Kapitel 5

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POV - Lauren Fallmont

Ich schlüpfte in meine Sportsachen, stöpselte mir Musik in die Ohren und verließ schnellen Schrittes das Haus. Ich lief meine übliche Runde. Jeden Morgen lief ich an meiner Haustür los, folgte der Straße bis zu ihrem Ende, bog einmal rechts in die Kingsstreet ab gefolgt von einem scharfen Schlenker durch eine kleine Gasse die die Kingsstreet mit der
Green Avenue verband und lief weiter in den angrenzenden Park. Wenn man mich entführen wollen würde, dann wäre das wohl gar nicht so schwer. Vielleicht sollte ich doch mal meine Runde verändern. Ich versuchte mit dem Takt der Musik zu laufen, versuchte mich auf meinen Atem und meine Schritte zu konzentrieren, doch immer wieder schweiften meine Gedanken ab. Ich war unkonzentriert und müde. Irgendetwas an Miss Morgan und ihrem Verhalten beschäftigte mich nachträglich. Vielleicht war es auch nur sie als Person, aber meine Synapsen hatten sich bereitwillig auf sie eingeschossen. Warum beschäftigte mich das so? Klar, sie hatte mir gestern durchaus emotional zugesetzt, aber warum konnte ich das nicht einfach abschütteln, wie bei allen anderen Menschen auch?
Ich lief und lief während mir die kalte Luft entgegenschlug und bemerkte kaum wie die Zeit verging, bis ich wieder vor meiner Haustür stand. Offensichtlich hatte sich die Runde schon so in mein Gedächtnis eingebrannt, dass ich sie ganz unterbewusst verfolgte. Ich sollte wirklich dringend die Strecke wechseln.
Ich lief die Stufen der alten Holztreppe nach oben und unter knarzen und einem sehr beunruhigen wackeln trugen sie mich zu meiner Wohnung. Nachdem ich duschen war und mir gerade ein Toast einverleibt hatte, hupte es bereits vor meiner Tür, was wohl Stacy ankündigte.
Schnell verließ ich meine Wohnung und lief nach unten, ich öffnete die Tür und stieg in das warme Auto.
>>Na Fallmont, gut geschlafen?<<, fragte Stacy sofort während sie das Auto in Bewegung setzte und wir die Straße entlang bretterten.
>>Bestens und du?<<, log ich.
Ich hatte keine große Lust mich erklären zu müssen, denn ich konnte es mir selber nicht erklären, was diese Träume zu bedeuten hatten. Nicht, dass man mir meine Augenringe nicht ansehen würde, aber auch Stacy schien müde. Es war die Schulzeit, da schliefen wir alle zu wenig.
>>Hätte länger sein können<<, gähnte Stacy nur und bremste scharf an der roten Ampel vor uns, was mich erschreckt die Augen aufreißen ließ.
Stacy's Fahrstil war beim besten Willen nicht gerade gut und ich fürchtete noch mehr um mein Leben, als nachts in der U-Bahn.
Sie schaltete allerdings nur das Radio an und unter leisem Summen ihrerseits setzten wir die Fahrt fort, bis wir schließlich auf dem Parkplatz der Schule standen.
Wir stiegen aus und Schulterten unsere Rucksäcke bevor wir erstmal begannen zu rauchen.
>>Was hast du jetzt?<<, fragte Stacy neugierig, während sie an ihrer Zigarette zog.
>>Biologie und du?<<, fragte ich.
>>Englisch<<, erwiderte sie und rollte gelangweilt mit den Augen.
Ich wollte so eben zu einer Antwort ansetzen, als mich die mir bereits bekannte Aura traf.
Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich spürte wie mein Körper bereits wieder begann zu Eis zu erstarren.
Sofort ließ ich meine Zigarette fallen und trat diese aus, bevor ich mich panisch umsah.
>>Kippe aus...<<, zischte ich Stacy zu welche mich völlig verdattert ansah.
>>Fallmont was...?<<, setzte sie fragend an während ich ihr die Zigarette aus der Hand riss und austrat.
Keine Sekunde später erschien Miss Morgan in unserem Blickfeld und sofort begann mein Herz wieder in einem ungesund schnellen Takt zu schlagen.
Auch Stacy hatte sie nun gesehen und presste genervt die Lippen aufeinander, während Miss Morgan mit forschendem Blick auf uns zu kam.
Schnell kickte ich die Zigarettenstummel unter das Auto und versuchte mich möglichst unauffällig hinzustellen.
Ich spürte ihren musternden Blick und sah nun auf. Sie war nur noch knappe zwei Meter von uns entfernt. Sie war in einen langen schwarzen Mantel gehüllt, ihre Haare hatte sie hochgesteckt und ihre Hände steckten in schwarzen, ledernden Handschuhen. Mit erhobenem Kopf und selbstbewusstem Gang kam sie immer näher. Selbst auf diese Entfernung stachen ihren blauen Augen heraus und hoben sich von ihrer hellen Haut ab.
Mit aller Kraft versuchte ich ihrem Blick standzuhalten, der mich fest fixiert hatte. Etwas forschendes lag darin, als würde sie nur nach einem neuen Grund suchen um mir eine Strafe aufzudrücken.
Nun war sie auf unserer Höhe. Der Geruch ihres Parfüms traf auf meine Nase während sich ein paar Strähnen sich aus der Fixierung gelöst hatten und durch den aufkommenden Wind ihr Gesicht umspielten.
Sie war unglaublich schön. Moment. Stopp. Was hatte ich gerade gedacht? Mein Hirn setzte aus und entschied sich für die wohl unnötigste Lösung in dieser Situation.
>>Guten Morgen Miss Morgan<<, grüßte ich sie scheinheilig.
Im selben Moment hätte ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen.
Das war mir so schnell und so provokativ rausgerutscht, das es mich nicht gewundert hätte, wenn sie mein Nachsitzen dafür um eine Woche verlängert hätte.
Eine Millisekunde schien sie ebenfalls überrascht zu sein, genauso Stacy die mich von der Seite fassungslos ansah.
Doch dann traf mich wieder ihr vernichtender Blick und sie nickte nur kalt zum Gruß.
Mein Herz hatte sich inzwischen verabschiedet und ich betete sie würde endlich weiter laufen, bevor ich zusammenklappen würde.
Ich ertrug ihre Präsenz trotz geballter Kraft meinerseits doch nur schwerlich.
Endlich war sie vorbei gelaufen. Der Wind hatte ihr Parfüm davongetragen und die eiskalte Januarluft schlug mir ins Gesicht.
Ich wartete noch bis sie um die Ecke war, bis ich endlich laut ausatmete.
Ich hatte gar nicht gemerkt das ich die letzte Minute die Luft angehalten hatte, aber als sich meine Lungen wieder mit Sauerstoff füllten, begrüßte mein Körper dies mehr als alles andere.
>>Du hast gerade dein Todesurteil unterschrieben Fallmont, jetzt kannst du nur noch beten<<, japste Stacy neben mir.
Vielleicht schon, aber ich ließ mich nicht von so ein bisschen Nachsitzen in die Knie zwingen.
>>Wir wären beide tot hätte sie die Zigaretten gesehen, jetzt hasst sie uns beide wenigstens auf dem selben Level<<, meinte ich schulterzuckend und gab mich wesentlich cooler als ich insgeheim war.
>>Das stimmt, du hast mir schon zum zweiten Mal den Arsch gerettet ich sollte dich zu meinem persönlichen Schutzengel ernennen<<, meinte Stacy anerkennend was mich nur lachen ließ. Meine zitternden Knie versuchte ich mit aller Macht zu verbergen.
Wir begaben uns in die Schule und dort trennten sich unsere Wege, während Stacy nach oben musste, begab ich mich ins Biologie Kabinett das sich im Keller befand.
Wer auch immer auf die Idee gekommen war, denn hier war es kalt und roch immer modrig.
Biologie wurde von einer kleinen, untersetzten Lehrerin unterrichtet, welche ohne Brille halb blind war.
Dementsprechend tattrig war sie auch.
Die Zeit verging heute nur schleppend und als es endlich klingelte, war ich die Erste die mit gepackter Tasche den Raum verließ.
