Kapitel 1

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POV - Lauren Fallmont

Als der Wecker klingelte fühlte ich mich so unvorbereitet wie noch nie in meinem Leben.
Müde tastete ich in der Dunkelheit nach diesem um ihn endlich auszuschalten.
Das penetrante Piepen verstummte und ich ließ mich zurück in die Kissen sinken.
Es war Montag.
Genau genommen, Montag nach den Winterferien.
Draußen war es immer noch dunkel, doch der Schnee spendete zumindest etwas Helligkeit, um dem Winterdepressionen entfliehen zu können.
Heute war mein erster Tag an einer neuen Schule.
Ich hatte ein Stipendium bekommen, an einer der bekanntesten und normalerweise teuersten Schulen des Landes.
Es war eine unglaubliche Arbeit gewesen, den Anforderungen der Woldingham School gerecht zu werden.
Doch ich hatte es geschafft.
Mein Abitur würde ich also die nächsten eineinhalb Jahre an dieser Schule absolvieren.
Danach würde mir die Welt offen stehen, vorausgesetzt mein Abschluss war gut.
Ich schlug die Bettdecke zurück und sofort verschwand die angenehme Wärme und wich der eisigen Kälte die durch das geöffnete Fenster hinein kam.
Ich war aufgeregt, das konnte ich nicht leugnen. Die ganze Nacht hatte ich unruhig geschlafen und mein Herz hämmerte hörbar in meiner Brust.
Schnell stand ich auf, schloss das Fenster und drehte die Heizung auf.
Bis ich vom Joggen zurück war, wäre es hier wenigstens schön warm.
Ich ging ins Bad und suchte mir dort meine Sportsachen zusammen die ich anzog.
Mit einem Blick auf die Uhr musste ich feststellen das es bereits 5:30 Uhr war.
Ich musste mich heute also etwas ranhalten um meine übliche Strecke zu schaffen.
Ich schnappte mir mein Handy, die Kopfhörer und den Schlüssel bevor ich die Wohnung verließ.
Ich stöpselte mir meine Musik in die Ohren und lief die zwei Stockwerke nach unten.
Ich trat aus dem Haus heraus und kalte, klare Luft empfing mich.
Es waren mindestens Minus 10 Grad.
Schnell lief ich los in Richtung Park, der ganz in der Nähe war.
Die kalte Luft peitschte mir ins Gesicht und spätestens jetzt war ich endgültig wach.
Doch das Laufen tat mir gut. Jeder Schritt hatte ein System. Jeder Schritt war dazu da mich weiter nach vorne zu bringen. Wenn ich lief gab es nur mich und die Musik. Nur meinen mehr oder weniger regelmäßigen Atem und meine Beine die sich immer weiter bewegten.
Keine Stunde später war ich schließlich wieder vor meiner Haustür angekommen, lief die Treppen nach oben und ließ schließlich die Tür ins Schloss fallen.
Ich musste mir keine Gedanken machen jemanden zu wecken, denn ich lebte bereits alleine, da meine Eltern weit weg auf dem Land wohnten.
Der Weg jeden Tag bis in die Stadt war einfach zu weit und so hatte ich bereits meine eigene Wohnung bekommen. Sie war nicht groß und auch nicht besonders schön, aber sie reichte aus und irgendwie war sie genau das, was ich gebraucht hatte.
Ich streifte mir die schweißnassen Sachen ab und sprang erst einmal unter die Dusche.
Das heiße Wasser rieselte auf mich nieder und durchnässte meine braunen Haare.
Schnell duschte ich mich um danach noch meine Haare zu föhnen und mich anzuziehen.
Als ich schließlich fertig war, starrten zwei stahlgraue Augen in den Spiegel und betrachteten kritisch das Ergebnis.
Doch lange hatte ich keine Zeit dazu, denn die Zeit drängte und so schnappte ich mir schleunigst meinen Rucksack, einen Apfel und mein Handy bevor ich meine Wohnung schon wieder verließ.
Es war immer noch bitterkalt als ich mich auf den Weg zur U-Bahn machte, denn die inzwischen aufgegangene Sonne hatte noch nicht genug Kraft um die Welt von ihrer Eisschicht zu befreien.
Ich lief schnellen Schrittes durch die Straßen, gefolgt von einigen anderen Leuten die wohl das gleiche Ziel wie ich hatten.
Nun hatte ich endlich die U-Bahn Station erreicht und lief die Treppen hinunter, durch das Drehkreuz und stand dann am Bahnsteig.
Meine Bahn fuhr ein und der Fahrtwind wirbelte Staub und alte Zeitungen auf die durch die Gegend flogen, bevor sie langsam, ganz sanft, wieder zu Boden glitten.
Ich stieg ein und ließ mich auf einen der grau-melierten Sitze fallen.
Die U-Bahn war noch trostloser als diese Stadt an sich.
Die Bahn setzte sich in Bewegung und ich nutzte die Zeit, um noch einmal in meine Bücher zu schauen und die wichtigsten Dinge zu wiederholen, denn das letzte was ich wollte, war mich zu blamieren.
Wie würde die neue Schule sein? Würde man mich akzeptieren? Würde ich die erforderlichen Leistungen bringen können?
