87 - [Widerlich]

659 135 20
                                    

"Es ist so widerlich." Jimin stellte sein Glas ab. "Warum will ich immer und immer mehr, obwohl es so widerlich ist?"

"Die natürlichen Instinkte." Erklärte ich. Ich nahm das Glas und wollte mich wieder in die Küche zurückziehen. Jimin hielt mich aber davon ab.

"Warum hast du mir das angetan? Warum- du hättest mich auch sterben lassen können." Ich verharrte in meiner Position, sah ihn nach ein paar Momenten an.

"Ist... ist das dein Ernst?"

"Natürlich ist es mein Ernst! Erkläre es mir!"

Ich stellte das Glas auf den Sofatisch ab, blieb aber stehen. "Jimin, ich habe dich geliebt. Ich habe dich versucht zu retten. Und... kurz bevor der Unfall passiert ist, hast du gesagt, dass du viel aushalten würdest, um mit mir zusammen zu sein." Ich stoppte für einen Moment. "Ich bereue es, dir das angetan zu haben, glaub mir. Es tut mir leid."

Jimin, anders als erwartete, fing an zu weinen. "Du hast mich geliebt?"

"Nun... ja?" Wir haben das doch auch offen und ehrlich gesagt. Warum fragt er so eine Frage? Ich dachte, das wäre klar.

Er weinte stärker weiter. "Hast? Du tust es nicht mehr?"

Oh, verstehe.

Ich setzte mich mit etwas Abstand neben ihn. "Jimin, darf ich ehrlich mit dir sein?" Er nickte, wischte sich über sein Gesicht. "Das wird jetzt gemein sein, aber ich muss es dir sagen. Wenn ich dich anschaue, ist es schwer...- du bist nicht mehr mein Jimin. Jimin, der Mensch, ist... weg. Ich weiß, man verändert sich mit der Verwandlung. Du bist nicht... mein Jimin."

Sein Weinen stoppte. Plötzlich wütend sah er mich an. "Dann bringst du mich schon zurück, verbannst mich für ein ewiges Leben..! Und dann liebst du mich nicht einmal mehr!" Er schubste mich wütend vom Sofa.

Durch seine unkontrollierbare Stärke wurde ich wirklich hart geschubst. Vom Sofa weg flog ich gegen die nächste Wand.
Schmerzerfüllt lag ich dann auf dem Boden und hielt mir meinen Kopf. Nach einigen Sekunden sah ich zu Jimin, der erschrocken seine Hände ansah. "Yoongi", seine Stimme war zittrig. "Hilf mir. Bitte."

Ich stand auf, sah die Wand, die nun eine Delle hat, kurz an. "Ich helfe dir bei deinem restlichen Leben. Das schulde ich dir." Mein Kopf tat nicht mehr lange weh, nur ein paar Sekunden.

---

"Hier." Jimin nahm das Glas schnell und hatte es nach wenigen Sekunden ausgeleert.

"So widerlich." Murmelte er und gab mir das Glas zurück. Dann legte er sich wieder auf das Sofa und sah scheinbar gedankenlos auf den Bildschirm.

"Jimin", ich setzte mich zu ihm auf das Sofa. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seinen Arm und strich über ihn. "Es geht vorbei."

"Geht es nicht. Du bist schon fünfhundert Jahre lang ein Vampir und willst immer noch sterben."

Mein Streicheln stoppte für einen Moment. "Nein, will ich nicht. Nicht, wenn ich mein restliches Leben mit... dir", oder das, was du mal warst, "verbringen kann."

Langsam sah Jimin zu mir. "Du hast gesagt, du liebst mich nicht mehr."

"Es ist schwer, das zu erklären..."  Es kann doch keine Beziehung zwischen uns stattfinden, solange ich mich schuldig und schrecklich fühle und er mich wahrscheinlich mehr als die betrunkenen Fahrer hasst.

Jimin seufzte traurig und schloss seine Augen. Nach ein paar Momenten rollten ihm Tränen über die Wangen. "Weißt du, was das Dumme an der Sache ist?"

"Nein." Es gibt viele "dumme" Sachen an dieser... Sache.

