4 | 1. Kapitel

4.5K 294 41
                                    

Draco hatte sein Versprechen gehalten. Nach drei letzten, wirklich langweiligen Tagen im Krankenflügel war ich Anfang der Ferien mit dem Zug zurück nach Hause gefahren, wo ich wenige Tage später eine Eule von ihm erhalten hatte, mit der Bitte, den Rest der Ferien bei ihm zu verbringen. Mein Vater hatte zwar die Stirn gerunzelt, mir nach inständigem Flehen jedoch trotzdem die Erlaubnis erteilt. Und hier war ich nun, in der vorletzten Ferienwoche, zusammen mit der Familie Malfoy auf dem Weg hinauf in die Ehrenloge, von wo aus wir uns die 422. Quidditchweltmeisterschaft ansehen würden.

"Wo bleibst du denn, Caitlyn?" Ungeduldig wartend stand Draco am nächsten Treppenaufgang, während ich stehen geblieben war und mit geweiteten Augen die Atmosphäre des riesigen Stadiums auf mich wirken ließ. Mr. und Mrs. Malfoy waren nirgendwo zu sehen. "Staunen kannst du gleich auch noch oben in der Loge. Wir sind spät dran", sagte er und streckte mir ungeduldig seine Hand entgegen.

"Komme schon", murmelte ich und kaum hatte ich meine Hand in seine gelegt, zog er mich weiter. Ich kam mir vor wie ein unanständiges Kind, welches man maßregeln musste. Dies war vielleicht auch der Tatsache verschuldet, dass er über die letzten paar Wochen noch ordentlich an Größe zugelegt hatte und ich ihm inzwischen nur noch bis etwas unterhalb der Schulter reichte.

Schließlich, kurz bevor wir die Ehrenloge erreicht hatten, trafen wir auf seine Eltern, die, stocksteif dastehend, genau dem Bild des klassischen Reinblutehepaars entsprachen. Als Mr. Malfoy einen skeptischen Blick auf unsere ineinander verschränkten Hände warf, biss ich mir vor Anspannung auf die Unterlippe und versuchte meine Hand aus Dracos zu lösen. Ohne Erfolg. Stattdessen sah er nur mit hochgezogenen Augenbrauen auf mich herunter und grinste.

Wütend funkelte ich ihn an, verkniff mir aber jeglichen Kommentar und blickte hilfesuchend zu Narzissa, welche mir jedoch nur ein leichtes Lächeln schenkte und mit den Schultern zuckte, bevor ihr Miene wieder ausdruckslos und kühl wurde. Na toll. Meine Laune wurde nur noch schlechter, als wir in der Ehrenloge umgehend vom Zaubereiminister persönlich begrüßt wurden – oder vielmehr begrüßte Mr. Malfoy ihn: "Ah, Fudge. Wie geht's? Ich glaube, meine Frau Narzissa kennen Sie noch nicht? Und unseren Sohn, Draco?"

"Angenehm, angenehm", sagte Fudge lächelnd und verbeugte sich vor Narzissa, wobei ihm sein grüner Bowler verrutschte. "Und Sie sind?"

Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass der Zaubereiminister mit mir gesprochen hatte, bevor ich mich in bester Manie vorstellte. Als er meinen Nachnamen hörte, strahlte er bis über beide Ohren und verbeugte sich auch vor mir, ehe er sich wieder an Mr. Malfoy wandte: "Darf ich Ihnen Mr. Oblansk vorstellen – Obalonsk – Mr. – nun ja, er ist der bulgarische Zaubereiminister, und er versteht ohnehin kein Wort von dem, was ich sage, also egal. Und mal sehen, wer noch – Sie kennen Arthur Weasley, nehme ich an?"

Mein Kopf wirbelte herum, denn just in diesem Moment trat Mr. Weasley hinter Fudge hervor, womit er den Blick auf einen Haufen Jungs freigab, fast alle mit roten Haaren. Harry und Hermine stachen aus dieser Gruppe besonders ins Auge und ich lächelte ihnen zu, eine Geste die Draco offenbar gar nicht zu passen schien, denn er verstärke den Druck seiner Hand. "Meine Güte, Arthur", sagte Mr. Malfoy leise. "Was mussten Sie denn verkaufen, um Plätze in der Ehrenloge zu bekommen? Ihr Haus hätte sicher nicht genug gebracht?"

