Die letzte Hoffnung

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  „Arina! Was zur Hölle hast du getan?!" schrie mich Dementi sofort stinkt sauer an. Ich zog den Kopf ein. Dann erst realisierte ich aber, dass er damit Carlas Leiche neben mir meinte. Sofort sprang ich auf. Wenn es etwas gab, für das ich im Moment potenziell mehr Ärger bekommen würde, war es wohl nur die Jagd innerhalb der Stadt. Nach der Sache mit der Geheimhaltung unserer Existenz, gab es sicher kein anderes Gesetzt, dessen Einhaltung so erpicht kontrolliert, überwacht und vor allem bei einem Verstoß dagegen, hart bestraft wurde.

„Ich war das nicht!" verteidigte ich mich sofort und deutete auf die offensichtlich blutleere Leiche hinter mir. Die Bisswunde lag gut sichtlich an dem blassen Hals uns zugewandt. Die kurzen, blonden Haare waren vollkommen durchnässt, aber kein einziger Blutstropfen War der Wunde entwichen oder in ihrer Kleidung gelandet. Der Vampir musste verdammt viel Erfahrung haben und sehr gierig gewesen sein.

„Ach ja?! Abgesehen von dir ist hier niemand!" brüllte Demetri. „Du musst den doch riechen! Da war eben ein Vampir und hat sie getötet! Ich war nicht hier, als das passiert ist!" versuchte ich panisch zu erklären. Mir wurde auch schlagartig klar, wieso die beiden glaubten, dass ich Carla getötet hatte: der Regen. Der Regen War mittlerweile viel stärker geworden und hatte die Spur des Unbekannten fortgespült.

„Ich rieche überhaupt nichts, abgesehen von dir und Felix! Er War die ganze Zeit bei mir, also kann er es wohl kaum gewesen sein!" Mir jeder Sekunde die verstrich, zumindest kam es mir gerade so vor, wurde mein Mentor immer wütender. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, aber es schien fast so, als ob sich auch eine gehörige Portion Enttäuschung mit in seine schier unbändige Wut mischte. Eine tödliche Kombination. Zumindest, wenn ein Vampir so für einen empfand. Ich hatte ohnehin das Gefühl, dass das jetzt mein Ende werden könnte. So sauer wie Demetri im Moment auf mich war... Auch Felix, derjenige der mich seit meinem ersten Tag in dieser Schule im Kämpfen unterrichtet hatte, schien mindestens so sauer zu sein wie sein Kumpel. Allerdings mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass ihm seine Wut zwar anzusehen war, er aber keinen Ton vom sich gab. Allerdings reichte sein Blick vollkommen aus, um mich einzuschüchtern und mir einen eiskalten Schauer über den Rücken zu jagen.

„Das liegt sicher an dem Regen!" Egal, was ich sagte, ich hatte den Eindruck, dass das den Beiden vollkommen egal war. „Eine schlechtere Ausrede hast du nicht gefunden?!" schrie Demetri wieder. „Ich schwör dir..." setzte ich an, wurde aber sofort unterbrochen. „Halt den Rand!" Demetri funkelte mich wütend an, packte mich an der Schulter und drückte mich grob gegen die Steinmauer des Hauses neben uns. Ich bekam keinen Ton mehr heraus. Niemals hätte ich erwartet, ihn so wütend zu sehen. Ich bekam regelrecht Panik. Mein Instinkt meldete sich wieder. Ich sollte mich wehren. Immerhin war ich als Neugeborene viel stärker als er. Aber Felix war auch noch da. Das packst du schon, auch er ist schwächer. Einen Fluchtweg gibt es immer! Wieder dieses kleine Miststück Instinkt. Ich war froh, dass ich wenigstens den Drang danach, Demetri zu treten und schließlich abzuhauen, unterdrücken konnte. Mein Verstand war eben lauter. Zudem saß ich schon tief genug in der Schieße. Noch mehr Ärger konnte ich jetzt beim besten Willen nicht gebrauchen.

„Ich will nichts mehr von dir hören! Ich kann nicht glauben, dass ich mich so sehr in dir geirrt habe! Ich hab fest darauf vertraut, dass du vernünftig bist! Und dann sowas?! Erst haust du ab, missachtest meine Anweisungen und zu allem Überfluss brichst du die zweitwichtigste Regel?! Ich kann es einfach nicht fassen!" schrie er. Ich konnte mir gut vorstellen, dass durch den Krach der ein oder andere Bewohner aus dem Schlaf gerissen wurde. Und tatsächlich: kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gesponnen, gingen die ersten Lichter in den Fenstern an.

Ich sah Demetri verzweifelt an. „Ab-"
„Halt die Klappe!" zischte er und hielt mir mindestens so grob den Mund zu, wie er mich an die Mauer presste. Wäre mein Körper jetzt noch dazu in der Lage gewesen, hätte ich aus purer Verzweiflung und Panik sicher angefangen zu weinen. Aber meine Augen stachen nur komisch. So hatte sich es immer angefühlt, wenn ich den Tränen nah gewesen war. Aber keine einzige verließ nun meine Augen.

