3 | 1. Kapitel

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Black immer noch auf freiem Fuß
Sirius Black, der wohl berüchtigtsten Gefangene, der je in der Festung von Askaban saß, ist immer noch auf der Flucht, wie das Zaubereiministerium heute bestätigte. "Wir tun alles, was wir können, um Black zu fassen", sagte Zaubereiminister Cornelius Fudge heute Morgen, "und ..."

Missmutig warf ich den Tagespropheten neben mich aufs Bett. Seitdem Sirius Black Mitte der Sommerferien geflohen war, ließ mein Vater mich nicht mehr aus dem Haus, was ja eigentlich ganz erträglich gewesen wäre, wenn er selbst mehr als nur drei Stunden am Tag zu Hause wäre. Stattdessen verbrachte er einen Großteil seiner Zeit im Ministerium und kehrte erst zum späten Nachmittag zurück. Meine einzigen Lichtblicke waren die Abende, an denen er mir Unterricht gab.

Gedankenverloren spielte ich mit einer meiner dunkelbraunen Haarsträhnen. Es war ein kleiner Unfall gewesen. Das passierte, wenn man heimlich Zauber üben wollte, während man erkältet war.

Mein Vater war ziemlich geschockt gewesen, als er meine kastanienbraunen Haare gesehen hatte. Beim Gedanken an sein Gesicht musste ich wieder grinsen. Leider hatte er sich am Ende geweigert, meine Haare wieder zurück zu färben. Er meinte, wenn ich schon heimlich üben müsse, könne ich auch selbst herausfinden, wie ich es rückgängig machte.

Plötzlich ertönte ein dumpfer Knall. Ich zuckte nicht einmal mehr zusammen. Felyx, meine Eule, hatte offenbar immer noch nicht verstanden, dass das Dachfenster zu war. Seufzend stand ich auf, um das Fenster zu öffnen. Empört mit dem Schnabel klackernd flatterte sie herein und ließ sich auf meiner Schulter nieder. "Na Felyx, hast du mir etwas mitgebracht?" Behutsam löste ich den Brief vom Bein der Eule und strich ihr über das weiche Gefieder.

Dann riss ich ohne viel Federlesen den Brief auf:

Caitlyn,
gilt der Friede immer noch? Wenn ja, würde es mich freuen, wenn nicht, werfe den Brief umgehend in den Müll.

So, da du ihn offenbar nicht weggeworfen hast, nehme ich an, dass der Friede noch gilt. Dann kann ich dir auch ruhigen Gewissens zum Geburtstag gratulieren. Sehen wir uns im Zug? Du solltest ja wissen, wo das Slytherinabteil liegt.

Der Brief war unterzeichnet mit Draco Malfoy. Erstaunt stellte ich fest, wie sauber seine Schrift war. Woher wusste er, dass ich heute Geburtstag hatte, wo mein eigener Vater es vergessen zu haben schien?

Eine weitere Eule flatterte herein. Sie war schneeweiß. Ich kannte sie nicht, hatte jedoch die vage Ahnung, sie schon einmal irgendwo gesehen zu haben. "Na du? Du hast mir auch etwas mitgebracht?", fragte ich sie leise und band den Brief, der an ihrem Bein hing, los.

Kaum war sie ihre Last losgeworden, erhob sie sich sanft mit den Flügeln schlagend und schwebte durch das immer noch offene Dachfenster hinaus. Neugierig betrachtete ich den Brief und drehte ihn in meinen Händen hin und her. Kein Absender.

Hallo Caitlyn,
ich glaube, ich schulde dir eine Entschuldigung. Es tut mir leid, wie Ron sich dir gegenüber verhält. Mir ist bewusst, dass es für seine Anschuldigungen keine Rechtfertigung gibt. Umso mehr tut es mir leid, dass ich mich nicht für dich eingesetzt habe.
Zu Rons Verteidigung kann ich nur sagen, dass deine Versteinerung, wie ich glaube, bei ihm einen kleinen Dämpfer ausgelöst hat. Ich hoffe sehr, ihr versteht euch demnächst besser. 
Wie verbringst du deine Ferien? Wenn ich dir meine Ferien jetzt beschreiben würde, wären das wahrscheinlich um die sechs, sieben Seiten. Nur so viel: Ich bin knapp an einem Schulverweis vorbeigekommen. Die letzte Woche bin ich in der Winkelgasse. Hermine und Ron kommen auch noch. Hast du nicht Lust, uns Gesellschaft zu leisten?
Wenn nicht, sehen wir uns am 1. September im Zug.
Grüße, Harry

Die zweite Überraschung heute. Ich hätte nie gedacht, dass Harry sich entschuldigen würde und mich noch dazu einladen würde, mit ihm in die Winkelgasse zu kommen. Ich nahm mir vor, meinen Vater heute Abend zu fragen. Zwar bezweifelte ich stark, dass er zustimmen würde, einen Versuch war es aber auf jeden Fall wert. Stellte sich nur die Frage, was ich bis dahin machen sollte.

