3 | 17. Kapitel

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Trotz dieses, zugegeben, wirklich katastrophalen ersten Abends, verlief der Rest der Ferien erstaunlich friedlich. Allerdings lag das hauptsächlich daran, dass Mister Malfoy die meiste Zeit außer Haus verbrachte und Narzissa uns weitestgehend in Ruhe ließ.

Nicht ohne Grund, wie ich schon am ersten Schultag von einem vor Wut schnaubenden Ron erfuhr. Mit gezücktem Zauberstab stürmte er auf Draco und mich zu: "Du verzogene, kleine Mistschnecke! Wie konntest du das Hagrid antun?"

Der blonde Slytherin neben mir schaute wie erstarrt auf die Zauberstabspitze, die direkt auf seine Brust zeigte. Manchmal konnte er ein richtiger Angsthase sein. Seufzend schob ich mich vor ihn, meinen Zauberstab scheinbar lässig in der Hand. "Lass es lieber, Ronald. Wir haben letztes Jahr ja schon gesehen, was passiert, wenn das Thema auf Schnecken kommt." Einige Slytherins, die stehen geblieben waren, um das Schauspiel mit begierigen Mienen zu verfolgen, lachten.

Überraschenderweise ließ Ron tatsächlich seinen Zauberstab sinken, aber nur, um Hermine anzufauchen, welche von der Treppe aus in ihn hineingestolpert war. Harry zuckte nur kurz entschuldigend die Achseln. "Das du dich das traust, Weasel ...", fing Draco an, der nun, da kein Zauberstab mehr auf ihn gerichtet war, seinen Mut wiedergefunden zu haben schien.

Unwirsch packte ich ihn am Arm und zog ihn in die große Halle. "Du kannst es aber auch nicht lassen, oder? Was sollte dieser Mist denn schon wieder? Kannst du auch nur einmal deine Klappe halten?"

"Er hat mich provoziert", schnarrte Draco. "Wenn er so dumm ist, dann ..."

Ich schenkte meinem Vater am Lehrertisch ein halbes Lächeln, während ich zusammen mit Draco den Slytherintisch ansteuerte. Wir hatten die Stimmen gesenkt, schließlich musste nicht die ganze Halle unser Gespräch mithören: "Vergiss es, Draco. Diese Nummer kannst du bei jemand anderem abziehen, nicht bei mir. Was war jetzt überhaupt der Grund für Weasleys Ausraster?"

"Mein Vater hat mit dem Ausschuss geredet. Wegen des beinahe tödlichen Angriffs dieses Viehs! Willst du dich nicht setzten?"

Verzweifelt vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen und fuhr mir durchs Haar. Mich würde es nicht wundern, wenn es jetzt aussah, als wäre ich gerade vom Besen gestiegen. Dumpf murmelte ich: "Beinahe tödlich. Dass ich nicht lache. Du bist unverbesserlich, Draco."

Am Donnerstag nach dem Abendessen fing Harry mich am Eingang zu den Kerkern ab. Atemlos stützte er sich auf seinen Knien ab und versuchte wieder zu Luft zu kommen. Offenbar war er gerannt.

"Geh schon einmal vor, Reen. Und warte nicht auf mich." Nach einem letzten neugierigen Blick auf mich und Harry, drehte sie sich um und verschwand in die Kerker. "Also Harry?"

"Heute Abend ..." Er atmete weiterhin heftig. Dass so jemand einen anstrengenden Sport wie Quidditch überlebte - ein Wunder. "... Lupin ... im Klassenraum für Geschichte ... Verteidigung gegen Dementoren ... um zwanzig Uhr. Also jetzt."

Ich grinste. "Na dann, Sportskanone, worauf warten wir?"

Harry hielt sich immer noch die Seite und schaute mich entrüstet an. "Natürlich. Darf ich dich daran erinnern, wer es war, der dich bisher in jedem Quidditchspiel geschlagen hat?"

"Im Moment bezweifele ich wirklich, dass du das warst. Und nicht ein verschollener Zwillingsbruder", neckte ich ihn. Kaum hatte ich jedoch das letzte Wort ausgesprochen, wurde er schlagartig ernst.

"Zwillingsschwester. Und tot – nicht verschollen." Traurig lächelte er. "Schon komisch. Sie vermisse ich beinahe noch mehr als meine Eltern. Vielleicht einfach, weil ich gerne jemanden zum Reden hätte, der mich wirklich versteht. Jemand der voll und ganz hinter mir steht und mir vertraut. Weißt du, was ich meine?"

Ich neigte den Kopf: "Ich habe so eine Ahnung. Für mich ist diese Person mein Vater. Ihm vertraue ich und er ist der Einzige, mit dem ich über alles reden kann." Vielleicht mit Ausnahme der Liebe. Beim Gedanken an ein solches Gespräch musste ich beinahe laut anfangen zu lachen.

