Abwarten und Ablenken

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  Die Stille hier unten wurde nur durch Ratten unterbrochen. Felix schwieg und starrte an die Decke. Ich vermied es nach oben zu sehen, weil dort tausende von Spinnen umher krabbelten. Nicht diese kleinen Weberknechte, nein. Dicke, schwarze Spinnenärsche mit 8 Füßen und mindestens so vielen Augen. Und beharrt waren diese Mistviecher auch noch. Ich wünschte mir das erste Mal seit meiner Verwandlung wieder die Augen eines Menschen zu haben.

„Hast du ein Problem mit Spinnen?" fragte Felix plötzlich. Erschrocken sah ich von meinen Füßen auf und blickte direkt in sein belustigtes Gesicht. „Ähm... ja. Ich fand die schon immer verdammt widerlich." sagte ich. Er begann zu lachen, stand auf und kniete sich vor den Gitterstäben der Zelle auf den Boden. Verwirrt sah ich ihn an. Er streckte seine Hand aus, griff nach meinem Fuß und zog mich so weit zu sich hin, dass er durch die Stäbe hindurch an meine Hand rankam. Extrem verwirrt sah ich ihn an. Ich hatte absolut keinen Plan, was er vorhatte.

„Was machst du denn da?" fragte ich nach und wollte meine Hand wieder wegziehen, aber er hielt sie erbittert fest. Er sagte nichts, legte nur seine andere Hand, die er zu einer Faust geballt hatte, in meine, die er noch immer hielt. „Guck mal, die sind doch gar nicht so schlimm."

Er öffnete seine Hand. Zum Vorschein kam eine, dicke, schwarze Spinne, die mich mit allen Augen anstarrte. Reflexartig warf ich sie auf Felix, schrie wie am Spieß und sprang auf. Ein regelrechter Ekelanfall überkam mich und ich schüttelte mich. Felix lachte nur. Er musste sich an den Gitterstäben festhalten, um nicht vor Lachen auf dem Boden zu landen.

„Was sollte das denn?!" jammerte ich und rieb meine Hand an der Hose ab. Felix rang nach Luft. „Mit irgendetwas muss ich dich doch aufheitern. Du solltest mal sehen, wie du schon die ganze Zeit guckst. Wie ein kleines Hündchen, das bei etwas Verbotenem ertappt wurde!" brachte er kichernd hervor. Klang irgendwie merkwürdig, bei seiner tiefen Stimme. Ich ignorierte ihn und setzte mich wieder auf den Boden, wobei ich ihm wie ein bockiges Kind den Rücken zu drehte.

„Ach komm schon, sei nicht beleidigt. Du nimmst das Ganze viel zu ernst. Wenn du Carla wirklich nicht umgebracht hast, wieso machst du dir dann so einen Kopf darum? Du wirst die Strafe überleben und dann ist auch wieder gut. Aro ist wahrscheinlich ziemlich Nachsichtig mit dir. Immerhin bist du sein kleiner Liebling – zumindest von den Schülern." Felix klang dabei ziemlich ernst und setzte sich wohl wieder zurück auf seinen Platz vor der anderen Zelle.

Ich drehte mich wieder um und sah ihn an. „Aber du hast selbst gesagt, dass die Todesstrafe im Raum steht!" erinnerte ich ihn unnötigerweise.
„Das tut sie auch." Antwortete er.
Ich sprang auf. „Und dann soll ich mir keinen Kopf machen?! Wäre es dir egal, ob du stirbst oder nicht?" wollte ich von ihm wissen.
„Ich dachte, du hast nichts mit Carlas Tod zu tun. Hast du sie doch umgebracht?"
„Was? Nein! Nein, ich hab ihr nichts getan, hab ich doch gesagt!"
„Wieso befürchtest du dann die Todesstrafe?"
„Hast du doch selbst gesagt!" schrie ich ihn an. Mehr aus purer Verzweiflung, als aus Wut.
Felix grinste. „Die Todesstrafe bekommst du nur dann, wenn du gegen eines der regulären Gesetze verstößt, nicht, wenn du eine Schulregel brichst. Wäre selbst für uns etwas zu hart." Erklärte er mir.

Erleichtert setzte ich mich wieder hin und atmete ein paarmal tief durch. Die ganze Zeit über hatte ich befürchtet, dass ich tatsächlich mit dem Tod bestraft werden würde. Aber jetzt, da Felix mir erklärt hatte, dass mir diese Strafe nicht bevorstand, wenn ich nichts mit Carlas Tod zu tun hatte, konnte ich mich tatsächlich entspannen. Ich meine, es gab wohl kaum etwas, was grauenvoller war, als umgebracht zu werden. Was genau alles möglich war, hätte ich Felix vielleicht fragen können, aber ich wollte es gar nicht so genau wissen.