Ich brauchte endlich etwas Nikotin was mir heute morgen ja verwehrt geblieben war.
Also stapfte ich durch den frischen Neuschnee der über Nacht gefallen war in den Wald um mich dort auf dem üblichen Baumstamm nieder zulassen.
Die kalte klare Luft umspielte mein Gesicht und ließ meine Haare leicht fliegen.
Stacy war noch nicht da, aber ich war auch sehr zeitig dran.
Es schien sogar etwas die Sonne und die vereinzelten Strahlen kitzelten mein Gesicht und ich schloss kurz genießerisch die Augen, während ich mir endlich eine Zigarette anzündete.
Der Rauch flutete meine Lungen, vernebelte mir für einen Moment die Sinne bevor ich ihn wieder aus meinem Körper entließ.
Ich rauchte entspannt weiter während ich einen Vogel beobachtete, der sich durch den Schnee wühlte, wahrscheinlich auf der Suche nach Nahrung.
Er tat mir fast etwas leid, denn er war niemals stark genug die feste Schneedecke zu durchbrechen die sich in den vergangen Wochen gebildete hatte. Doch durch die Sonne glitzerte alles um mich herum und es fühlte sich an wie ein Moment puren Friedens auf der Welt.
Ich wurde aus meiner Trance gerissen als ich auf einmal Schritte hinter mir im Schnee vernahm, was den Vogel davon jagte.
>>Na endlich, ich habe mich schon gefragt wo du bleibst Sta...<<, setzte ich an doch unterbrach mich in der selben Sekunde in meinem Redefluss.
Ich hatte es nicht sofort wahrgenommen, zu abgelenkt war ich von meinen Gedanken gewesen, doch nun spürte ich es ganz deutlich.
Diese kalte Aura. Das Gefühl als würden sich eiskalte Hände um meinen Körper schlingen und ihn immer weiter zusammenpressen.
Mir gefror das Blut in den Adern und ich traute mich nicht mich umzudrehen.
Still betend mein Körper würde sich irren, saß ich da, die Zigarette immer noch in der Hand und die Welt um mich herum schien schwarz zu werden.
Ich nahm den kalten Wind nicht wahr der durch den Wald fegte, einzig den Geruch eines sehr bekannten Parfüms und eine drückende Angst die sich immer schneller in mir ausbreitete.
Auf einmal spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und keuchte auf.
Ob vor Schmerz oder vor Schreck, ich konnte es nicht sagen.
Ich hatte das Gefühl die Stelle meiner Schulter die sie berührte würde innerhalb von Sekunden absterben, als würde flüssiger Stickstoff direkt auf meine Haut treffen und diese verätzen.
Mein Herz setzte einige Schläge lang aus.
>>Ich habe sie gewarnt Fallmont..., ich habe Sie gewarnt<<, zischte sie hinter mir und spätestens jetzt war alle Hoffnung verloren.
Die Zigarette fiel in den Schnee und erlosch dort mit einem leisen Zischen.
Nichts außer dem leisen Rascheln der Zweige der Bäume war zu vernehmen, denn ich war nicht in der Lage zu antworten.
Die Welt schien still zu stehen.
Tausende Dinge schossen mir durch den Kopf, doch ich war nicht in der Lage auch nur einen Satz zu formulieren.
Ihr Griff verstärkte sich und nun keuchte ich merklich auf.
Es war als würden ihre Finger sich in meine Schulter graben und sie mir ausreißen.
Ich spürte das sie verächtlich lächelte und es machte fast den Eindruck als würde sie es genießen mir Schmerzen zuzufügen.
Was zur Hölle dachte ich da? Einbildung nichts weiter!
>>Ich... Miss Morgan... das....<<, stotterte ich nun vor mich hin, wobei ich mich immer noch nicht traute mich umzudrehen.
Ich schaffte es immer noch nicht wenigstens einen kompletten Satz auszusprechen.
>>Was Miss Fallmont? Ist Ihnen die Arroganz vergangen?<<, fragte sie scharf und die Temperatur schien Nordpolgrade zu erreichen.
