Auf Umwegen

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Langsam setzte ich mich in Bewegung. Ich hatte keine besondere Lust, später wieder in meinem Zimmer fest zu sitzen, bis Demetri mich wieder holen kommen würde. Also beschloss ich, mir mehr Zeit zu lassen, als ich eigentlich gebraucht hätte. Solange ich mich nur auf dem vorgeschriebenen Weg aufhalten würde, konnte mein Mentor auch nichts dagegen sagen. Davon, dass ich mich beeilen sollte, war immerhin nie die Rede gewesen.

Tatsächlich fiel es mir erstaunlich leicht, den Geruch von Felix und mir wahrzunehmen. Es kam mir so vor, als ob unsere Gerüche offensichtliche Fußabdrücke hinterlassen hätten, allerdings konnte man sie nicht sehen. Während ich den Gang entlang ging, versuchte ich mir den Weg einzuprägen. Momentan musste ich mich relativ weit unter der Erde befinden. In jede Abzweigung sah ich hinein, an der ich vorbei kam. Aber viel zu sehen war nie. Es sah dort nicht anders aus, als auf dem Gang auf dem ich mich gerade befand.

Als ich an den Treppen ankam, die wieder ein Stück weit nach oben führten, begann ich mir zu überlegen, wohin ich als nächstes gehen musste, bevor mir die Spur den richtigen Weg zeigte. Vergessen hatte ich keinen Zentimeter des Weges, aber anders herum hatte ich sowas nie wirklich hin bekommen. Allerdings fiel mir auch das als Vampir erstaunlich leicht. Es war ja schon fast langweilig. Ich konnte mir vorstellen, dass kein Mensch gegen einen Vampir im Memory eine Chance hätte.

Kurz nachdem ich die Treppe passiert hatte und ein Stück gegangen war, kam ich an der kleinen Tür an. Felix hatte sich ganz schön zusammen falten müssen, um dort hindurch zu passen. Ich konnte einfach aufrecht hindurch gehen. Bei seinem Anblick hatte ich mich wirklich sehr zusammen reißen müssen, um ihn nicht auszulachen. Wahrscheinlich hätte mich das den Kopf gekostet. Ich drückte die Tür mit Leichtigkeit auf, obwohl es wieder eine sehr massive Eisentür war. Kaum hatte ich sie hinter mir aber wieder geschlossen, erstarrte ich regelrecht.

Plötzlich schlug mir ein Geruch entgegen, der erneut ein Inferno in meinem Hals entzündete. Wieder roch es unfassbar köstlich. Irgendwo hier musste sich ein Mensch aufhalten. Ich hätte niemals gedacht, dass hier jemand unbemerkt rein kommt. Bevor ich mir Gedanken darüber hätte machen können, drängte mein Instinkt all meine Vernunft und all meine Gedanken vollkommen in den Hintergrund. Alles was ich noch wahrnahm, war dieser süße Duft. Sofort versuchte mein Körper meine Beute zu finden. Ich wusste genau, in welche Richtung ich laufen musste, um an das Blut heran zu kommen. Ich zögerte keine Sekunde, ehe ich mich in Bewegung gesetzt hatte.

Den Menschen zu finden, fiel mir wesentlich leichter, als in einem Computerspiel anhand einer Karte den nächsten Kontrollpunkt zu finden. Man hätte mir genauso gut einen Weg auf den Boden zeichnen können. Je näher ich meiner Beute kam, desto verlockender wurde der Duft. Längst hatte ich den vorgeschriebenen Weg verlassen, also würde mir nicht mehr viel Zeit bleiben, bis Demetri mich eingefangen hatte. Aber ich konnte die Hitze des pulsierenden Blutes bereits fühlen, also konnte die Nahrungsquelle nicht mehr weit entfernt sein. Mir würde mehr als genügend Zeit bleiben, den Menschen anzufallen, ihn bis auf den letzten Tropfen auszusaugen und vielleicht sogar die Leiche zu entsorgen.

Ich begann die Frau zu hören. Sie trug hohe Schuhe, das Kleid das sie trug musste aus einem glatten Stoff bestehen, es raschelte kaum. Die Haare waren wohl zu einem Zopf zusammen gebunden, was mir nur zu Gute kam. Kaum bog ich um die nächste Ecke, sah ich sie auch schon. Sie musste mich bemerkt haben, als ich ein knurren nicht unterdrücken konnte. Entsetzt starrte sie mich an. Mit einem einzigen Satz stand ich bereits vor ihr und fixierte die einen guten Kopf größere Blondine an der kalten Mauer. Sie ließ einen Stapel Briefe fallen und schrie wie am Spieß, dabei hatte ich sie noch nicht einmal gebissen.

„Arina!" rief eine mir sehr bekannte Stimme. Erschrocken zuckte ich zusammen und wurde dadurch wieder in die Realität zurückgeholt. Ich begann zu realisieren, dass sich die Frau keinen Zentimeter rührte, die Augen fest zusammen gekniffen hatte und flach atmete. In meinem Blutrausch hatte ich nur ihr Herz wahrgenommen, selbst dieses penetrante Parfüm hatte ich nicht bemerkt. Bevor ich noch irgendetwas tun oder gar denken konnte, spürte ich eine Hand an meiner Kehle, ehe ich an die gegenüberliegende Wand gepresst wurde.

Ich wusste, dass ich jetzt mehr als in Schwierigkeiten steckte. Ich hatte den vorgeschriebenen Weg verlassen, die Anweisung meines Mentors vollkommen ignoriert und zu allem Überfluss auch noch einen Menschen anfallen wollen, der sich – wie auch immer so etwas möglich sein sollte – hier rein geschlichen hatte.

„Giulia, sparire!" knurrte Demetri. Die Frau klaubte panisch und mit zitternden Händen die Papiere zusammen und suchte so schnell sie konnte das Weite. Er sah ihr kurz hinter her, ehe er sich wieder mir widmete. Erst jetzt sah ich auch, dass Felix neben ihm stand. Ich schluckte schwer, als mich mein Mentor wieder anguckte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, da ihm ohnehin alles egal sein würde, was ich sagte. Ich konnte mir gut vorstellen, jetzt den Ärger meines Lebens zu bekommen. Er sagte nichts, als ich mit gesenktem Kopf auf den Boden starrte. Eigentlich hätte ich ja eine Standpauke erwartet, aber Demetri schwieg noch immer. Vorsichtig hob ich schließlich den Kopf und blickte ihn ängstlich an.

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Was glaubt ihr, wie Demetri auf ihre Aktion
reagiert? Wird er sie bestrafen?

Ja, das Kapitel ist eeeetwas kurz geraten, ich
weiß. Dafür geht es zur Abwechslung auch
schon am Montag weiter.

Die Schule der angehenden WachenWhere stories live. Discover now