„Vielleicht bekommst du sogar eine Strafmilderung, wenn Aro gut drauf ist und du einen verdammt guten Grund dafür hattest, Demetris Anweisung zu missachten." Brach Felix plötzlich die Stille. Ich sah ihn wieder an. „Warum bist du nach draußen gegangen?" wollte er wissen. Ich schwieg kurz und überlegte, ob ich mit ihm darüber reden sollte. Aber wieso eigentlich nicht? Es sprach absolut nichts dagegen. Immerhin saß ich hier ohnehin mit ihm fest, bis Demetri wiederkommen konnte, was, ganz nebenbei, noch ganz schön lange dauern konnte. Zudem konnte er mir dann vielleicht auch sagen, was mit Kevin passiert war und vor allem, was er mit ihm gemacht hatte.

„Ich hab hinter der Tür gehört, dass Kevin schwer verletzt wurde. Ich wollte wissen, was passiert ist und wie es ihm geht." beantwortete ich seine Frage. Felix schien nachdenklich, ehe er wieder etwas sagte. „Dann hatte er also Recht." murmelte er leise vor sich hin.
„Wer hatte mit was Recht?" fragte ich.
„Demetri. Als er mir erzählt hat, dass du dich draußen rumtreibst, hat er sofort vermutet, dass es etwas mit deinem Freund zu tun hat." sagte er. Dann sah er mich streng an. „Du weißt, dass er dich nur deshalb so sehr angeschrien hat, weil er Angst um dich hat?" Überrascht sah ich ihn an.
„W-wie meinst du das?" fragte ich perplex.
„Er macht sich nur selten um jemanden Sorgen. Aber wenn er das tut, dann bedeutet ihm diese Person sehr viel. Ich schätze mal, dass es einfach damit zusammenhängt, dass er für dich verantwortlich ist. Zudem, das hat er mir selbst erzählt, glaubt er, dass noch viel mehr in dir steckt. Also wunder dich nicht, wenn er hin und wieder mal wegen irgendeiner Kleinigkeit verdammt streng wird. Er will eben, dass du dich hier gut zurechtfindest. Mit Caius ist das immer so eine Sache. Er kann bei den kleinsten Dingen ausrasten. Deswegen will Deme dir die Dinge die er dir beibringt, perfekt zeigen, damit du es später richtigmachst."

Ich war über seine Aussage ziemlich überrascht. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass Demetri, oder Deme, so wie Felix ihn immer nannte, doch anscheinend so viel an mir lag. „Nimm es nicht gleich persönlich, wenn er etwas übertreibt oder dich anschreit. Er will nur, dass du alles richtigmachst. Sieh seine Erziehungsmethode einfach als eine Art von liebevoller Strenge." Meinte er grinsend. „Aber sag ihm niemals, dass ich mit dir darüber geredet hab. Sonst wird er vielleicht doch noch ernsthaft sauer. Ach ja: wenn er mal wirklich sauer ist, dann merkst du den Unterschied sicherlich."

Liebevolle Strenge? Ich musste grinsen. Genau nach dieser Methode haben mich meine Eltern immer erziehen wollen, es dann aber doch nie durchgezogen. Allerdings war ich mir sicher, dass Demetri nicht so war und das ganze genauso, wie er es auch geplant hatte, durchziehen würde. „Wie ist es eigentlich mit dir? Musst du dich um irgendwelche Schüler kümmern?" fragte ich nach, um das Thema zu wechseln. „Ja. Unter anderem um Kevin, wie du sicher weißt. Er stellt sich eigentlich ganz gut an, falls du das wissen wolltest." Ich erschrak über mich selbst. Zuvor hatte ich doch noch fest geplant gehabt, dass ich ihn nach meinem Freund fragen wollte. Wie es ihm geht und was passiert war. Dass ich mich so leicht ablenken ließ...

„Was ist? Erschrocken?" Wieder grinste Felix mich breit, aber irgendwie freundlich an. „J-ja." Stotterte ich unsicher. „Neugeborene sind verdammt leicht abzulenken. Denk nur mal an die Sache mit der Spinne. Kaum ist etwas Anderes da, werden fest geplante Sachen vergessen. Das haben sich die Vampire mit den Neugeborenenarmeen zur Hilfe genommen. Aber das nimmst du alles noch in Vampirgeschichte durch, keine Sorge." Die Spinne. Da war ja tatsächlich etwas. Aber jetzt kamen die Bilder wieder hoch, ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte. Wieder erschauderte ich. „Danke, das Mistvieh hatte ich fast vergessen." Brummte ich. „Aber das mit den Armeen klingt interessant." Was das wohl war? Eine Armee, anscheinend mehrere, die nur aus Neugeborenen bestanden. Klar, sie waren stärker als ältere Vampire, aber auch viel unerfahrener und so emotional. Gingen die nicht aufeinander los? Und das wegen jeder kleinen Meinungsverschiedenheit? Und wozu sollte das überhaupt gut sein?