Aus Harrys Augen sprühte der pure Zorn, als er die Malfoys musterte. Wieder gab ich mir Mühe, meine Hand aus Dracos zu lösen und wieder scheiterte ich. Doch es war ohnehin zu spät. Harrys Augen fanden unsere Hände und verengten sich. Mit gerunzelter Stirn musterte er mich und warf mir einen fragenden Blick zu. Erleichtert darüber, dass er gelernt hatte, zuerst zu fragen, ehe er schlussfolgerte, formte ich mit den Lippen ein "Später."

Nach einem zögernden Nicken seinerseits folgte ich Draco und ließ mich zwischen ihm und Narzissa nieder. "Was sollte das gerade?"

"Was sollte was?" Verwirrt schaute ich den blonden Slytherin neben mir an, der weiterhin herablassende Blicke in Richtung der anderen abschoss, mir jedoch eine Antwort schuldig blieb.

"Ach Draco. Lass dir doch nicht die Laune verderben. Komm schon, entspann dich. Wir sind hier, um das Spiel zu sehen, nicht, um die üblichen Kleinkriege auszutragen. Abgesehen davon käme dies sicherlich nicht sonderlich gut an. Ihr Reinblüter seid doch immer so auf euer Image bedacht. Wie wäre es, wenn du ihnen jetzt allen zeigst, wie gleichgültig das ist und dass du zumindest für ein paar Stunden über all dem hier stehen kannst."

Auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, schien meine kleine Ansprache Wirkung zu zeigen, denn kaum war das Spiel von Ludo Bagman eröffnet worden, entspannte er sich und kommentierte jeden Spielzug. "Unglaublich schwer diesen Ball zu bekommen" oder "Wieso hat dieser Idiot nicht aufgepasst", wobei sich das 'Idiot' auf den irischen Sucher, Aiden Lynch, bezog.

Amüsiert musterte ich ihn von der Seite, wie er die Arme auf seinen Oberschenkeln abgestützt, die Unterlippe zwischen die Zähne geklemmt, das Spiel beobachtete und somit nicht bemerkte, dass sich eine seiner sonst so fein säuberlich gekämmten Haarfransen gelöst hatte, die ihm jetzt in die Stirn hing. Um diese wirren Gedanken abzuschütteln, schloss ich die Augen, atmete einmal tief durch und beschloss, mich für die Dauer dieses Spiels nicht mehr um den gutaussehenden Slytherin zu kümmern und stattdessen lieber die Spielzüge der Profis zu bewundern. Keine Frage, sie waren um Klassen besser als wir.

***

Mitten in der Nacht rüttelte jemand an meinen Schultern und fluchte, als ich mich einfach umdrehte und mir die Decke noch etwas höher ans Kinn zog. Draußen konnte ich immer noch das Johlen der irischen Fans hören, die nach einigem hin und her die Weltmeisterschaft gewonnen hatten und bis in die späten Abendstunden hinein am Feiern gewesen waren. Beziehungsweise bis in die späte Nacht, wie ich jetzt hören konnte. Nur waren die Rufe jetzt viel näher und wenn ich mich genau darauf konzentrierte, ahnte ich, dass es nicht länger Jubelrufe waren.

Plötzlich zog mir jemand die Bettdecke weg. Wütend richtete ich mich auf, um den Ruhestörer böse anzufunkeln und ihm eventuell einen ordentlichen Fluch auf den Hals zu hetzten, nur um festzustellen, dass es sich dabei um Draco handelte. "Na endlich, Caitlyn. Zieh dich an!", forderte er ungeduldig und warf mir eine weiße Hose inklusive dunkelgrünem Kapuzenpulli entgegen, auf dem das Wappen von Slytherin abgebildet war.

Konsterniert starrte ich ihn an und versuchte verzweifelt, mein Gehirn wieder auf Touren zu bringen. "Was ist los? Es ist mitten in der Nacht." Trotz meiner Proteste richtete ich mich auf und verschwand hinter der Trennwand zur Küche, um mich umzuziehen. Ein Glück, dass dies kein normales Zelt und mit Magie erweitert worden war. Sonst hätte ich Draco wirklich den Kopf abgerissen. Wobei ich mir ziemlich sicher war, dass er mich nicht ohne triftigen Grund in dieser Herrgottsfrühe aus dem Bett holen würde. In Hogwarts vielleicht, um mich zum Quidditchfeld zu schleifen, aber nicht hier.

Fertig umgezogen trat ich wieder zu ihm und griff nach meinem Zauberstab, den ich in meine Hosentasche stopfte: "Also was ist los?"

Er schüttelte nur den Kopf, griff nach meiner Hand und zog mich aus dem Zelt hinaus ins Freie. Langsam schien das zu einer neuen Angewohnheit zu werden. Doch sein Schweigen bereitete mir ein ungutes Gefühl.


Unknown Potter I - Secrets of the PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt