Kapitel 7: Mischen

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Die halbe Nacht lag Hanni wach und spulte Alberts Worte wieder und wieder in ihrem Kopf ab. Wie konnte er nur? Wie konnte er so etwas sagen, so ungerecht sein? Sie hatte viel gelernt in den letzten Wochen, sie gab sich Mühe, bildete in den Abendstunden sogar weiter. Und er hatte die Nerven, zu seinem Vater zu gehen? Was erwartete er, dass ein Wunder geschah und sie ausgetauscht würde? Durch einen Roboter ersetzt? Lächerlich.

So war sie am nächsten Morgen nach dem Aufwachen nicht nur besonders hungrig, sondern auch besonders schlecht gelaunt. Und nachdem Albert den Schulungsraum betraten hatte, stellte sie fest, dass das Gespräch mit seinem Vater offensichtlich auch ihm auf das Gemüt geschlagen hatte. Er war noch steifer, starrer und widerspenstiger als sonst. Die Grässlichkeit seines Pullunders übertraf die all seine Vorgänger, Hanni wagte es kaum einen zu genauen Blick darauf zu werfen.

Als er sie wieder einmal damit aufzog, dass sie nicht aufpassen konnte, da geschah es: Ein unsichtbarer Schalter in Hannis Kopf klappte lautlos um. Sie hatte keine Lust mehr auf sein Spiel. Wollte nicht permanent der Blitzableiter für seine schlechte Laune sein. War noch immer beleidigt und enttäuscht von seinen nächtlichen Worten. Alles kam in diesem Moment zusammen. Zur Hölle, dachte sie sich, sie war die zukünftige Kaiserin dieses Landes! Warum sprach er überhaupt so mit ihr?

„Sie sind so schlecht drauf, mit Verlaub, ich glaube Sie brauchen dringend Sex." Ihre Worte schienen ihn so sehr zu überraschen, dass er blitzschnell seinen Kopf hob und ihr direkt in die Augen blickte. Er schaute nicht durch sie hindurch oder an ihr vorbei, wie er es sonst in ihren unzähligen gemeinsamen Stunden tat, nein, er starrte sie an. Als ihre Worte nach einigen Sekunden vollends eingesunken waren, legte er schließlich den Kopf in den Nacken und besaß die Frechheit, schallend laut zu lachen.

„Stellen Sie sich zur Verfügung?", fragte er provokativ zwischen zwei lauten, ungekünstelten Lachern. Damit ließ er ihre Wangen mit voller Absicht glühen. Sie war sich sicher, dass er ihr beweisen wollte, dass sie auch diese Art von Argumentationen nicht gegen ihn gewinnen konnte.

„Gott bewahre", sagte Hanni und schob sie die Ärmel ihres Pullovers so weit nach oben, dass sie die Spitze ihres Tattoos sehen konnte: ihren Anker, ihren Ruhepol. „Im Eifer des Gefechtes würde ich Sie doch noch nicht einmal aus Ihren lächerlichen Pullundern herausbekommen." Zu ihrem Verdruss ließ ihn diese Antwort nur noch lauter lachen. Funken der Wut bildeten sich hinter ihren Augäpfeln, drohten ihm durch ihre Augen entgegenzusprühen.

„Ich sage Ihnen, dass ist Ihr Verlust, nicht meiner."

„Da bin ich mir nicht so sicher." Sie stand auf, es hatte keinen Sinn mehr, mit ihm hier zu sitzen. Geschweige denn, mit ihm weiter zu diskutieren! Sie war auf 180 und er war nicht nur stur, sondern auch völlig uneinsichtig. Und das letzte Thema, über das sie mit ihm sprechen wollte, war Sex. „Wir machen jetzt eine frühe Mittagspause", sagte sie, räumte kurz ihre Notizen auf einen Stapel und schob ihren Stuhl unter den Tisch.

„Ich bin noch nicht fertig!", donnerte er, erhob seinen Finger wie ein Oberlehrer. Sein Lachen war verstummt.

„Doch, das sind Sie. Ich kann eh nichts mehr in meinen Kopf aufnehmen. Also bis später."

„Johanna!" Dabei drehte sie sich um, ließ einen wutentbrannten Albert hinter sich und verließ den Raum. Sie wusste, dass er es ihr heimzahlen würde. Er würde sie quälen mit besonders langweiligen Texten, er würde sie beleidigen und schlecht behandeln. Aber es war ihr in diesem Moment egal.

Die Wut trieb sie voran. Sie musste fort von ihm. Fort aus diesem spannungsgeladenen Raum. Raus, an die frische Luft. Musste den Wind in ihren Haaren spüren, der zu jeder Tages- und Nachtzeit um die Türme der Burg strich. Musste die Gedanken an in loswerden. Musste wieder abkühlen und einen klaren Kopf bekommen.

Operation Pik Dame | ✔️Where stories live. Discover now