Kapitel 11: Freiwerfen

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Hanni hatte wenig gelächelt, in den letzten Jahren. Vermutlich hatte sie noch weniger gelacht. Schon weit vor Tante Peggys Tod waren sie seltener geworden, die Abende an denen sie Eierlikör getrunken und sich gegenseitig beim Kartenspielen betrogen hatten. An denen der Bauch vor lauter Lachen wehgetan hatte und Tränen über ihre Wangen gelaufen waren. Auch an der Arbeit hatte es wenig zu lachen gegeben. Schließlich waren ihre Arbeitskollegen vor allem Programme basierend auf künstlicher Intelligenz gewesen, die sie strukturierte, optimierte und modellierte. Und keine wirklichen Menschen, über die man schmunzeln konnte oder mit denen man in der Mittagspause herzlich lachte.

Doch nun schien es, als würde sich das Blatt wenden. Als sei mit dem immer stärker werdenden Frühling auch ein Teil des Lachens zurückgekehrt. Als sei es mit Konstantin über die steinerne Brücke, durch das hölzerne Burgtor hinein in die Burg spaziert. Daran konnte auch die ominöse Spielkarte nichts ändern, die noch immer unter Hannis Bett klebte.

Denn seit Konstantins Ankunft wurden Hannis Tage aufgeteilt. Sie starte zwar am Morgen weiterhin mit Albert, doch wechselte sie nach dem Mittagessen zu Konstantin. Und während sie beim Frühstück und beim Abendessen alles Wichtige mit Franz Friedrich besprach, so füllte sie ihre Pausen und Lücken in ihrem durchgetakteten Lebensplan mit Konstantin, anstatt auf der Bank auf der Terrasse zu sitzen und in das ständig wandelnde Grün der Umgebung zu starren. Er kannte unzählige lustige Geschichten und Anekdoten, die sie unterhielt und zum Lachen brachten. Und selbst zu Albert und Franz Friedrich hatte er immer einen spitzen Kommentar auf der Zunge, wenn die beiden nicht in Hörweite waren. Überhaupt schien Konstatin Albert nicht sonderlich zu mögen und wich ihm immer dann aus, wenn er konnte. Aber das gelang ihm nicht immer, denn häufig trafen sie sich alle beim Mittagessen im Speisesaal.

So geschah es auch, dass Albert schnell bemerkte, dass sich Hanni von Konstantin duzen ließ. Noch am Tisch hatte Hanni sehen können, wie sich seine Miene missbilligend verzogen hatte. Später am selben Abend lauerte er ihr dann im Treppenhaus auf und fing sie auf dem Weg in ihr Zimmer ab. Er bat sie, ihm in die Bibliothek zu folgen und während sie sich auf den Stuhl am Schreibtisch setzte, ging er auf und ab.

„Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, ohne dass es völlig verklärt klingt... Aber nimmt dich in Acht vor Konstantin!" Hanni wurde etwas rot, überrascht von seiner Warnung und dessen, was er damit implizierte. War er doch sonst so distanziert und sachlich.

„Wie meinst du das?", fragte sie, versuchte mit Sachlichkeit das Rot in ihren Wangen zu vertreiben.

„Er ist der größte Spieler im ganzen Inlandsgeheimdienst. Er hat seine Rolle dort nur bekommen, weil er die freien Journalisten und vor allem die Journalistinnen so gut bezirzen kann. Und scheinbar hat er dort auch irgendjemanden bezirzt, um hier her zu kommen. Denn ich sage dir, wenn ich die Wahl gehabt hätte, ich hätte ihn postwendend wieder aus dem Burgtor geschickt."

„Aber er macht bisher einen guten Job. Und er ist sehr zuvorkommend."

„War es seine Idee dich zu duzen?" Hanni zuckte mit den Schultern.

„Es war meine."

„Wie kommst du dazu? Hast du nicht aufgepasst als ich dir gesagt habe, dass du sehr sparsam mit dem Du umgehen sollst? Das Du wird heute viel zu inflationär verwendet. Schau nur, wo es uns hingebracht hat. Jeglicher Respekt, jegliche Haltung ist verloren gegangen." Sein Blick schweifte ab, unruhig fuhr er über die mit Büchern gefüllten Regalbretter.

„Reg dich ab", sagte Hanni zu Albert, fühlte sich äußerst unwohl. „Danke für deine Warnung, aber du musst dir keine Sorgen machen. Mein Herz ist fest verankert in der Brust, verborgen unter einem eisernen, mittelalterlichen Keuschheitsgürtel. Den wird auch er nicht öffnen können."

Operation Pik Dame | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt