Kapitel 19

1.6K 104 2
                                    

Lauren Fallmont POV

Den Sonntag verbrachte ich mit Schokoeis und in meinen größten Pullover gehüllt auf der Couch, während ich mir schreckliche Filme ansah.
Doch auch das wollte mich nicht wirklich aufmuntern heute.
Meine Gedanken drehten sich geradezu penetrant um Miss Morgan.
Sie hatte mich eiskalt abserviert und raus geworfen.
Im Nachhinein fühlte es sich umso beschissener an.
Sie hatte mich geküsst, mit zu sich genommen und dann auf einmal nicht mal mehr beachtet.
Ich hatte nicht erwartet das es ihr irgendwas bedeutet hatte, der Kuss, die Nähe, aber das es ihr so egal war, damit hatte ich auch nicht gerechnet. Es war, als wäre ich ein ihr zu langweilig gewordenes Spielzeug, dass sie einfach weggeworfen hätte.
Es hatte sich so unglaublich angefühlt, so irreal und neu und ich hatte es genossen.
Miss Morgan hatte mich erst in den siebten Himmel und dann Richtung Erdkern geschossen. Niemals zuvor war es einer Frau gelungen mich binnen Sekunden willenlos zu machen. Ich würde für sie jederzeit auf die Knie gehen.
Ah Gott, warum hörten diese Gedanken nicht auf? Warum war ich wie ein Primat auf maximale Befriedigung gepolt?
Der Tag zog einfach nur an mir vorbei und am Abend war ich froh als ich im Bett lag.
Doch ich konnte nicht schlafen.
Mein Kopf war voller Gedanken und Sorgen was den morgigen Tag anging.
Morgen war wieder Schule, das bedeutete ich würde sie wieder sehen und das eigentlich schlimme war, das ich sie im Unterricht hatte.
Ich hatte keine Ahnung wie ich das überstehen sollte, oder wie ich ihr entgegentreten sollte.
Diese Gedanken hielten mich wach, sie machten mich ängstlich und geradezu wahnsinnig.
Stundenlang rollte ich mich im Bett hin und her in der Hoffnung irgendeine Position zu finden in der ich einschlafen konnte.
Ich klammerte mich an meine Decke und jedes Mal wenn ich die Augen schloss, stellte ich mir vor es wäre Miss Morgan und ihr Körper an den ich mich klammerte, so wie die letzte Nacht.
Ihr Geruch klebte in meinen Erinnerungen und ließ meine Nase blind für andere werden.
Ich wollte nichts anderes mehr riechen, ich wollte jetzt, in diesem Moment, sie neben mir haben, sie riechen und spüren während ich einschlief.
Doch stattdessen lag ich alleine hier in meinem Bett und vermisste eine Frau der ich völlig egal war.
Wieso zur Hölle vermisste ich sie eigentlich?
Als der Morgen anbrach lag ich immer noch hell wach in meinem Bett.
Ich hatte keine Stunde geschlafen und dementsprechend ausgelaugt fühlte ich mich.
Ich quälte mich also wieder aus dem Bett und schnappte mir meine Zigaretten bevor ich nur im Morgenmantel bekleidet auf meinen Balkon trat und mir eine ansteckte. Hier würde sie mich wenigstens nicht dafür zur Rechenschaft ziehen.
Eigentlich rauchte ich nicht vor dem Frühstück, aber ich brauchte das Nikotin jetzt einfach. Ich brauchte die beruhigende, immer gleiche Bewegung. Das Ein- und Ausatmen.
Ich war so nervös das meine Hände zitterten und ich hoffte, mich irgendwie wenigstens mit Rauchen beruhigen zu können.
Die Luft war immer noch kalt, aber langsam schien es Frühling zu werden, denn in der Ferne ging die Sonne langsam auf und tauchte die Stadt in goldenes Licht.
Der Rauch flutete meine Lungen, das Nikotin schoss durch meine Blutbahn und meine Angst nahm stetig zu.
Nicht mal das Rauchen konnte mir helfen.
Nachdem ich duschen war und mir Toast mit kalten Bohnen reingezwängt hatte, schnappte ich meinen Rucksack und begab mich nach unten.
