3 | 3. Kapitel

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Die Dunkelheit lastete schwer auf meinen Augen und ich versuchte, mich tastend in Richtung Tür zu bewegen. Fast im selben Augenblick spürte ich, wie meine Beine nachgaben. Eine unnatürliche Ruhe legte sich über den Zug, die Kälte schnürte mir die Luft ab und hinderte mich am Atmen. Schon wenige Sekunden später zerriss eine hohe kalte Stimme die Stille.

Ich kannte diese Stimme - und hätte ich gekonnt, ich hätte mich auf dem Absatz umgedreht und wäre geflohen. Vor zwei Jahren hatte ich ihr bereits gegenübertreten müssen und wäre bei dem Versuch fast gestorben. Ob den anderen klar war, wer da im Zug war, wusste ich nicht.

Eine sanftere, leisere Stimme ertönte, doch sie war von Grauen und Angst erfüllt, sie bettelte, flehte: "Nimm mich. Töte mich. Bitte, verschone sie. Bitte." Das letzte Wort war nur noch ein Wimmern. Hilflos warf ich mich hin und her. War ich denn die Einzige, die der Frau helfen wollte? Wieso schritt niemand ein?

Ein kaltes Lachen ertönte. "Du dummes Mädchen." Dann kurze Stille. "Avada Kedavra!"

Jetzt war ich es, die wimmerte, ein Schrei wollte mir nicht über die Lippen kommen. Wieso hatte sich keiner erbarmt, ihr zu helfen? Jetzt war sie tot. Und Voldemort ...

"Cat? Caitlyn!" Jemand rüttelte an meinen Schultern. "Sie reagiert nicht." In Dracos Stimme klang Panik mit.

Sobald ich mühsam geschafft hatte, meine Augen zu öffnen, blickte ich direkt in die grauen von Draco. Er hatte sich über mich gebeugt und musterte mich besorgt. "Ist alles in Ordnung mit dir?"

"Wer hat geschrien? Voldemort ...", versuchte ich zu sagen. Heraus kam jedoch nur ein leises Flüstern. Mein Kopf schmerzte, als wäre ich aus hundert Metern Höhe vom Besen gestürzt. Erneut versuchte ich, etwas zu sagen: "Was ist passiert? Die Frau?" Zum Ende versagte mir wieder sie Stimme, doch der blonde Slytherin schien wenigstens den Anfang verstanden zu haben.

"Dementoren", erwiderte er düster. "Sie haben den Zug durchsucht."

Angestrengt dachte ich nach. Dementoren, waren das nicht die Wachen von Askaban? Schreckliche, seelensaugende Ungeheuer? Jedenfalls hatte mein Vater mir sie immer als solche beschrieben. Nur was machten sie hier?

"Wieso waren sie denn hier?" Erleichtert stellte ich fest, dass meine Stimme wieder kräftiger geworden war. "Und was war mit mir?"

Der blonde Slytherin vor mir schüttelte ratlos den Kopf. "Ich vermute, sie suchen nach Black. Das wäre ein Grund dafür, dass sie Askaban verlassen haben. Aber so wie ich den alten Narren Dumbledore kenne, wird er uns spätestens heute Abend beim Festessen alles erklären. Und was dich angeht - so habe ich keine Idee. Ich meine, es war dunkel. Ich habe dich fallen gehört ..."

"... und außerdem war er furchtbar mit sich selbst beschäftigt. Habe ich nicht recht, Freddie?"

"Da hast du voll und ganz recht, Georgie. Er hat sich bald in die Hose gemacht."

Entsetzt richtete ich mich auf, was zu einem erneuten Schwindelanfall führte. Die Abteiltür war aufgeglitten und herein kamen Fred und George Weasley.