"Schwer vorzustellen. Irgendwie." Wir waren stehen geblieben und Harry hielt mir die Tür zum Klassenzimmer auf. "Nach dir."

Drinnen erwartete uns Professor Lupin. "Hallo ihr zwei." Er trat auf uns zu und gab somit den Blick auf Professor Bins Schreibtisch frei. Auf diesem stand eine schwer aussehende Holzkiste, die leicht ruckelte und sich bewegte, ganz ähnlich dem Schrank im Lehrerzimmer, in dem der Irrwicht gefangen gewesen war. Meine Vermutung wurde auch gleich bestätigt: "Ich hielt es für zu gefährlich, einen echten Dementor zum Üben zu nutzen. Abgesehen davon, dass Dumbledore ausrasten würde. Daher habe ich seit geraumer Zeit das Schloss durchkämmt, bis ich schließlich diesen hübschen Irrwicht entdeckt habe. Er hatte es sich bei Mister Filch in der Besenkammer gemütlich gemacht. Der Endeffekt ist der Gleiche. Und bei dir sollte das auch kein Problem darstellen, Harry. Ich weiß nur nicht, ob es bei dir klappt, Caitlyn."

Ich neigte den Kopf, während Harry mit ein wenig zu viel Überzeugung in der Stimme sagte: "Das ist ja großartig!"

Offenbar war ich nicht die Einzige, die dies bemerkte, denn Lupin sah uns eindringlich an und trat einige Schritte auf uns zu. "Ihr müsst das nicht machen, hört ihr? Der Zauber, den ich euch beibringen möchte, ist höhere Magie. Er könnte zu schwer für euch sein. Selbst viele gut ausgebildete Zauberer haben damit Probleme."

Entschlossen biss ich mir auf die Lippen. Probieren wollte ich es auf jeden Fall. Auch Harry nickte. "Welcher Zauber ist es?"

"Es handelt sich um den Patronuszauber. Wenn er gelingt, beschwört er eine Art Gegen-Dementor herauf, einen Schutzherrn, wenn ihr ihn so nennen wollt, welcher sich zwischen euch und den Dementor stellt und ihn im besten Fall verjagt. Er besteht aus all dem, von dem sich ein Dementor nährt. Liebe, Glück, Hoffnung. Jedoch ist er nicht in der Lage wirkliche Verzweiflung zu erleben. Daher kann der Dementor ihm nichts anhaben."

"Wie sieht ein Patronus aus? Und wie beschwört man ihn?" Es war meine erste Wortmeldung heute Abend und meine Stimme klang zu meiner Überraschung sehr entschlossen.

"Nun, jeder Zauberer beschwört seinen eigenen, ganz individuellen Patronus. Er kann ein Abbild deiner Seele sein oder die Gestalt deines Lieblingstiers annehmen. Die Zauberformel lautet Expecto Patronum. Um diesen Zauber korrekt ausführen zu können, müsst ihr euch auf eine einzige, sehr glückliche Erinnerung konzentrieren." Lupin lehnte sich gegen den Schreibtisch. "Denkt eine Minute darüber nach."

Ich durchforstete meine Erinnerung. Eine wirklich glückliche Erinnerung. Mir fiel nichts ein. Vielleicht mein erster Flug auf einem Besen? Oder der Waffenstillstand mit Draco? "Seid ihr so weit?

Obwohl ich es nicht war, nickte ich und umklammerte das schmale Stück Holz zwischen meinen Fingern. "Wer möchte zuerst?"

"Du kannst ruhig, Harry", murmelte ich und setzte mich etwas abseits auf eine der Bänke und Harry bewegte sich in die Mitte des Klassenraums.

Wenig später erfüllte wieder diese kalte, atemberaubende Stille das Zimmer. Der Dementor war zwar nicht echt, jedoch war der Effekt derselbe. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich das wirklich machen wollte.

"Nicht meine Kinder ... Bitte ... Ich tue alles."

"Geh beiseite ... dummes Mädchen ..."

"Bitte ..."

Einen Moment später verstummten die Stimmen schon wieder. Die Fackeln im Klassenzimmer brannten wieder und Harry lag ausgestreckt am Fußboden. "Geht es dir gut, Harry?" Lupins besorgte Stimme drang nicht wirklich bis zu mir. Und auch Harrys Antwort entging mir. Erst als der Professor mich an der Schulter berührte, kam ich wieder zu mir. "Bei dir auch, Caitlyn?"

"Es geht schon", antwortete ich ehrlich und entzog mich seiner Hand.

"Wir könnten auch an einem anderen Abend weitermachen ..." Besorgt wanderte Lupins Blick zwischen Harry und mir hin und her. Und wieder schüttelten wir gleichzeitig die Köpfe. "Also gut."

Unknown Potter I - Secrets of the PastWhere stories live. Discover now