Kapitel 6: Gezinkte Karten

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Hanni war ganze drei Wochen auf der Burg, da verkündete ihr Franz Friedrich beim Abendessen, dass sie am folgenden Tag einen Termin in einem Schönheitssaloon in Koblenz hatte.

„Schönheitssaloon?", fragte ihn Hanni verwirrt und Albert, der ebenfalls gelegentlich mit ihnen aß, prustete beinahe in seine Vorspeisensuppe. Sie warf ihm einen bitterbösen Blick über den Tisch zu.

„Ja. Haben Sie keine Angst, es geht nicht darum, Sie zu modifizieren. Es geht darum, das Optimum aus Ihren natürlichen Vorzügen herauszuholen." Wieder prustete Albert völlig ungeniert in seine Suppe. „Adalbert", ermahnte ihn Franz Friedrich, doch dieser konnte sich auch daraufhin ein Lächeln nicht verkneifen. „Machen Sie sich keine Sorgen. Sie besprechen vor Ort alles mit den Expertinnen, Sie haben zu jeder Zeit den vollen Einfluss auf das Ergebnis." Das beruhigte Hanni etwas, auch wenn das respektlose Schnaufen von Albert noch immer etwas verunsicherte.

Es war ein seltsames Gefühl, als sie am nächsten Morgen zum ersten Mal in drei Wochen die Burgmauern verließ. Als sich das schwere Holztor hinter ihr schloss und sie sich mit einem schwarz gekleideten Sicherheitsmann über die Brücke auf den Weg zu einer Personendrohne machte, war ihr etwas mulmig zu mute. Er öffnete für sie die Tür und sie stieg so damenhaft wie nur möglich in die Drohne. Dann hob sie ab und landeten kaum 15 Minuten später in Koblenz.

Niemals zuvor war Hanni in Koblenz gewesen, niemals zuvor hatte sie den Wunsch verspürt, dorthin zu reisen. Aber auch heute würde sie keine Zeit haben, durch die Stadt zu bummeln. Sie stieg aus der Drohne aus, bog mit dem Sicherheitsmann um eine Straßenecke und betrat einen Schönheitssaloon, in dem drei junge Frauen bereits auf sie warteten.

Hanni versuchte sich zurückzuerinnern, wann sie das letzte Mal in einem solchen Salon gewesen war. War es als Kind gewesen, mit ihrer Mutter? Ihre Mutter hatte so etwas geliebt, als es ihr noch gut ging und die Krankheit ihre wilde, fröhliche Seele noch nicht befallen hatte. Sie war oft mit Hanni in solche Salons gegangen. Vielleicht war es deshalb, dass sie sie in ihrem gesamten Erwachsenenleben gemieden hatte.

„Willkommen Frau Romanow", wurde sie begrüßt. Gut, dachte Hanni. Hier wusste niemand, wer sie war. „Dann sind Sie heute also hier, um sich verwöhnen zu lassen? Wie herrlich!" Hanni zwang sich zu einem Lächeln, zog die Jacke aus und übergab sie einer der jungen, lächelnden Damen mit auffallend ebenmäßiger Haut.

Während sie den Expertinnen nach hinten zu den Behandlungsräumen folgte, blieb ihr Sicherheitsmann auf einem Stuhl im Wartebereich sitzen und sorgte dafür, dass niemand zu ihnen gelangen konnte. Der Salon war heute nur für sie reserviert, einen Luxus, den sich nur wenige gönnen konnten in dieser Zeit. Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder doch lieber flüchten sollte. Doch als die drei Damen die Tür zum Behandlungszimmer hinter ihr schlossen und sie auf einer gut gepolsterten Liege platznahm, war es zu spät um weiter darüber nachzudenken.

Auf dem Weg zurück zur Burg war sich Hanni noch immer nicht sicher, ob sie lieber hätte fliehen sollen. Der Besuch war Belohnung und Bestrafung zugleich gewesen. Man hatte das gesamte gängige „Medical-Beauty-Programm" an ihr abgespielt, das sie nur aus Serien und dem Reality TV kannte. Dinge, die zwar Wunder bewirken konnten, aber so teuer waren, dass es sich beinahe niemand leisten konnte. Plasma-Konzentrate und Vitamine wurden von einem Roboter mit unzähligen kleinen Nadeln in ihre Kopfhaut und in ihr Gesicht injiziert. Unebenheiten in ihrer Haut wurden mit einem Laser-Radierer entfernt. Ihre Augen- und Stirnpartien wurden mit Nervengiften unterspritzt, die den Alterungsprozess verlangsamen sollten. Und schließlich hatten die charmant lächelnden Damen ihre Naseninnenwände, Beine und Achsel gewachst, ja sogar ihren Intimbereich. Die ganze Zeit über hing sie an einem Tropf und bekam Vitamine und Elektrolyte intravenös.

Aber nach einer Weile hatten die drei Damen Gnade walten lassen. Sie hatten ihren Haaren, die sie seit Jahren selbst mit der Küchenschere auf Brustlänge kürzte, einen vernünftigen Schnitt verpasst, ihr Nägel mit einer perlmuttschimmernden Lackierung überzogen und ihr zu guter Letzt eine Massage zukommen lassen. Aber als Hanni zum Ende der Behandlung in den Spiegel geblickte hatte, da hatte sie deutlich schlimmer ausgesehen als am Morgen.

Operation Pik Dame | ✔️Where stories live. Discover now