Ungeduldig schob ich Dracos Hand weg, die mich wieder auf den Boden drücken wollte, obwohl er selbst vor Wut zitterte. Ich ignorierte die Tatsache, dass sich alles um mich herumdrehte und stand auf. Es reichte bereits, wenn Draco mich so hilflos gesehen hatte. Ich war nicht scharf darauf, der Liste noch weitere Personen hinzuzufügen. "Was wollt ihr hier?", fragte ich feindselig.

"Weißt du, Kätzchen, bevor du so unerwartet hereingeplatzt bist -"

Nahtlos knüpfte der zweite Zwilling an: "- war das eigentlich unser Abteil."

"Und wieso wart ihr dann nicht hier?"

"Oh, wir waren hier", sagte der erste Zwilling unschuldig.

"Nur wir dachten, es wäre besser, einen Lehrer aufzusuchen. Du weißt schon - die Sache mit der Ohnmacht und so ..."

Die Beiden hatten es tatsächlich geschafft, mich für einen Moment sprachlos zu machen. Ich öffnete und schloss meinen Mund ganze drei Mal hintereinander, bevor ich beschloss, dass es die Sache nicht wert war. Fix bückte ich mich nach meinem Rucksack und quetschte mich an den Zwillingen vorbei hinaus auf den Gang. Draco dicht hinter mir. "Du kannst also auch mal sprachlos sein ...  Um ehrlich zu sein, hätte ich das nicht von dir erwartet", grinste der Slytherin. "Das ich das einmal erleben darf."

Unwillig knirschte ich mit den Zähnen. "Versprich mir, dass du das niemandem erzählen wirst."

Feixend blieb Draco stehen. "Was würde denn für mich herausspringen?"

Ich blieb ebenfalls stehen und drehte mich um. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn, wie er mit selbstgefälliger Miene dastand und auf mich herunterlächelte. Er war fast einen Kopf größer als ich. "Reicht es nicht, dass du damit einer Dame in der Not sehr helfen würdest? Du bist doch schließlich ein Gentleman!", hauchte ich.

Ein leichtes Lächeln huschte über seine Züge. "Einer Dame in der Not? So wie ich das sehe, kannst du dich sehr gut selbst verteidigen. Du beherrschst nicht gerade wenige Flüche."

In gespielter Überraschung legte ich den Kopf schief. "Gut, dass du mich daran erinnerst. Schweig einfach über das eben geschehen oder es war das Letzte, was du je gesagt hast."

Unheilverkündend lächelte ich ihn an. "Ich kenne da einen schönen Dauer-Zungen-Fesselfluch. Er klebt dir die Zunge so richtig fest an den Gaumen. Und wo ich so darüber nachdenke, ich könnte ihn ein wenig abändern, dann enthält er noch ein paar nette kleine Überraschungen. Leider habe ich noch niemanden gefunden, an dem ich ihn ausprobieren könnte. Interesse?"

"Ist ja gut, ich erzähle es keinem." Bei meinen Ausführungen war Draco unweigerlich einige Schritte zurückgewichen.

"Will ich dir auch geraten haben. Hast du eigentlich Noreen gesehen?" Als wäre nichts geschehen, schlenderte ich den Gang entlang. Wie vorher schon links und rechts in die Abteile blickend.

"Nein. Ich bezweifele auch, dass du sie finden würdest. Im Verstecken ist sie eine Meisterin. Wie wäre es, wenn du mit zu den anderen Slytherins kommst? Noreen findest du auch noch in Hogwarts. Ihr schlaft doch in einem Schlafsaal, oder?" Resigniert nickte ich. Ich hatte keine große Lust die ganze Fahrt durch den Zug zu laufen, zumal ich von den Dementoren immer noch etwas wackelig auf den Beinen war. "Dann komm."

Wie Draco prophezeit hatte, sah ich Noreen erst, als wir in Hogwarts auf die pferdelosen Kutschen warteten. Doch als sie auf mich zukam, erblickte ich Schreckliches ...

Unknown Potter I - Secrets of the PastWhere stories live. Discover now