Ich beschloss, mir erst einmal etwas zu trinken zu holen. Vielleicht würde mir dann etwas einfallen. Also stand ich auf und lief die Treppe hinunter in die Küche. Es war seltsam still. Während ich mir ein Glas Wasser einschenkte, blickte ich durch das Küchenfenster hinaus auf die Straße. Draußen spielten zwei kleine Kinder fangen und Mr. Storm, mit einer großen Einkaufstüte in der Hand, schleppte sich wie üblich den Gehsteig entlang. Ob sie ahnten, dass dort draußen ein Massenmörder frei herumlief? Im Tagespropheten hatten sie gesagt, die Muggel wären gewarnt worden. Aber wenn Black es darauf anlegen würde, hier in Cokeworth aufzutauchen, wäre keiner sicher. Zumindest kein Muggel. In gewissem Maße hatte mein Vater also recht. Es war nicht sicher.

Ich trank den letzten Schluck Wasser aus meinem Glas und stellte es neben das Spülbecken. Vater würde nachher wieder darüber schimpfen, dass ich es stehen gelassen hatte und im Endeffekt würde er es sauber zaubern. Es erstaunte mich immer wieder, dass der Tränkemeister so etwas wie Haushaltszauber beherrschte. Grübelnd setzte ich den ersten Fuß auf die unterste Treppenstufe, um in mein Zimmer zurückzukehren, als mir ein Lichtstrahl auffiel, der eigentlich nicht dort sein sollte. Die Tür zum Büro meines Vaters stand nie offen. Sollte ich?

Verstohlen blickte ich mich um, als könne mein Vater jeden Moment im Flur auftauchen. Gar nicht mal so abwegig, wenn man an die Fortbewegungsmöglichkeiten in der magischen Welt dachte. Aber ich wusste, dass er normalerweise nicht direkt ins Haus apparierte. Weiß der Himmel wieso, landete er immer ein paar Straßen von hier entfernt und lief den letzten Rest zu Fuß. In sein Büro hatte er mich nie gelassen. Würde ich dort drin vielleicht etwas über meine Mutter herausfinden?

Meine Neugierde siegte. Mit zwei hastigen Schritten durchquerte ich den schmalen Flur und trat ins Arbeitszimmer meines Vaters. Staunend blicke ich mich um. Es war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte erwartet, dass das Büro dem in Hogwarts ähneln würde. Doch das war nicht der Fall. In der Mitte des Raums stand ein massiver Schreibtisch mit Massen an Papierstapeln. Links neben der Tür stand ein Schrank, der fast bis zur Decke ragte und rechts eine schmale Vitrine. Ich trat näher. In der Vitrine standen Bilder. Ein rothaariges Mädchen mit flammenden roten Locken hockte im Gras unter einer großen Eiche und lachte in die Kamera. Ein anderes Bild zeigte dasselbe Mädchen, einige Jahre älter, wie sie, vertieft in ein Buch, in der Bibliothek saß. Meine Mutter.

Etwas weiter unten im Regal stand ein schmaler Karton mit halb geöffnetem Deckel. Unruhig sah ich mich um. Sollte ich es wagen? Wenn mein Vater mich dabei erwischte - ich wäre geliefert. Die Neugierde siegte. Alle Vorsicht in den Wind schlagend öffnete ich die Vitrine, nahm den Karton in die Hand und hob den Deckel ab.

Es waren Briefe. Mehrere, zum Teil leicht vergilbte Briefe. Ich griff nach dem obersten und öffnete ihn. Heraus fiel ein Bild, gefolgt von einem Zettel. Neugierig betrachte ich zuerst das Bild. Es war halb durchgerissen. Die verbliebene Hälfte zeigte eine rothaarige Frau, mit zwei Babys auf dem Arm. Das irritierte mich. Ich war mir ziemlich sicher, dass die Frau meine Mutter war, aber wieso hielt sie dann zwei Babys im Arm? Ich hatte keine Geschwister - oder?

Tief versunken in die Betrachtung des Bildes, hörte ich das leise Knarzen der Dielen im Flur nicht. Stattdessen beugte ich mich hinunter, um den Zettel aufzuheben, als plötzlich die Bürotür mit lautem Scheppern gegen die Wand knallte und mein Vater mit eisiger Stimme fragte: "Was hast du hier zu suchen?"

Unknown Potter I - Secrets of the PastKde žijí příběhy. Začni objevovat