Kapitel 30

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POV - Lauren Fallmont

Es war schlichtweg einfach unglaublich, Alicia stammte tatsächlich von der gleichen Insel die ich meine Heimat nennen durfte.
Wenn ich mal wieder bei meiner Familie war, würde ich meine Mutter auf jeden Fall nach „Nyström" fragen, sie kannte damals gefühlt die ganze Insel. Ich war lange nicht mehr auf Gotland gewesen. Meine Eltern hatten ihr Haus dort nie verkauft, es lag mitten im Nirgendwo an der Steilküste mit Blick aufs Meer. Ich hatte dieses Haus geliebt. Im Vergleich dazu war mein winziges Apartment in diesem renovierungsbedürftigen Mehrfamilienhaus ein ganz schöner Rückschritt. Ich durfte niemals den Ofen einschalten und mir gleichzeitig im Bad die Haare föhnen, da sonst im gesamten Haus der Strom ausfiel. Ich saß oft unerwartet im Dunklen, wenn es mal wieder jemand in einer der anderen Wohnungen vergessen hatte. Ich vermisste Gotland wahnsinnig, wie mir jetzt erst wirklich bewusst wurde.
So schön es aber auch gewesen war mit Alicia eine Gemeinsamkeit zu finden, umso gedrückter war die Stimmung nun.
Ich hatte eine Menge Whisky in mich kippen müssen um überhaupt diese Sätze herauszubringen und Alicia schien es nicht anders zu gehen.
Die Stimmung war angespannt, erdrückend und es fühlte sich an, als würde jedes falsche Wort, einen Erdwall auslösen welcher uns mit sich in den Abgrund zog.
Ich wusste nicht was ich erwarten sollte.
Heute Morgen hatte sie mich abgewiesen, war mir aber zugleich nachgerannt um mich um ein Gespräch zu bitten.
Wollte sie mich jetzt humaner abservieren?
Oder hatte sie tatsächlich darüber nachgedacht was sie wollte?
Ich wusste es nicht und jede Sekunde mehr der Stille nagte an meinen Nerven.
Nervös trommelte ich mit meinen Fingern gegen das Glas in meinen Händen und fabrizierte damit einen eher unschönen, hellen Klang der die Stille durchbrach.
Alicia neben mir schwenkte ihren inzwischen fünften Whisky im Glas umher und starrte die bernsteinfarbene Flüssigkeit so konzentriert an, als würde sich darin eine Antwort verbergen.
>>Weißt du...<<, setzte sie irgendwann an und etwas erschrocken blickte ich auf, denn ich war in Gedanken versunken.
>>Eigentlich müsste ich dich abweisen und dich wegschicken. Am besten müsste ich umziehen, den Staat wechseln und den Namen wechseln, denn wenn das raus kommen würde was zwischen uns passiert ist, würde ich ins Gefängnis wandern und meine Eltern nie mehr froh werden, aber ich kann es nicht. Du hast mich gefragt ob ich dir widerstehen kann, ob ich mich von dir fern halten kann.<<, redete sie drauf los und ich hörte ihr so aufmerksam zu, wie noch nie.
Was wollte sie mir damit sagen?
Das sie gehen würde?
Das sie mich nicht so wollte wie ich sie?
>>Ah es macht mich verrückt, das ich nicht vernünftig handeln kann sobald du in meiner Nähe bist<<, sagte sie und bettete den Kopf in den Händen, wobei sie sich die Schläfen massierte.
Irgendwie war das süß.
Ich zog meine Knie zum Kinn und umschloss meine Beine mit den Armen.
Unentschlossen wie ich darauf reagieren sollte, wippte ich vor und zurück und sah starr aus dem Fenster.
Ich wartete ängstlich auf das große „Aber", welches all die schönen Worte ihrerseits wieder zerstören würde und mich innerlich zerschlagen würde.
Dieses „Aber" das mich wieder weinend in der Dusche sitzen ließ und mich nachts stundenlang wach hielt.
Aus welchen Gründen auch immer, waren Alicias Launen und Entscheidungen für meinen emotionalen Zustand verantwortlich.
In ihrer Nähe zu sein war etwas, dass ich inzwischen nicht mehr fürchtete, ich genoss es, ich wollte es.
Ihre Sachen rochen so verdammt gut nach ihr, das ich eigentlich nur noch in diese eingekuschelt einschlafen wollte, so fertig war ich.
Noch lieber wollte ich mit ihr zusammen einschlafen.
Doch das würde wohl nichts werden, denn immer noch versuchten wir eine Lösung für ein Problem zu finden, das Gesetzte und Moral geschaffen hatten.
Vielleicht hatten wir es auch selber geschaffen.