Das gehässige Lächeln war in ihrer Stimme zu hören.
Mein Körper begann zu zittern.
Was zur Hölle war das? Wieso reagierte ich auf kleinsten Körperkontakt ihrerseits so extrem?
Jetzt war eh alles verloren. Das war mein Ende, Nachsitzen und auch noch die Schulregeln gebrochen und das innerhalb von zwei Tagen.
Was würde die Schulleitung von mir denken?
Warum war ich immer so verdammt unvorsichtig?
>>Aufstehen<<, kommandierte Miss Morgan kalt.
Ich richtete mich mit einem Ruck auf, sodass ihre Hand von meiner Schulter los riss.
>>Schauen Sie mir gefälligst in die Augen<<, forderte sie wütend, denn immer noch stand ich wie ein unbewegter Eisklotz da.
Ich drehte mich langsam zu ihr um und versuchte ihr mit allem was ich aufbringen konnte in die Augen zu sehen.
Der Hass sprühte nur so aus diesen und sofort wollte ich wieder wegsehen, doch diesmal nicht.
Reiß dich zusammen Lauren, du schaffst das!
Mich innerlich anzufeuern hatte selten etwas gebracht, doch jetzt zeigte es Wirkung.
Stolz streckte ich den Kopf noch etwas nach oben und sah ihr ebenso kalt in die Augen.
Miss Morgan war leider größer als ich, was mich nicht annähernd so autoritär wirken ließ wie sie.
Sie hatte ihre Haare inzwischen zu einem Pferdeschwanz gebunden, was ihr einen noch strengeren Ausdruck verlieh als heute Morgen schon.
Ich wollte so eben zum sprechen ansetzen, mich entschuldigen, irgendwas retten, doch ihr kalter Blick machte alles wieder zunichte.
Ich schloss meinen Mund wieder und starrte den Boden an.
Möge er sich doch bitte auftun und mich verschlucken, sodass ich Miss Morgan nie wieder gegenüber treten musste.
Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen, ich schaffte es beim besten Willen nicht länger als ein paar Sekunden.
>>Dachte ich es mir doch<<, kam es leise von Miss Morgan wobei ihre Stimme vor Spott triefte.
Bitte konnte das nicht endlich enden? Könnte nicht ein Blitz einschlagen und mich treffen? Oder könnte nicht ein verrückter Axtmörder genau jetzt hier lang gerannt kommen und mich von meinen Leid erlösen?
Doch das Schicksal schien es nicht gut mit mir zu meinen, denn nichts davon traf ein.
>>Was mache ich denn jetzt mit Ihnen?<<, fragte Miss Morgan gespielt nachdenklich.
Sie wollte nur noch einmal ihre Macht demonstrieren und mich in die Knie zwingen und genau das erreichte sie auch. Sie wusste genau, dass sie am längeren Hebel saß und dass ich von ihr abhängig war. Sie hatte die Macht zu entscheiden und ich, ich hatte nichts was ich entgegensetzen konnte. Außer vielleicht die pure Ergebenheit.
>>Bitte Miss Morgan, ich flehe Sie an, bestrafen Sie mich, machen Sie mit mir was sie wollen, aber bitte melden Sie mich nicht beim Direktor<<, sprudelte es nur so aus mir heraus und ich sah sie flehend an.
Für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als würden ihre Augen bei meinen Worten einige Nuancen dunkler werden und als würden diese Funkeln, aber das war wahrscheinlich Einbindung.
Höchstwahrscheinlich lag es an dem Lichteinfall, der Reflexion des Schnees oder irgendwas anderem.
Denn nun sah sie mich genauso abwertend an wie davor auch. In ihrem Gesicht war nichts zu erkennen außer purer Verachtung.
>>Nachsitzen, die nächsten zwei Monate und nun Gehen Sie mir aus den Augen<<, zischte sie kalt. Ich zuckte zusammen.
Ich wusste nicht ob dies ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, aber ich traute mich nicht dies zu hinterfragen und kam ihrer Aufforderung sofort nach.
So schnell wie noch in meinem Leben floh ich aus dem Wald, weg von Miss Morgan.

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