Stacy wartete schon vor der Tür.
Ich stieg ins Auto und begrüßte sie mit einer schnellen Umarmung.
>>Oh Fallmont, du siehst fürchterlich aus. Hast du nicht geschlafen?<<, fragte Stacy sofort, während sie Gas gab.
>>Nicht wirklich<<, murmelte ich müde und lehnte den Kopf an die Scheibe.
>>Wie war der Abend mit Misses Wood?<<, fragte ich direkt danach, um weiteren Fragen von Stacy aus dem Weg zu gehen. Wie sollte ich auch erklären warum ich mich so fühlte, wie ich mich fühlte ohne die Wahrheit zu erzählen und das durfte ich nicht. Niemals durfte irgendjemand davon erfahren, was in der letzten Woche alles passiert war.
Stacy antwortete nicht sofort und nun sah zu ihr rüber und musste feststellen das sie recht nervös auf ihr Lenkrad trommelte. Das Geräusch stresste mich.
>>Naja..., ich habe mich ordentlich mit ihr betrunken<<, erwiderte sie nur knapp und bremste indem Moment scharf, weswegen ich mich an meinen Gurt krallen musste.
>>Dämlicher Idiot<<, murmelte Stacy genervt und meinte damit wohl den Autofahrer vor uns, der trotz erlaubten 100 gerade mal 60 fuhr.
>>Was heißt ihr habt euch ordentlich betrunken?<<, fragte ich argwöhnisch.
Stacy kratzte sich kurz verlegen am Hinterkopf, bevor sie den Sonntagsfahrer vor uns überholte.
Sie antwortete nicht gleich sondern schien sich erst einmal voll und ganz auf den Überholvorgang konzentrieren zu wollen.
>>Naja wir haben halt getrunken und sie hat noch mehr gebechert als ich und naja dann kam eben ein Gespräch zustande, offenbar geht es ihr momentan mit ihrer Ehe nicht so gut und so...<<, erzählte sie schwammig was in mir eine dunkle Vorahnung weckte, die ich um Gottes Willen nicht bestätigt haben wollte.
Es reichte schon, dass ich sämtliche Grenzen des gesunden mit Miss Morgan überschritten hatte. Stacy sollte das gleiche bloß nicht mit Misses Wood passieren.
>>Stacy du hast doch bitte nicht....?<<, setzte ich fragend an doch sie unterbrach mich.
>>Um Gottes Willen nein, Fallmont wo denkst du hin, wir haben uns jeglich unterhalten, das war alles<<, würgte sie mich sofort ab was mich erleichtert aufatmen ließ.
Reichte schon das ich Probleme mit Miss Morgan hatte, wenn Stacy jetzt auch noch mit Misses Wood in Konflikt geraten würde hätten wir ein wirkliches Problem, denn das die beiden gute Freunde waren, hatten wir ja inzwischen festgestellt.
Die Fahrt nahm ein jähes Ende als wir auf den Parkplatz der Schule einbogen und ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück kam, nämlich das ich in nicht einmal vier Stunden Miss Morgan wiedersehen würde.
Wir stiegen aus und schulterten unsere Rucksäcke bevor wir uns zum Eingang begaben.
>>Hier Kaugummi, die Morgan wittert doch sonst auf hundert Meter wenn du geraucht hast<<, meinte Stacy und steckte mir gleich eine ganze Packung zu.
>>Danke, bis nachher<<, murmelte ich noch bevor sich unsere Wege trennten.
Ich stapfte zum Literaturzimmer nur um dort festzustellen das dieses menschenleer war.
Das konnte doch nicht wahr sein.
Genervt lief ich zurück zum Vertretungsplan, an dem ich schlussendlich feststellen musste, das Literatur heute ausfiel.
Die Schule war inzwischen wie leer gefegt, denn alle befanden sich schon in ihren Klassenzimmern.
Toll, ich hatte jetzt also 90 Minuten Zeit die ich irgendwie rum bringen musste.
Rauchen wäre eine Idee, aber wo?
Im Wald? Zu riskant, Miss Morgan könnte es mitkriegen. Ich sollte diesen Platz bis zum Ende meiner Schullaufbahn definitiv lieber meiden.