Geschaffen durch Gefühle die nicht da sein sollten, durch Nähe die sich so unglaublich gut anfühlte und gleichzeitig eine so verführerische Fälsche mit sich brachte.
Durch Autoritätsgrenzen, die wir vergessen, geradezu mit gutem Gefühl, beiseite geschoben hatten um uns voll und ganz nah zu sein.
So waren wir das Problem, das ein größeres Problem geschaffen hatte, an dem wir nun verzweifelt hingen.
Fast wie ein Seil um unseren Hals, während unsere Fußstütze immer weiter weggezogen wurde und es nur eine Frage der Zeit war, bis es uns das Genick brechen würde.
Bis die letzten Atemzüge gequält unseren Körper verlassen würden und wir zappelnd und röchelnd versuchten dem Tod zu widerstehen, während er in langsamen Schritten immer näher auf uns zu kam.
Oh man, ich musste dringend an meiner Metaphorik arbeiten.
Etwas aufbauendere Vergleiche, würden diese Situation wohl auch irgendwie weniger unangenehm machen.
Alicia hatte immer noch nicht weiter gesprochen, starrte stattdessen ebenfalls gedankenverloren aus dem Fenster.
Immer noch regnete es in Strömen und ich war umso froher, hier drinnen vor dem warmen Kamin zu sitzen und nicht mehr dort draußen zu stehen.
>>Ich weiß einfach nicht was ich tun soll, ich weiß was richtig wäre, aber ich weiß auch das es sich nicht richtig anfühlen würde<<, fuhr sie nun leise murmelnd fort und sah dabei weiter aus dem Fenster.
>>Was genau heißt das?<<, fragte ich sanft, um die ruhige Atomsphäre nicht auszureizen.
Alicia antwortete nicht gleich.
Stattdessen biss sie sich nervös auf der Unterlippe herum und umklammerte ihr Glas fester.
>>Ich kann dir nicht widerstehen, selbst wenn ich es versuchen wollen würde und deshalb kann ich mich auch nicht von dir fern halten. Das macht es mir nicht leicht gerade eine vernünftige Entscheidung zu treffen<<, platzte es schließlich aus ihr heraus und sofort leerte sie ihr Glas im Anschluss.
Ich musste ein Lächeln unterdrücken. Immerhin trafen wir uns halbwegs auf der selben Ebene.
Ich goss mir ebenfalls nach und genoss es als die Flüssigkeit sich brennend einen Weg in meinen Magen suchte.
Alicia hingegen hatte den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen.
Ich konnte mir vorstellen wieviel Überwindung sie das gerade gekostet hatte.
Wieder war es still zwischen uns.
Ich wollte etwas sagen.
Ich musste etwas sagen, aber ich suchte immer noch nach den richtigen Worten.
>>Alicia...<<, sagte ich schließlich leise und endlich hob sie den Kopf, mehr hatte es nicht gebraucht, nur ihren Namen aus meinem Mund.
Sie sah mir in die Augen, in diesem Meerblau schimmerte etwas unergründliches und es entfachte Stürme in mir.
Stürme der Unvernunft, des Verlangens, der Neugier.
Alicias Mundwinkel hatten sich um ein paar Millimeter nach oben bewegt, wenn auch nur für ein paar Sekunden.
Sie hatte gelächelt.
Dieses Lächeln bedeutete mir in dem Moment mehr als tausend Leben, als alles Geld der Welt und als jeder Reichtum, denn dieses Lächeln war echt gewesen.
>>Und was bedeutet das jetzt?<<, fragte ich leise und hatte Mühe ihr weiter in die Augen zu sehen, denn Alicia schien selber nicht zu wissen, was sie damit eigentlich genau ausdrücken wollte.
>>Ich möchte, dass wir das alles auf uns zukommen lassen, es bringt weiß Gott nichts, mich krampfhaft von Dir fernzuhalten und auch wenn ich dir eigentlich nicht Nahe sein darf, will ich es doch, also lass uns uns sehen wie sich das alles entwickelt<<, sagte sie nun hastig und der Alkohol tat wohl auch seinen Teil, das sie endlich mal auf ihr Herz und nicht ihren Verstand hörte.
Ich war inzwischen auch definitiv gut betrunken, weshalb einige Sekunden brauchte, bis mein Gehirn ihre Worte verarbeitet hatte.
Das..., war keine Abfuhr gewesen. Das, war ein Eingeständnis. Das war eine Chance.
Ich konnte mein Lächeln nun nicht mehr unterdrücken, wollte es auch gar nicht. Dieses erdrückende Gefühl in der Brust schien sich endlich zu lösen und zum ersten Mal seit Stunden konnte ich wieder atmen.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Alicia begehrte mich, wie ich sie. Sie wollte mich.

Dominate meWhere stories live. Discover now