Ganz in Gedanken versunken zog die Landschaft an mir vorbei und ich schreckte erst auf als die Durchsage: „Nächste Station - Surrey Street" ertönte, schnell erhob ich mich und schulterte meine Tasche.
Die Bahn bremste und das morgendliche Domino der Passagiere begann, welche sich nicht richtig festgehalten hatten.
Unter murmelnden Entschuldigungen öffneten sich die Türen und ich stieg aus.
Es ging einige Treppen nach oben und dann immer die Straße runter.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest das ich ganz gut in der Zeit lag.
Ich hatte noch eine halbe Stunde, bevor die Schule begann und sollte mich erst in 15 Minuten im Sekretariat melden.
Ich kramte in meinen Taschen herum und fand schließlich wonach ich suchte.
Eine Packung Zigaretten und ein Feuerzeug.
Das Rauchen war seit Jahren mein Laster und trotz dessen das ich täglich joggen ging, wurde ich es einfach nicht los.
Ich fischte eine der Glimmstangen aus der Packung und klemmte sie mir zwischen die Lippen, bevor ich sie anzündete.
Der Qualm flutete meine Lungen und genießerisch schloss ich kurz meine Augen.
Ich entließ diesen wieder aus meiner Lunge und setzte meinen Weg fort.
Bald war ich in der Straße der Schule angekommen, in welcher sich bereits viele SchülerInnen tummelten.
Als ich vor der Schule stand staunte ich nicht schlecht.
Vor mir befand sich ein riesiges Gebäude dessen Ende ich gar nicht erblicken konnte und welches aus roten Ziegeln bestand.
Schwere, dunkle Holzfenster waren in die Mauern eingelassen worden und kleine Türme zierten das mit schwarzen Ziegeln gedeckte Dach.
Ein pompöser Eingang war in einigen Metern Entfernung zu erkennen in welchen die Schülermassen strömten.
Ich wusste, dass das Grundstück der Schule knapp drei Quadratkilometer umfasste und das man auch ebenfalls hier im Internat wohnen konnte, jedoch hatte es auf den Bildern nicht annähernd so riesig gewirkt. Es war unglaublich beeindruckend und gleichsam nicht minder einschüchternd.
Immer noch etwas fasziniert zog ich weiter an meiner Zigarette, bis ich auf einmal etwas anderes meine Aufmerksamkeit erregte.
Eine unheimliche Präsenz schien mich einzuhüllen, wie kalter Nebel nachts auf einer Landstraße. Unwillkürlich spannte sich mein Körper an, als ob alle Muskeln darin beschlossen hatten sich für eine Flucht bereitzuhalten.
Ich wandte mein Blick vom Haus ab und sah mich um, um herauszufinden von wem oder was diese Präsenz ausging.
Und dann entdeckte ich sie.
Sie hob sich aus der Masse von SchülerInnen deutlich ab und alle machten ihr sofort Platz. Es war als würde sie einen Bannkreis um sich führen, denn niemand schien sich näher als zwei Meter an sie heranzutrauen.
Eine Frau, vielleicht Ende 20 wenn ich schätzen müsste, mit einem grauen Bleistiftrock, hohen Absätzen und einem schwarzen Mantel steuerte zielsicher auf die Tür zu.
Sie hatte ihre blonden Haare zu einem strengen Dutt gebunden und ihr Gang war mehr als graziös und zielstrebig.
Sie war so präsent, das sie gleichzeitig alle zu verängstigen schien, denn der Bereich um die Tür war auf einmal wie leer gefegt.
Die Zigarette in meiner Hand war längst vergessen.
Ich starrte einfach nur diese Frau an, unfähig mich zu bewegen oder irgendwas zu denken.
Ihre ganze Erscheinung hatte mich völlig okkupiert. Mein Blick schien wie festgenagelt und nichts in mir, wollte ihn von dieser Frau abwenden. Sie hatte die Tür schon fast durchschritten, da sah sie auf einmal zur Seite und ihr eiskalter Blick traf mich direkt. Er schien sich förmlich in mich zu bohren. In mir zog sich alles zusammen.
Vor Schreck ließ ich meine Zigarette fallen und stand wie zu Schock gefroren da.
Doch ihr Blick spiegelte nur pure Verachtung wieder.
Sofort senkte ich den Blick, denn ich konnte ihr nicht standhalten. Konnte diesem Eisregen rein gar nichts entgegenhalten.
Im Stillen betete ich, sie würde einfach weiter gehen und das tat sie zum Glück auch.
Ich hörte wie sich ihre Absätze entfernten und wie die schwere Tür des Eingangs ins Schloss fiel. Der Geräusch der Tür schien unendlich laut. Fast schmerzhaft in meinen Ohren.
Es fühlte sich an, als würde eine Last von meinen Schultern abfallen und meine Organe wieder ihren ordnungsgemäßen Platz einzunehmen. Leicht panisch holte ich zum ersten Mal seit zwei Minuten Luft. Der Sauerstoff flutete meine Lungen und brachte wieder Leben in meinen Körper. Die Zigarette auf dem Boden war längst erloschen.
Was zur Hölle war das gewesen? Und vor allem wer war diese Frau?

Dominate meWhere stories live. Discover now