Das Gelände verlassen? Auch zu riskant, ein Lehrer oder Misses Green könnten mich sehen.
Dann blieb mir nur noch das Dach.
Missgelaunt stapfte ich also in den vierten Stock.
Dort angekommen sah ich mich vorsichtig um.
Niemand zu sehen, ich spürte auch weder Miss Morgan's Anwesenheit, noch roch ich sie oder ähnliches.
Trotz dessen schlich ich alle Gänge einmal entlang, nur um sicher zu gehen.
Niemand zu finden und auch niemand zu hören.
Ich schlich mich zur Tür der Kammer in der sich die Leiter zum Dach befand, nur um dort feststellen zu müssen das diese verschlossen war.
Fuck, ich konnte keine Schlösser knacken und Stacy saß im Unterricht.
Das wars dann mit dem Rauchen.
Genervt wandte ich mich um und betrachtete nachdenklich die Türen an den Wänden, die in all die alten Klassenzimmer führten.
Eigentlich wäre es doch auch eine willkommene Ablenkung, einfach in einem der Zimmer sich zu verkriechen und dort etwas zur Ruhe zu kommen.
Also klinkte ich an jeder Tür und tatsächlich war einer der Räume nicht abgeschlossen.
Schnell verschwand ich in diesem und schloss die Tür hinter mir.
Als ich mich umdrehte staunte ich nicht schlecht.
Haufenweise Bücher und andere Antiquitäten stapelten sich hier.
Es fanden sich alte Möbel, Bilder und ja sogar Geschirr.
Der Raum schien wie ein Lager für all das zu sein, was man nicht übers Herz gebracht hatte wegzuschmeißen.
In der letzten Ecke fand sich sogar ein altes Sofa, dessen Samtbezug inzwischen so verblichen war, das nicht klar welche Farbe es mal gehabt hatte.
Diese Dinge lagerten sicher seit Jahren hier.
Etwas zu euphorisch begann ich die ganzen alten Bücher durchzusehen, darunter fanden sich wirkliche Klassiker wie Faust, Romeo und Julia oder Hamlet, aber auch für mich unbekannte Werke.
Doch auch Fachbücher über Medizin, Jura, Psychologie oder Astronomie.
Ich blätterte begeistert durch die Bücher und stieß bald auf eines was mein Interesse wecken sollte.
Es war ein altes Buch, die Seiten waren bereits vergilbt und der Einband verstaubt, doch in großen weißen Lettern fand sich der Titel „Die Psychologie der Dominanz" geschrieben.
Automatisch erschien das Bild von Miss Morgan vor meinem inneren Auge. Allein der Titel beschrieb ihren Charakter mehr als treffend.
Interessiert schnappte ich mir dieses und ließ mich auf dem alten Sofa nieder, welches gefährlich quietschte und eine kleine Staubwolke entließ.
Ich legte die Füße hoch und schlug die erste Seite auf.
„Dominanz und Macht liegen nah beieinander, wer dominant ist hat Macht und wer Macht will muss dominant sein."
Dieses Zitat sprang mir als erstes entgegen, doch es gehörte nicht zum eigentlichen Buch, jemand hatte es mit blauer Tinte hinein gekritzelt, doch von wem das Zitat stammte, stand nicht darunter.
Ich blätterte weiter und begann zu lesen.
Das Buch befasste sich hauptsächlich mit dem Wirken von Dominanz und wie mächtig die Dominanten sind.
Allerdings auch mit der Gegenseite, den Devoten, den Unterwürfigen und umso weiter ich das Buch las umso mehr hatte ich das Gefühl, es würden sich so viele unterschiedliche Ebenen auftun, das ich am Ende nicht mal mehr klar sagen konnte, was genau ich eigentlich gelesen hatte.
Zudem wurde mir mit jeder Zeile bewusster, das ich wohl offensichtlich eher eine devote Person war, denn alle aufgeführten Eigenschaften trafen fast nahtlos zu.
Ich schreckte erst aus meinen Gedanken als die Schulklingel mir das Ende des ersten Blocks vermittelte.
Schnell sprang ich auf, packte das Buch in meinen Rucksack und verließ den Raum.