Er packte mich wieder am Arm und schleifte mich wirklich mehr als unsanft aus der Gasse heraus. Stumm folgte ich ihm, Felix war so dicht hinter mir, dass ich seinen Atem spüren konnte. Noch immer hatte er kein einziges Wort gesagt. Einen kurzen Moment lang hatte ich sogar die Hoffnung, dass er, der alles aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten konnte, und damit ist nicht nur der Größenunterschied zwischen ihm und meinem Mentor gemeint, vielleicht begriff, dass ich das nicht war. Ich hatte Carla nicht umgebracht.

Ich wagte es schließlich, als wir das Schloss fast erreicht hatten, mich umzudrehen und Felix anzusehen. Das erste Mal, dass ich mich in dieser Situation wirklich auf ihn konzentrierte. Zuvor hatte Demetri so ziemlich alles meiner Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Kaum sah ich ihn an, wurde sein Blick noch finsterer. „Glaub ja nicht, dass ich dir helfe!" zischte er. Somit war meine aller letzte Möglichkeit, von irgendjemandem Hilfe zu bekommen, wohl ausgeschlossen.

In dem Moment traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Es gab tatsächlich jemanden, der mir helfen konnte. Er könnte beweisen, und vor allem überprüfen, ob ich die Wahrheit sagte. Aro. Ich musste Demetri dazu bringen, mich Aro überzeugen zu lassen. Zudem stand dieser über ihm. Wenn ich Aro überzeugen könnte, würde ich zumindest was den Mord an Carla anging, verschont bleiben. Natürlich wüsste er dann aber auch, dass ich abgehauen war. Aber das wusste Demetri ja auch. Auch Felix. Und ich wusste es erst Recht. Ich stand dazu. Ja, ich hatte die Anweisung missachtet und ja, ich hatte somit gegen einen verdammt wichtigen Punkt der Schulregeln verstoßen und ja, verdammt nochmal, ich wusste, dass ich damit auch fast gegen das aller oberste Gesetzt der Vampire verstoßen hatte. Aber eben nur fast. Ich hatte aufgepasst. Kein Mensch hatte mich gesehen. Ich musste Demetri einfach überzeugen, mich zu Aro zu lassen. Er könnte einfach meine Gedanken lesen. Einen sichereren Beweis für meine Unschuld am Mord gab es wohl kaum. Aber wie zur Hölle sollte ich das anstellen?

Mittlerweile befanden wir uns wieder unter der Erde. Ich hatte wirklich genügend Zeit gehabt, um mir einen Plan einfallen zu lassen, wie ich meinen Mentor überzeugen könnte. Zugegeben, Idiotensicher war etwas Anderes, aber im Moment hatte ich keine andere Möglichkeit mehr.

Ich blieb stehen und wiedersetzte mich mit aller Gewalt dem kräftigen Ziehen Demetris. Sofort starrte er mich wieder wütend an. „Soll ich dich in deine Einzelteile zerlegen?! Glaub mir, zusammensetzten werde ich dich auf keinen Fall!" schrie er mich an. Noch immer war seine Wut ungebändigt und Felix Pranke krallte sich schmerzhaft in meine Schulter, aber, wenn ich der Todesstrafe, die ganz sicher auf diesen Mord innerhalb der Stadt angesetzt war, entkomme wollte, dass musste ich da jetzt durch.

„Bring mich zu Aro. Er kann sicher beweisen, dass ich mit dem Mord nichts zu tun hab. Ich hab Carla nicht umgebracht!" sagte ich energisch – zumindest hatte ich es versucht. Genauso hatte ich versucht, dass meine Stimme möglichst fest klang. Aber auch das ging eindeutig daneben. Genauso wie der klägliche Versuch dem wütenden, durchdringenden Blick von Demetri und gleichzeitig dem von Felix in meinem Rücken Stand zu halten. Beide schwiegen eine ganze Weile. Keiner von uns rührte einen Muskel, ehe mein Mentor endlich wieder etwas sagte. Diese Stille und der Blick den Beide ausgetauscht hatten, ließen mich schlimmes ahnen.

„Aro ist nicht da." Antwortete Demetri kalt, aber wesentlich ruhiger, und zog mich stumm weiter.

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Rakete 5
Ja, das Kapitel kommt heute verdammt spät, aber
ich stehe gerade mindestens so sehr auf Kriegsfuß
mit meinem Laptop, wie Demetri gerade mit Arina.
Apropos:
Was glaubt ihr denn, was jetzt passiert? Aro ist nicht da.
Arinas letzte Chance, ihre Unschuld zu beweisen ist somit
ebenfalls Geschichte.
Ratet doch mal. Bin gespannt, auf was für Ideen ihr so
kommt :)

Das nächste Kapitel steht übrigens schon. Also werden
eure Ideen den Lauf nicht beeinflussen :)  


Die Schule der angehenden WachenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora