4 | 24. Kapitel

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Den Saum meines smaragdgrünen Kleides in einer Hand gerafft, stürmte ich die schmalen Korridore entlang, hinauf in die Eingangshalle. Ich war die letzte aus Slytherin, die eigentlich alle sehr viel Wert auf Pünktlichkeit legten. Und all das nur, weil ich zu viel Eitelkeit besaß, um mir von jemand anderem mein Korsett schnüren zu lassen. Welches, nebenbei bemerkt, unheimlich unbequem war. Wer schön sein will, muss leiden, stellte ich in Gedanken fest, als ich endlich in die Eingangshalle trat.

Mehrere Köpfe drehten sich zu mir um, was Hermine die Show stahl, die gerade am Fuße der Treppe von Victor Krum abgeholt wurde. Tief durchatmend hob ich den Kopf und bemühte mich, mein Gesicht ausdruckslos erscheinen zu lassen.

Wieder und wieder sagte ich mir, dass alle nur Caitlyn Snape sahen, ein Mädchen mit dunklem Haar, das zu einem eleganten Knoten emporgesteckt war, und einem slytheringrünen, bodenlangen Kleid mit silbernen Säumen. Wer genauer hinschaute, konnte sehen, dass das Silber in Wahrheit aus feingliedrigen Schlangen bestand.

Aber nur ein Einziger im Raum konnte erkennen, wusste, wer ich wirklich war und seinen Blick mied ich. Er hatte sich in Harrys Gegenwart zweimal beinahe verplappert, zugegeben, um mich vor Ron zu verteidigen, allerdings nahm ich ihm das noch immer übel. Vielleicht lag das auch mit an dem kleinen Teil in mir, der sich gewünscht hätte, von ihm zum Weihnachtsball eingeladen worden zu sein.

Bedächtig schritt ich auf Dimitri zu, der sich sanft lächelnd aus einer Gruppe Durmstrangs löste. Elegant verbeugte er sich vor mir und reichte mir seine Hand. "Sie sehen heute Abend überaus bezaubernd aus, Miss Snape."

Irgendetwas, tief in unten in meinem Magen, krampfte sich bei der Erwähnung meines Nachnamens zusammen, doch ich tat mein Bestes, um mir nichts anmerken zu lassen. "Vielen Dank für das Kompliment. Wollen wir dann hineingehen?"

"Natürlich." Etwas in seinem Ton ließ mich stutzen und ich sah aus dem Augenwinkel an seiner mächtigen Gestalt empor. Er sah gut aus, ohne Frage, in der rot braunen Durmstrang Festuniform wirkte er zum Niederknien, was nicht zuletzt an seinem selbstbewussten Auftreten lag. Galant begleitete er mich zu einem der runden Tische in der Großen Halle, an dem bereits einige andere Schüler saßen.

Er rückte mir den Stuhl zurecht und ich ließ mich dankbar darauf nieder. Ich war keine hohen Schuhe gewöhnt und meine Füße schmerzten an Stellen, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass sie einen am vernünftigen Laufen hindern konnten. "Ist euer Schloss jedes Jahr so wundervoll geschmückt?", erkundigte Dimitri sich interessiert bei mir, einen der verzierten Teller in Händen drehend.

Tatsächlich hatten sich die Lehrer dieses Mal besonders ins Zeug gelegt, sich und das Schloss von seiner besten Seite zu präsentieren. An den Wänden standen die zwölf obligatorischen Weihnachtsbäume, künstlicher Schnee rieselte herab und das Licht brach sich in abertausenden funkelnder Eiszapfen. Dennoch bejahte ich. "Letztes Jahr blieben nur etwas unter zwanzig Schüler über die Ferien hier und wie ich hörte, fiel die Feier nicht minder groß aus."

Dimitri nickte gedankenverloren und begann mir von Durmstrang zu erzählen, nur unterbrochen von einer kurzen Begrüßung seitens Dumbledore und der Erklärung, wie man heute Essen zu bestellen hatte – man musste es dem Teller schlicht und ergreifend sagen. Er erzählte mir, dass das ganze Schloss im Winter von Kerzen erhellt werden musste, da die Sonne dann nur noch selten schien, dass in die Wände eingeritzt, Zeichen von Gellert Grindelwald zu finden waren und vor allem, dass es immer bitterkalt war.

Ich gab es nur ungern zu, aber nach einiger Zeit fing ich an, mich zu langweilen und ertappte mich dabei, wie meine Gedanken wieder und wieder abschweiften. Genauso wie mein Blick, der sich irgendwann mit den Augen meines Vaters, des Tränkemeisters oder wie auch immer ich ihn von nun an nennen würde, verhakte.

Eindringlich sah er mich an und scherte sich nicht darum, dass die vier Champions inzwischen mit dem Eröffnungstanz begonnen hatten. Harry – mein Bruder – eher schlecht als recht.

Der Meister der Zaubertränke fesselte meinen Blick und ich konnte deutlich die tiefen Falten auf seiner Stirn sehen, die, wie ich hätte wetten können, vor wenigen Wochen noch nicht dort gewesen waren. Ich hatte seinen Brief ignoriert und mir war klar, er würde früher oder später darauf zu sprechen kommen, wobei mir später auf jeden Fall lieber wäre.