Das würde ich heute Abend zu Ende lesen, aber wenn mich ein Lehrer im vierten Stock erwischen würde, dann gäbe das Ärger.
Schnell begab ich mich also wieder nach unten und gliederte mich in die Massen an SchülerInnen ein die durch den Gang strömten.
Die Gedanken allerdings immer noch bei dem eben gelesenen.
Jetzt wo ich so genau darüber nachgedachte, erklärte es diese Anziehung, diese Spannung zwischen Miss Morgan und mir.
War sie doch eine sehr dominante Person, war ich eher devot, doch ich war öfter aus meiner Rolle ausgebrochen und sie hatte mich durch ihre Machtbefugnisse folglich bestraft.
Damit hatte sie versucht das Gleichgewicht wieder herzustellen, doch hatten wir beide dieses immer wieder gestört. Gut, vor allem wohl ich.
Völlig in Gedanken versunken, bemerkte ich nicht wie mich immer mehr Menschen anstarrten. Erst als mich jemand direkt ansprach, sah ich auf.
>>Fallmont, du wirst ausgerufen, du sollst in Sekretariat<<, meinte ein Junge zu mir, ungefähr 15, mit struppigen schwarzen Haaren.
Verdattert sah ich ihn an, doch in dem Moment ertönte erneut die Durchsage über die Lautsprecher.
>>Lauren Fallmont bitte ins Sekretariat, ich wiederhole Lauren Fallmont<<, kam die hohe Stimme von Misses Green durch die Lautsprecher und schallte in den Gängen wieder.
Überrascht setzte ich mich in Bewegung und lief zum Sekretariat.
Was wollte Misses Green von mir? Ein ungutes Bauchgefühl stellte sich automatisch bei mir ein.
Dort angekommen klopfte ich und betrat das Zimmer.
>>Guten Morgen Misses Green, ich sollte hier her kommen?<<, grüßte ich sie bemüht freundlich und sah sie gleichzeitig fragend an.
Misses Greens Miene war so unfreundlich wie immer. Nach dieser Schule brauchte ich erstmal eine Delfin-Therapie.
>>Ganz richtig Miss Fallmont, es geht um ihre Aufnahme an der Schule<<, sagte sie und erhob sich schnell um zum Tresen zu kommen der in der Mitte des Raumes stand.
Mein Magen begann Saltos zu absolvieren. Mit allen Mitteln versuchte ich die Übelkeit zu unterdrücken.
Verdammt, das hatte ich total verdrängt.
>>Nun...<<, begann Misses Green und richtete ihre Brille.
>>Wie es aussieht kann ich Ihnen mitteilen das Sie an der Schule angenommen sind, jedoch muss ich Sie erneut auf die Hausordnung hinweisen. Es gab vor allem von einer Person im Lehrerkollegium starke Einwände gegen Ihre Aufnahme, sollte sich Ihr Verhalten nicht bessern, so sieht die Schule sich gezwungen Ihren Vertrag zu kündigen. Diesmal hatten Sie auf Grund Ihrer guten Noten Glück, lassen Sie es sich eine Lehre sein<<, sagte sie tadelnd und sah mich streng an.
Ich nickte, die Freude darüber aufgenommen worden zu sein, wich der Wut und dem Entsetzen über die Beschwerde, denn ich wusste ganz genau von wem diese kam.
>>Wenn Sie bitte hier einmal unterschreiben würden<<, forderte mich Misses Green auf und deutete mit ihrem faltigen Finger auf das Ende des Schulvertrages.
>>Aber natürlich Madam<<, erwiderte ich bemüht ruhig und unterzeichnete.
>>Dann können Sie jetzt in Ihren nächsten Kurs gehen<<, meinte sie nur kühl und wandte sich ab, wobei sie sich eine scheuchende Handbewegung nicht sparen konnte.
>>Auf Wiedersehen Misses Green<<, sagte ich noch bevor ich aus dem Raum verschwand.
Ich war so wütend. Ich war so enttäuscht. Ich war so entsetzt. In mir kochte es. In meinem Kopf brannte eine Sicherung durch.
Miss Morgan war damit eindeutig zu weit gegangen!

Dominate meWhere stories live. Discover now