Kapitel 21: Bube, Dame, König, Ass

26 7 5
                                    

Der auf die Partynacht folgende Tag glich einem Kampf: Hanni war so müde, dass ein Großteil ihres Gehirns damit beschäftigt war, ihre Augenlider offen zu halten. Selbst Kaffee und Koffein-Kekse halfen nur kurzfristig. Sie stand kurz davor die Hauszentrale anzurufen und nach einer Infusion zu fragen.

Dennoch fühlte sich Hanni gut, war zufrieden mit ihrem ersten Ausflug in die wirkliche Welt. Es hatte gutgetan, auch wenn sie ihr Ziel noch nicht erreicht hatte. Sie würde eben weitermachen müssen. Und sie wusste nun, dass sie alle Werkzeuge in der Hand hatte, um eigenständig aus Schloss Bellevue herauszukommen, wann immer sie wollte. Mal abgesehen davon, dass sie es klangheimlich tat, hatte es ihr auch niemand verboten.

Dennoch war ihr in der letzten Nacht auch bewusst geworden, dass sie damit beginnen musste, einen Plan B zu entwerfen. Was war, wenn sie Tomek nicht finden würde? Wenn es zu lange dauerte? Sie musste wissen, wem sie vertrauen konnte. Musste wissen, wer nach ihrem Leben trachtete und sie verraten wollte. Sie musste auch an anderer Stelle Nachforschungen anstellen.

Wieder und wieder erschien Alberts Gesicht wie so oft vor ihrem inneren Auge, doch etwas in ihr sträubte sich dagegen. Nein, beschloss sie, sie würde noch etwas warten, bevor sie ihn ins Boot holte. Würde ganz vorsichtig an anderer Stelle beginnen. So kam es ihr gerade recht, dass sie ein paar Tage später der Kanzler in ihrem Büro besuchte.

Er sah müde und geschafft aus, wie immer in letzter Zeit. Selbst sein Hologramm hatte die Last nicht verbergen können, die auf seinen Schultern ruhte. Schließlich führte er die Verhandlungen für die neue Verfassung, die die Zukunft dieses Landes formte. Und damit auch ihre eigene. Er erzählte ihr lange, an welchem Punkt er angelangt war und kündigte ihr an, dass sie bald einen ersten Entwurf zusammen mit Albert sichten konnte. Als er schließlich verstummte, fasste Hanni all ihren Mut zusammen und blickte dem Kanzler tief in die Augen.

„Sagen Sie, warum soll ich Schloss Bellevue nicht verlassen? Warum durfte ich Burg Eltz nur in Ausnahmefällen verlassen?" Er wirkte etwas überrumpelt von ihrer Frage, setzte sich gerade auf und blickte mit besorgen Augen zurück.

„Nun ja, es ist so...", begann er, doch Hanni unterbrach ihn.

„Es ist so, dass mein Leben in Gefahr ist." Er nickte langsam.

„Das ist es in der Tat, darüber haben wir bereits gesprochen."

„Aber wir konkret ist diese Gefahr? Ich möchte es verstehen." Er seufzte, wollte nicht darüber sprechen, sie konnte es in seinem Gesicht lesen. Es war ihm unangenehm.

„Hanni, Sie sind die Legitimation einer neuen Zeit. Einer neuen Regierung. Einer neuen Generation. All diejenigen, die andere Pläne für Deutschlands Zukunft geschmiedet haben, sind hinter ihnen her. Wollen Sie aus dem Weg schaffen, bevor Sie den Thron besteigen können."

„Aber wer ist das genau. Wer steckt dahinter? Ich möchte einfach nur verstehen, wer die größte Gefahr für mich darstellt."

„Wir hatten diese Diskussion doch bereits", versuchte er aus dem prekären Gespräch auszubrechen. Aber Hanni wollte noch nicht aufgeben. Sie musste weitere Informationen aus ihm herausbekommen, ohne zu verraten, wie viel sie bereits wusste. Dass sie sich der unsichtbaren toten Adeligen bewusst war. Dass sie Kenntnis davon hatte, dass sie die nächste auf der Liste war.

„Nein. Ich weiß, dass die Rechten, die Linken und dazu noch die Bundeswehr hinter mir hier ist. Aber was sind ihre Namen? Was sind ihre Geschichten? Was sind ihre Gründe, warum zählt nur mein Tod?" Der Kanzler stützte seine Ellenbogen auf den Tisch und senkte seinen Kopf in die Hände.

„Hanni, das Thema ist sehr komplex. Wir haben die Rechtsstaatlichkeit bereits vor Jahren verlassen. Vor allem die extremen Gruppierungen stehen den Tod als das einzig legitime Mittel, um Gefährder aus dem Weg zu schaffen. Der Tod ist endgültig."

Operation Pik Dame | ✔️Where stories live. Discover now