Er öffnete seine Augen wieder und sah mich an. "Ich sollte wütend auf dich sein. Ich gebe alles darauf, meine Wut auf dich zu lenken. Aber tief in mir drinnen weiß ich, ich bin schuld an dieser Situation."

"Wie das?"

"Ich wollte den Ausflug machen, ich wollte nicht früher wieder wegfahren- wären wir früher gefahren, dann wären wir nicht angefahren wurden. Und dann habe ich dir wirklich eine Sekunde vor dem Unfall gesagt, ich würde viel aushalten, um mit dir zusammen zu ein." Er ließ seinen Kopf auf das Sofa fallen, sah an die Decke. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
"Und so mehr ich darüber nachdenk, um so mehr kann ich nachvollziehen, warum du mich verwandelt hast. Wärst du am Sterben und es gäbe eine Möglichkeit, wenn auch eine grausame, dich zu retten... Ich hätte es auch getan."

Ich wollte antworten. Wirklich. Aber so genau weiß ich nicht, was ich sagen soll. "Jimin..." Sei nicht wütend auf dich? Wir sind beide Schuld? Hättest du auf mich gehört, dann wären wir früher nach Hause gefahren! Heißt das, du vergibst mir?
"Das ewige Leben war die meiste Zeit meines Lebens nicht toll", gab ich einen ganz anderen Einsatz. "Aber weißt du, seitdem ich dich kenne... da ist mein Leben wieder lebenswert geworden."
Er schluckte und sah wieder zu mir, feuchte Augen. Er wollte etwas sagen, aber ich ließ ihn nicht dazu kommen. "Ich habe mich seit Jungkooks Frage, was ich ohne dich machen werde, eben genau dieses gefragt. Und so sehr ich es auch bereue, dich mit meinem Biss verflucht zu haben... ein Teil von mir ist wirklich erleichtert, dass mein Leben vielleicht nicht nur die nächsten fünfzig Jahre toll sein wird, sondern vielleicht... für immer." Ich strich an seinem Arm herunter, bis zu seiner Hand, die ich dann nahm.

"Yoongi..."

"Was ich eigentlich mit meinem Geplapper sagen will, ist, dass wir beide nicht mehr so traurig herumliegen sollten, sondern das Beste aus unserer Situation machen können- und sollten." Ich lächelte und verband unsere Finger. "Gemeinsam." Ein Versuch ist es wert. Man muss auch mal positiv denken, nicht?

"Gemeinsam", wiederholte Jimin und setzte sich auf. Dann, und ich kann es kaum fassen, hoben sich seine Mundwinkel an. Ehe ich mich versah, umarmte er mich, was mich fast zerquetsche, weil er seine Kraft noch nicht kontrollieren kann.

"Jimin, deine Kraft." Presste ich hervor und musste mir eingestehen, dass er sich wohl genau so gefühlt hat, wenn ich ihn umarmt habe... als er noch ein Mensch war.

Er ließ zum Glück lockerer. "Auch wenn du mich nicht mehr so liebst, wie früher... Mein Herz hat sich für sich entschieden und lässt sich nicht so schnell dazu überreden, jemand neuen auszuwählen."

Ich schloss meine Augen und musste auch lächeln. Das hier, ja, das hier ist doch wirklich mein Jimin. Das hier ist kein kaltes Monster, das mich hasst. Vielleicht wird er sich nicht so verändern, wie Minho es getan hat. Oh. Ist es das, was mich stört? Immer noch Minho? Habe ich Angst, dass Jimin auch so wird. Verdammter Typ macht mir immer noch mein Leben schwer.

"Was ich damit sagen will", erklärte Jimin nach einem Moment, in dem ich nicht geantwortet habe. "Ich liebe dich."

Erleichterung machte sich in mir breit und Dank dieses Gespräches fühlte ich mich freier, machte mich nicht mehr ganz so fertig wegen einfach allem.

"Ich lieb dich doch auch."

𝐄𝐭𝐞𝐫𝐧𝐚𝐥 | ʸᵒᵒⁿᵐⁱⁿWhere stories live. Discover now