"Können wir tanzen gehen?" Meine Stimme klang ein wenig atemlos, da ich mich mit Gewalt hatte zwingen müssen, mich von dem Strudel der schwarzen Augen abzuwenden, doch Dimitri bemerkte es offenbar nicht. Zwar sah er mich etwas verwundert an, was vermutlich aber eher meiner forschen Frage zu verschulden war, als meiner Atemlosigkeit.

Ganz der Gentleman stand er auf und verneigte sich vor mir. "Wollen Sie mir diesen Tanz schenken, Cateleen?"

Etwas staksig, dank der hohen Schuhe, folgte ich dem stämmigen Durmstrang in die Mitte der Tanzfläche und verfluchte meinen übereilten Entschluss gerade, als jedoch schon die Musik einsetzte und mir keine Zeit zum Nachdenken ließ. Ich musste viel zu sehr aufpassen, nicht hinter Dimitris Schritten hinterherzuhängen.

Er konnte tanzen. Allerdings waren seine Bewegungen um einiges aggressiver und bestimmter als meine und dennoch wirbelten wir schon bald gemeinsam über die Tanzfläche. Ich vielleicht einen Ticken hinter der Bewegung.

Irgendwann, als uns beiden allmählich die Puste ausging, schlug Dimitrivor, für einen Moment ins Freie zu gehen. Begeistert stimmte ich zu. Ich hakte michbei ihm unter und gemeinsam schlenderten wir hinaus in den verschneitenInnenhof. "Du tanzt wirklich hervorragend, Cateleen!" Mit einem eleganten Schwung wirbelte er mich herum, sodass ich nun vor ihm stand und den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm weiterhin in die dunklen Augen sehen zu können. In ihnen schimmerte etwas, was mich ratlos machte. Ein Gefühl, welches ich nicht zuordnen konnte. "Ich frage mich, ob du auf anderen Gebieten ebenso begabt bist -"

Ehe ich wirklich realisieren konnte, worauf er mit dieser Aussage hinauswollte, legte er mir die linke Hand in den Rücken, während er mit der freien Hand mein Kinn anhob und seine Lippen auf meine senkte. Ich zuckte zurück, jedoch ohne Erfolg. Seine Finger hatten sich schraubstockartig um mein Kinn gelegt und hielten mich an Ort und Stelle.

Ich reagierte, ohne nachzudenken. Ruckartig rammte ich ihm mein Knie zwischen die Beine, was ihn zumindest ein wenig taumeln ließ, riss mein Kinn los und knallte ihm meine flache Handfläche ins Gesicht.

Sein Kopf flog von der Kraft meines Schlags herum, einen Vorteil hatte es also doch Jägerin in einem reinen Jungsteam zu sein. Schneller als er blinzeln konnte hatte ich meinen Zauberstab auf ihn gerichtet, jederzeit bereit, einen Fluch auszusprechen. "Hast du sie noch alle?", fauchte ich.

Gerade wollte er zu einer Antwort ansetzten, da ertönten hastige Schritte hinter uns und ein blauer Lichtstrahl jagte auf Dimitri zu, der ihn seitlich am Oberarm traf. Qualvoll heulte er auf und blickte an mir vorbei.

Halb im Schatten verborgen stand niemand anderes als Draco Malfoy, seinen Zauberstab in der Hand und ebenfalls auf Dimitri gerichtet. "Wie kannst du es wagen?" Er klang außer sich vor Zorn, seine grauen Augen schienen Funken zu sprühen. "Wie kannst du es wagen, sie anzurühren?"

Der irritierte Ausdruck verschwand von Dimitris Gesicht und er baute sich zu seiner vollen Größe auf. Angriffslust huschte über sein Gesicht. "Ich wüsste nicht, dass du irgendwelche Besitzansprüche auf sie hast. In meinem Land mögen Frauen es, ihre Eigenständigkeit zu behalten. Ist das bei euch Ängländerinnen nicht der Fall?" Seine letzte Frage war eindeutig an mich gerichtet, doch ich schwieg. Stand seine Aussage schließlich im totalen Gegensatz zu seiner vorherigen Handlung. Und in Wahrheit war ich wirklich froh, Draco schräg hinter mir stehen zu haben. Nicht, weil ich einen Beschützer brauchte, sondern eher, weil ich jetzt einen Grund hatte, mich im Zaum zu halten.

Die Hand, in der ich meinen Zauberstab hielt, kribbelte vor Verlangen danach, Dimitri irgendeinen Fluch auf den Hals zu hetzen. Nur mit Mühe schaffte ich es, dieses verlockende Prickeln zu ignorieren, als er sich, nach einem abfälligen Blick auf uns und einigen gemurmelten Worten abwandte. Ich verstand ihn nicht, auch wenn ich mir fast sicher war, dass es eine ordentliche Beleidigung gegen mich war.

Plötzlich zuckte ein weiterer Lichtblitz an mir vorbei, direkt auf Dimitris Rücken zu und nur mit Mühe schaffte ich es, ihn mit einem gemurmelten Protego zu parieren.

Wütend wandte ich mich zu Draco um, der mit zu Fäusten geballten Händen inmitten des Hofes stand, das Gesicht jedoch beinahe ausdruckslos. "Was hast du dir dabei gedacht?"

Unknown Potter I - Secrets of the PastWhere stories live. Discover now