Kapitel 25: Ouvert

23 7 12
                                    

Bei all den Ereignissen der Woche folgt die Zeit nur so dahin, aber die Aufregung blieb. Als Hanni Freitagnacht um die altbekannte, einsame Straßenecke bog und den verbeulten, schwarzen Wagen dort stehen sah, beschleunigte sie ihre Schritte. Das Wasser des Regenschauers, der den Schmutz und den Staub der letzten Tage vom Glas der Häuserfassaden gewaschen hatte, sammelte sich in kleinen, schwarzen Seen auf dem Asphalt. Jedes Mal, wenn sie im schwachen Licht der Laternen eine Pfütze traf, fluchte sie leise. Ihre schwarzen Turnschuhe waren schon völlig durchnässt, ihre Kapuze war klamm.

Am Auto angekommen öffnete Hanni die Tür des Wagens und huschte hinein. Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich in den Sitz fallen. Sie war allein an diesem Abend. Bevor sie sich anschnallte und bevor das Auto losfuhr, beugte sich Hanni nach vorne und griff unter den Frontsitz.

„Ich werde es heute Abend nicht schaffen, dich abzuholen", hatte Konstantin am Nachmittag zu ihr gesagt. „Steig in den Wagen, er ist bereits programmiert und wird mich auf dem Weg abholen. Unter dem Frontsitz findest du wie gewohnt deine Flasche Bier." Dabei hatte er ihr zugezwinkert.

Es dauerte nicht lange, da ertastete Hanni mit ihren Fingerspitzen das kühle Glas der Flasche. Sie lächelte, richtete sich wieder auf und drehte den Drehverschluss. Das Bier zischte. Konstantin war ein Perfektionist, er dachte wirklich an alles. Nach dem ersten, kühlen Schluck klemmte sie die geöffnete Flasche Bier zwischen ihre Oberschenkel und griff nach dem Sicherheitsgurt.

Sie zog das widerspenstige Ding zur Seite und drückte es in den Verschluss, da wurde die Seitentür gewaltvoll aufgerissen. Jemand legte sich über sie, riss den Gurt los und umfasste ihr Handgelenk. Mit einem Ruck wurde sie aus dem Wagen gerissen und fand sich auf ihren Beinen wieder. Die Flasche Bier zerschellte auf dem feuchten Asphalt.

„Renn!", schrie sie jemand an und in diesem Moment realisierte sie, dass es Alberts Stimme war. „Renn!", schrie er erneut, während er sie mit sich zog. Beinahe wäre sie über ihre eigenen Beine gestolpert, sie konnte sich gerade noch fangen. So rannte sie, flog beinahe hinter ihm her, ihr Handgelenk noch immer in seinem viel zu festen Griff gefangen. „Schneller!", schrie er, seine Stimme heißer. Sie fragte nicht warum, sie folgte seinen Anweisungen. Die Panik in seiner Stimme ließ ihre Instinkte den Bewegungsapparat übernehmen.

Als sie sich gute 20 Meter vom Auto entfernt hatten, hörte Hanni ein kurzes, leises Klicken hinter sich, bevor die Welt um sie herum explodierte. Sie spürte, wie sie Albert am Arm nach vorne drückte, sie zu Boden fiel und er auf ihr landete.

„Kopf runter", schrie er und Hanni duckte sich unter ihm. Bereits da rollte die Druckwelle über sie, es flogen Splitter aus Glas, Metall und Kunststoff durch die Gegend, durchbohrten alles, das nicht geschützt war. Ritzten sich in den Putz der Häuser und ließen Solarglas zerspringen. „Trägst du deine Schutzmembran?", fragte er mit kratziger Stimme direkt neben ihrem Ohr.

„Ja", antwortete sie und dankte dem Himmel dafür.

„Weiter", kommandierte Albert, stand auf, nahm ihre schmerzende Hand und zog sie hoch. „Schneller!" Sie rannte ihm hinterher, ließ sich von ihm ziehen. „Ich habe Pik Dame, wir biegen in die Bellevuestraße ein. Lauft uns entgegen. Gebiet sichern", sprach er in seinen Smartcontroller, der den Sturz und die Explosion offenbar unbeschadet überstanden hatten.

Kurz bevor sie das Ende der Häuserreihe erreichten, wagte es Hanni, ein Blick über die Schulter zu werfen. Sie sah, wie gleißende Flammen am Gerippe des kleinen, schwarzen Autos nagten. Wie sich eine dicke Rauchwolke den Weg gen Himmel bahnte. Wie andere Autos, die durch die Druckwelle und die Metallsplitter zerbeult oder sogar umgestoßen waren.

Und als sie in diesem Moment realisierte, was gerade geschehen war, setzte ihr Herz einen Schlag aus.

Sie war einem Attentat entkommen.

Operation Pik Dame | ✔️Where stories live. Discover now