4 | 16. Kapitel

3.9K 243 11
                                    

Dumbledore sollte recht behalten. Zwar entwickelte sich für mich eine Art Routine im Tagesablauf, doch in den wenigen Pausen, die ich zwischen Unterricht, Quidditch und Okklumentik hatte, kam ich nicht umhin zu bemerken, welcher Druck auf Harrys Schultern lastete. Die Slytherins hatten sich so gut wie geschlossen hinter Cedric Diggory gestellt und selbst die Gryffindors schienen unsicher, zu wem sie halten sollten.

Draco ging mir dieser Tage besonders auf die Nerven. Er glaubte immer noch, dass Harry seinen Namen aus Ruhmgründen in den Kelch geworfen hatte und als er triumphstrahlend in den Gemeinschaftsraum stolziert kam, ahnte ich Böses. "Der Bericht über den Champion von Hogwarts, auch bekannt unter dem Namen Harry Potter, ist da!", schnarrte er und hatte somit die Aufmerksamkeit des ganzen Raums sicher. "Mein Vater hat ihn mir eben geschickt. Es ist wirklich rührend."

Siegessicher warf er einen Blick durch den Raum, wobei sein Blick kurz an mir hängen blieb, dann begann er mit unnatürliche hoher Stimme vorzulesen: "Ich glaube, es sind meine Eltern, die mir Kraft geben, ich weiß, sie würden sehr stolz auf mich sein, wenn sie mich jetzt sehen könnten ... ja, nachts weine ich manchmal noch, wenn ich an sie denke, ich schäme mich nicht, das zuzugeben ... Ich weiß, dass mir im Turnier nichts zustoßen kann, denn sie wachen über mich ..."

"Ein Interview mit dem kleinen Potti Baby", höhnte Pansy und einige Slytherins fingen an zu johlen. "Steht da noch was?"

Der blonde Malfoy grinste böse und hob den Artikel wieder hoch, sodass er ihn besser lesen konnte: "Harry hat in Hogwarts endlich die Liebe gefunden. Sein enger Freund, Colin Creevey, berichtet, dass Harry fast ständig in Begleitung Hermine Grangers zu sehen ist, eines umwerfend hübschen muggelstämmigen Mädchens, das wie Harry zu den besten Schülern des Internats gehört."

Murmeln kam im Gemeinschaftsraum auf und ich wandte mich wieder dem prasselnden Kaminfeuer zu. Harry tat mir leid und Draco wusste sehr genau, welche Meinung ich zu dem Thema vertrat. Schließlich hatte ich ihm das mehr als deutlich gemacht, als er mir einen der schrecklichen Cedric Diggory Anstecker andrehen wollte, die, wenn man darauf drückte, ihren Schriftzug in 'Potter stinkt' abänderten. Ich war wahrscheinlich die einzige im ganzen Haus Slytherin, die diesen Anstecker nicht trug.

"Was hältst du von dem Artikel?", fragte Noreen und ließ sich mir gegenüber aufs Sofa fallen. Ich zuckte mit den Schultern. "Hast du mitbekommen, dass dieser Weasley Potter ignoriert? Ich denke, er wird in den Tagen bis zum Turnier noch ordentlich daran zu knabbern haben."

Leider hatte ich die gleiche Befürchtung und bereits am nächsten Tag, bewahrheitete sie sich. Wo auch immer wir auf Harry und Hermine trafen, breitete sich eine Atmosphäre wie direkt vor einem Quidditchspiel aus. Irgendjemand hatte jedes Mal den Artikel dabei und begann daraus vorzulesen, begleitet von höhnischen Kommentaren der anderen Schüler.

Harry gab sich Mühe, sich nichts anmerken zu lassen und auch ich hätte wohl nicht bemerkt, wie nah ihm das alles ginge, wenn ich ihn und Hermine nicht in der Bibliothek belauscht hätte.

Ich war hinter einem Regal stehengeblieben und hatte so getan, als würde ich die Buchtitel darin durchgehen, während Hermine auf der anderen Seite gesagt hatte: "Du musst sie einfach ignorieren Harry. Wie du in der ersten Klasse auch all jene nicht beachtet hast, die sich immer nach dir umgedreht haben, nur weil du der mit der Narbe warst. So schwer kann das doch nicht sein."

Harry hatte daraufhin das Buch zugeschlagen, in dem er bis dahin geblättert hatte und wütend erwidert: "Steck du mal in meiner Haut und sag das dann nochmal."

Hermine, die zu meiner Überraschung nicht beleidigt gewesen war, hatte noch einige Zeit länger auf Harry eingeredet, aber irgendwann war es mir zu langweilig geworden und ich war gegangen.

Heute, am Tag der ersten Aufgabe schließlich, stand ich nach dem ich fertig gegessen hatte recht schnell auf. "Wir sehen uns gleich auf dem Gelände", sagte ich zu niemand bestimmten und kehrte dem Slytherintisch den Rücken zu, um möglichst unauffällig die Halle zu durchqueren. Zum ersten Mal in meinem bisherigen Leben war ich froh, dass ich so klein war, denn daher fiel ich nicht sonderlich auf.

Direkt hinter Harry blieb ich stehen. "Hier", raunte ich knapp und drückte ihm einen kleinen gefalteten Pergamentzettel in die Hand, bevor ich mich rasch auf den Weg in die Eingangshalle machte.

Innerlich betete ich, dass er mir nicht nachrufen würde und hatte Glück. Zwar sah er mir verdattert nach, besann sich dann aber offenbar auf den Zettel in seiner Hand. Als er in langsam auseinanderfaltete, kehrte zumindest ein wenig Farbe in sein Gesicht zurück.

Leise lächelnd und ihm innerlich nochmals Glück wünschend, blieb ich am Eingangsportal stehen und blickte hinunter auf die Ländereien.

Ein Räuspern hinter mir ließ mich herumfahren. Mit schwarzen Haaren und weit flatterndem Umhang stand der Tränkemeister in der Mitte des Durchgangs und sah mich an, die Lippen zu einem sanften Lächeln verzogen. Wieder fragte ich mich, welches Geheimnis er mich betreffend verbarg. Er hatte mir so viel über mich erzählt, über meinen Zwillingsbruder Anthony, dass ich bezweifelte, irgendwo dazwischen könnte noch Platz für mehr sein.

Und doch wollten mir Dumbledores Worte nicht aus dem Kopf. All die fragenden Blicke, das blitzende Wiedererkennen und vor allem die Reaktionen von Sirius und Lupin Ende letzten Jahres. Gerade die Worte des ehemaligen Gefangenen, hatten sich mir tief ins Gedächtnis gegraben: "Ich habe diese Augen nie vergessen, Remus. Sie ist es. Ich würde freiwillig zurück nach Askaban gehen und den Kuss des Dementors ertragen, wenn ich mich irre."

Trotz alledem hatte ich sehr lange geschwiegen. Ich liebte meinen Vater und vertraute ihm, daher würde ich ihn noch einmal fragen. Ein letztes Mal und wenn er mir dann sagen würde, er habe mir bereits alles erzählt, würde ich ihm glauben. Ich würde ihn fragen. Nach der ersten Aufgabe.

"Was ist los, Caitlyn?", riss mich mein Vater etwas unsanft aus meinen Gedanken. Besorgt musterte er mich und ich gab mir Mühe, schnellstmöglich sämtliche Erinnerungen aus meinem Kopf zu verbannen, nur für den Fall, dass er in meine Gedanken eindringen würde.

Er tat es nicht, sondern fragte: "Sollen wir?"

"Natürlich, Vater."

Unknown Potter I - Secrets of the PastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt