Kapitel 14: Deckblatt

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Es war seltsam, dachte Hanni, während sie mit abwesendem Blick auf die mit Leckereien gefüllten Silberplatten vor sich auf dem Tisch starrte. Von einem auf den anderen Tag war Albert in ihr Leben geplatzt und hatte es mit vielen Worten ausgefüllt. Hatte ihren Tagesrhythmus bestimmt. Hatte sie mit seiner spießigen Oberlehrerart dazu gezwungen, sich zu verändern und in ihre Rolle hineinzuwachsen. Hatte sie auf Distanz und gleichzeitig in Atem gehalten. Und nun, da ging er einfach durch die Tür und war fort. Ergriff die Flucht, ohne nach einem langen, angespannten Flug zunächst etwas zu essen oder zu trinken. Es schien, rannte er bei der ersten Gelegenheit davon – vor ihr.

„Essen Sie, Hanni!", riss sie der Kanzler aus ihren Gedanken. Als sie ihn anschaute sah sie, dass auch er seinen Blick noch auf die Tür gerichtet hatte, durch die Albert gerade getreten war. Ganz so, als ob auch er noch an ihn dachte. Hanni nickte.

„Natürlich." Sie lud sich nach und nach verschiedene Häppchen und Schnittchen auf den Teller, konnte aber die Gedanken an Albert noch nicht abschütteln. Sie wusste nicht einmal, wie es mit ihnen weitergehen sollte. Theoretisch war er ihr ziemlich hypothetischer zukünftiger Ehemann! Und auch wenn sie ihn partout nicht haben wollte, so hatte sie nicht einmal eine Möglichkeit, ihn direkt zu kontaktieren. Sie seufzte schwer, schüttelte kaum merklich den Kopf und begann damit, sich cremige Häppchen in den Mund zu schaufeln und dabei zumindest noch etwas damenhaft auszusehen.

Nachdem auch der Kanzler in Ruhe einige Schnittchen verschlungen hatte, räusperte er sich und begann zu sprechen. Zunächst führte er ganz nach Protokoll belanglosen Smalltalk über das Wetter und ihren Flug, dann erzählte er ihr etwas zu ihrem neuen Zuhause.

„In diesem Schloss hat Jahrzehnte lang niemand mehr gelebt, es wurde nur als Dienstsitz genutzt. Als Wohnhaus des Bundespräsidenten hat immer eine Stadtvilla fungiert. Aber für eine Kaiserin...", er fand ihren Blick und zwinkerte ihr zwischen zwei Häppchen zu, „... da muss es ein Schloss sein, keine Villa. Allein schon aus repräsentativen Gründen." Als sie fertig gegessen hatten, bat er sie aufzustehen und ihm zu folgen. Er öffnete die Tür des kleinen Salons zum Flur und führte sie über eine Treppe in das Obergeschoss. Vor einem durch eine Sicherheitsschleuse abgetrennten Bereich kam er zum Stehen und nickte zwei Sicherheitsleuten zu, die Hanni aufmerksam musterten. Als sie ihre Blicke einfing senken beide ihre Köpfe. Für Hanni war dies die Bestätigung, dass diese beiden bereits in den geheimen Plan eingeweiht waren.

„Alles meine besten Leute hier", kommentierte der Kanzler das Ganze und übergab Hanni eine kleine, unscheinbare Plastikkarte. „Diese Karte in Zusammenhang mit dem Scan Ihres Gesichtes ermöglicht Ihnen den Zugang zu Ihren Gemächern. Die Sicherheitsleute stehen am Tag hier zur Unterstützung, in der Nacht wird das System von außen verriegelt." Er selbst zog eine Karte aus der Hosentasche, legte sie auf den Scanner und trat durch die Schranke. Zwei schwere Sets von Stahltüren schwangen auf und ließen ihn ein. Hanni folgte hastig. „Es sind nur eine Handvoll Leute bevollmächtigt, diesen Bereich zu betreten. Ihre Sicherheitskräfte, Ihre Servicepersonale, Ihre Tutoren und ich. Alle weiteren Menschen kommen nur in Begleitung und unter vorheriger Absprache zu Ihnen. Sie können also beruhigt sein: Hier sind Sie sehr sicher." Hanni nickte, warf einen Blick zurück auf die stählernen Sicherheitstüren, die gerade wieder zu schwangen. Kurz flackerte das Bild der beiden Spielkarten vor ihrem inneren Auge auf und sie griff sich an die Brust. Der Kanzler beachtete sie nicht, trat einige Schritte weiter den Gang entlang und öffnete eine weiße Tür.

„Kommen Sie, Hanni!" Damit führte er sie hinein in ihr neues Reich. Hanni erfuhr, dass sie fünf Zimmer im Obergeschoss ihr Eigen nennen würde. Sie besaß ein Schlafzimmer, an das ein erstaunlich gut gefüllter begehbarer Kleiderschrank anschloss, ein Bad, ein Wohnzimmer mit großer Fernsehwand und ein Büro. Das Büro nahm den meisten Raum ein und war am traditionellsten eingerichtet. Mit großem, massivem Eichenholzschreibtisch und schweren Regalen, auf denen unzählige Bücher und Ordner platzgefunden hatten. Ebenfalls befand sich ein kleines Sofa unter dem Fenster und ein kleiner Meeting Tisch in der Ecke. An der Wand hinter ihrem Schreibtisch thronte das Wappen der Hohenzollern, das ihr mittlerweile nur zu bekannt war.

Operation Pik Dame | ✔️Where stories live. Discover now