen. Wenngleich er nie auch nur geahnt hatte, dass es überhaupt existierte.

Zwei Reihen weiter wurde er schließlich fündig. Er ging in die Knie, das trockene Gras pikste ihn durch die Hose unangenehm und durch die Tränen, die nun in den Augen des Mannes schwammen, hatte er Mühe, die Worte auf dem weißen Marmorgrab zu lesen.

James Potter *27. März 1960 †31. Oktober 1981
Lily Potter *30. Januar 1960 †31. Oktober 1981
Mariah E. Potter *31. Juli 1980 †31. Oktober 1981

Der letzte Feind, der zerstört werden wird, ist der Tod.

Ein gepeinigtes Schluchzen drang aus der Kehle des Mannes. Sanft strich er über den mittleren Namen und senkte demütig den Kopf. "Es tut mir so unendlich leid." Der Zauberer hatte sich nie für einen großen Redner gehalten und seine Stimme brach immer wieder, doch er fing an, dutzende Worte hervorzustoßen. Es wirkte, als wollte, müsste er all das loswerden, um seine Seele reinzuwaschen.

Die schwere Last des Wissens, was ihn in den kommenden Jahren erwartete, drückte schwer auf seine Schultern, seine Gestalt war gekrümmt und irgendwann verstummte sein Redefluss. Nur noch leises Schluchzen drang aus seinem Mund.

"Ist alles in Ordnung bei Ihnen?" Bei diesen Worten ging ein Ruck durch den Körper des Mannes. Er sprang auf, wirbelte herum und war in vollster Alarmbereitschaft, als er die kleine gebeugte Frau vor sich entdeckte. Ihr Haar war schlohweiß und ihre Haut wirkte dünn. Sie war zweifelsohne nicht mehr die Jüngste. Doch der Blick aus ihren blauen Augen war klar, während sie ihn musterte. "Die Potters haben dieses Schicksal nie verdient. Ich wollte eigentlich Blumen niederlegen, doch ich werde später wiederkommen", sagte sie mit einem gütigen Lächeln.

Der Mann, nun aus seiner seltsamen Trance gerissen, bemerkte erst jetzt den feinen Nieselregen, der wie kleine, spitze Nadeln auf sein Gesicht traf und sich in seine Haare setzte. In der Ferne hörte er ein Donnergrollen, während er der alten Hexe hinterherblickte. Er war sich beinahe sicher, sie bereits irgendwo einmal gesehen zu haben.

Mit einem Kopfschütteln wandte er sich wieder dem Grab zu. Er musste sich beeilen. Viel zu lange war er jetzt schon hier verweilt und er spielte ohnehin schon mit seinem Leben, umso später er dem Ruf folgte. Wie als Bestätigung brannte der Schmerz in seinem linken Unterarm wieder auf.

"Ich werde die Beiden so gut es geht beschützen. Ich verspreche es dir. Immer."

Ihm war, als würde die folgende Windböe den Geruch nach Lilien mit sich tragen, doch er blieb nicht mehr, um diesen zu genießen. Ein sanftes, wenn auch trauriges Lächeln auf den Lippen, disapparierte er.

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Tut mir bitte alle den Gefallen, das Nachwort noch zu lesen. 
Eure Gwen


Unknown Potter I - Secrets of the PastWhere stories live. Discover now