„Wie gesagt, dass lernst du alles noch. Du kannst Demetri dann so viel dazu fragen, wie du möchtest. Er kann dir sicher all deine Fragen beantworten. Ich kann dir aber sagen, dass es um Blut ging und noch immer geht, wie du bestimmt schon vermuten kannst." Ich nickte nur, kam dann aber wieder auf das Thema zu sprechen, was mir diesen ganzen Schlamassel eingebrockt hatte.

„Was ist jetzt mit Kevin? Wie geht es ihm? Wo ist er? Was ist überhaupt passiert? Und was hast du mit ihm gemacht?" fragte ich. Ich kniete mich hin, weil ich es auf dem Hintern nicht mehr aushielt. Je mehr Fragen ich Felix an den Kopf warf, desto aufgeregter wurde ich. Plötzlich war ich mir nicht einmal mehr sicher, ob ich überhaupt eine Antwort haben wollte, aber die Sorgen, die ich mir um ihn machten, waren nun mal größer als meine Unsicherheit.

„Wow, ganz ruhig. Ich beantworte dir deine Fragen, aber beruhig dich erst mal." Sagte er, stand auf, setzte sich direkt vor die Gitterstäbe und sah mich an. Ungeduldig wartete ich auf seinen Bericht. „Der Selbstverteidigungskurs, den ich vorhin gehalten habe, ist eskaliert. Es gab die Aufgabe, zu zweit zusammen zu gehen und die Dinge die ich ihnen gezeigt hatte, noch ein paar Mal durch zu gehen. Ich hab nicht genau mitbekommen, weshalb der Streit dann ausgebrochen ist, aber es sind zuerst zwei aufeinander los gegangen. Die beiden Chaoten, Max und Christopher. Ich war gerade mit einer kleinen Gruppe beschäftigt, der ich etwas erklären sollte und hab gedacht, dass die beiden einfach wieder absichtlich fester zuhauten. Irgendwie hat sich das Ganze immer weiter hoch geschaukelt und Gruppen haben sich gebildet, die den Beiden helfen wollten. Tja, daraus hat sich dann die Massenschlägerei entwickelt, die ich alleine nicht mehr unter Kontrolle bekommen hätte, ohne irgendjemanden schwer zu verletzen.
Sobald jemand auf den Boden gefallen war, haben sie nicht aufgehört auf denjenigen einzutreten und zu prügeln. Ich hab die Mädchen, denen ich zuvor was erklärt hatte, dann ins Schloss zu Demetri geschickt." Erzählte er. „Also ist Kevin hin gefallen?" fragte ich, Felix nickte. „Ich konnte die Anderen wenigstens davon abhalten, diejenigen die am Boden lagen zu erschlagen. Allerdings war Kevin der erste, der zu Boden ging. Deshalb hat es ihn so übel erwischt. Ich musste erst einmal an ihn ran kommen. Auch der Rest hat immer weiter aufeinander eingeschlagen. Das war ein heilloses Durcheinander." Das konnte ich mir nur zu gut vorstellen. Ich hatte alles von Weitem gesehen und somit einen Überblick gehabt, aber Felix war mitten drin gewesen und hat wahrscheinlich nicht einmal alle gesehen.

„Und was ist jetzt mit Kevin?" Ich wurde immer unruhiger. Langsam hatte ich das Gefühl, dass er meiner Frage nach seinem Befinden auswich.
„Mittlerweile müsste es ihm körperlich besser gehen." Er tat verdammt geheimnisvoll.
„Was soll das heißen? Körperlich besser? Jetzt sag schon!" verlangte ich ungeduldig.
„Er war zu schwer verletzt. Kevin hätte nicht überlebt. Es besteht schon seit Langem eine Liste, auf der alle Schüler vermerkt sind, die verwandelt werden sollen. Zu seinem Glück wusste ich, dass Kevin auch auf der Liste steht."
„Dann hast du ihn verwandelt?!" Ich konnte das einfach nicht glauben. Kevin sollte gerade dasselbe durchmachen wie ich?
„Ja. Er ist im selben Raum wie du bei deiner Verwandlung. Wenn nicht alles voller Blut wäre, dann würde ich dich zu ihm bringen. Du wirst es mir vielleicht nicht glauben; als ich ihn gebissen hatte und er die Schmerzen nicht verstand, erklärte ich es ihm. Das erste was er wissen wollte, war, ob es das war, was mit dir passiert ist." Mir klappte die Kinnlade runter. „Ich dachte, ihr habt dafür gesorgt, dass alle diejenigen vergessen, die nicht mehr hier sin!"
„Ja, das ist auch der Fall. Wenn aber jemand dem Tod nahe ist, lässt die Wirkung nach. Also hat er sich wieder an dich erinnert und daran, dass du plötzlich verschwunden warst."
„Heißt das also, dass ich bald nicht mehr alleine bin?!" Ich war wahnsinnig froh darüber.

Felix schwieg einen Moment, ehe er mit „Ja." Antwortete. Etwas zu Lange. Sofort verflog meine Freude wieder. „Was ist?" Kleine Eissplitter bildeten sich in meinem Magen und bescherten mir ein mehr als mulmiges Gefühl. „Aro will alle die auf der Liste stehen nach der Verwandlung noch genauer überprüfen und ein bisschen Testen. Keine Sorge, ihm wird nichts passieren, aber du wirst noch ein Weilchen alleine bleiben. Während der Testphase dürfen die Neuen keinen Kontakt zu den Anderen haben." Felix streckte die Hand aus und verwuschelte mir aufmunternd die Haare. Ich knurrte leise. Es war nicht ernsthaft gemeint, das wusste er aber anscheinend auch. Er fing nämlich an zu lachen.

Plötzlich waren Schritte zu hören. Wie auf Kommando sahen Felix und ich zur Tür. Ich erkannte, dass es sich um Demetri handelte. Felix stand auf und wollte ihm gerade mit der Tür helfen, als sie bereits aufgedrückt wurde. Beide kamen zurück zu der Zelle, dicht gefolgt von einem Jungen. Ich sprang auf, ignorierte den Jungen und sah Demetri erwartungsvoll an. Er lehnte sich gegen die Gitterstäbe und sah mich ernst an. Eine gefühlte Ewigkeit schwieg er und betrachtete mich.

„Was ist jetzt? Sag schon!" verlangte ich ungeduldig und trat von einem Fuß auf den Anderen. Demetri beobachtete mich bei meinem kleinen Tanz, ehe er schmunzelnd den Kopf schüttelte. „Hast du wirklich geglaubt, ich bin nicht in der Lage, Marcus alleine anzutreffen?" Ich blieb wie angewurzelt stehen. „Heißt das..." setzte ich an, Demetri nickte. „Er will auf Aro warten." Ich seufzte erleichtert.

„Ach ja." Meldete sich mein Mentor wieder. „Das hier ist Alec." Erklärte er und deutete auf den Jungen mit den dunklen Haaren und den feinen Gesichtszügen. Er zwang sich ein kleines Lächeln ab. „Hallo." sagte er ruhig. Seine Stimme klang ebenfalls sehr fein. Bei der Verwandlung musste er noch sehr jung gewesen sein. „Hi." Antwortete ich.

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Rakete 7
Das ist die letzte Rakete, dafür eine größere, als es die Letzten
waren, immerhin ist heute Silvester.
Ich hoffe, dass euch mein Kleiner Kalender gefallen hat.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um euch zu Danken.
Auch dieses Jahr habt ihr mich wieder wahnsinnig unterstützt.
Ihr habt mich - wie auch schon die Jahre davor - wahnsinnig
motiviert. Ich hab mich über alles gefreut, was ihr mir geschrieben
habt. Ich danke euch dafür, dass ihr dieser Geschichte treu geblieben
seit und das, obwohl ich so unregelmäßig etwas hoch lade.
Leider wird sich das nächstes Jahr wahrscheinlich noch verstärken.
Ich schreibe nämlich im April mein Abitur. Danach geht es aber
umso lockerer weiter, was bedeutet, dass ich mich in der Zeit
endlich mal komplett auf das Schreiben konzentrieren kann.
Besonders danken will ich aber Vampirebite. Du hast mich wirklich
immer unterstützt und jedes Mal wenn ich dich getroffen habe, und
dieses Jahr auch das aller erste Mal, hatten wir beide wahnsinnig
viel Spaß. Du hast mich wirklich immer wieder motiviert hier
weiter zu machen. Danke :D
Ich Danke euch allen und wünsche euch ein ganz zauberhaftes,
neues Jahr. Mögen sich all eure Wünsche erfüllen.
Lasst euch von niemandem beißen (es sei denn, ihr wollt es ;D)
und haut auch nächstes Jahr ordentlich rein!

Liebe Grüße,
eure Arya <3  



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⏰ Last updated: Dec 31, 2015 ⏰

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Die Schule der angehenden WachenWhere stories live. Discover now