· five ·

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Bild: Chase
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Cole

Ich brauchte einen Moment um gedanklich zusammen zurechnen, wie lange ich Chase Constanz (die wandelnde Alliteration) nun nicht mehr gesehen hatte.
Hinzu kam auch noch, dass ich dabei war ihn erst einmal abzuchecken und ihn im Stillen dafür zu verfluchen, wie gut er nach all den Jahren aussah.

Natürlich hatte er vorher auch ziemlich gut ausgesehen. Schon als kleines Kind waren es seine Puppy-Augen, die jeden Erwachsenen zum schmelzen gebracht haben. Das dunkle Haar fiel ihm nun etwas schwungvoller ums Gesicht, und er hatte einen dezenten Dreitagebart, der seine schmalen Wangen betonte. Einen. verdammten. Bart!

Wieso bekam der schon sowas?

Meinen Berechnungen zufolge (denen man mit meinen Mathematischen Fähigkeiten durchaus Glauben schenken konnte) war er genauso alt wie ich. Wieso also wirkte er um so vieles reifer und älter?

Lag hundertprozentig an diesem scheiß Bart.

"Wie geht's dir, Cole?", wollte er wissen und setzte ein aufrichtiges Lächeln auf. Größer war er auch noch - aber nur um ein paar Zentimeter.

"... Bart.", war irgendwie alles was, ich zustande bekam während ich ihn so anstarrte.

Als mir bewusst wurde, was ich da gerade von mir gegeben hatte, blinzelte ich verwirrt.

" Ah, richtig ...", als wäre es ihm erst jetzt aufgefallen fuhr Chase sich mit beiden Händen über die Wangen. "Ich sollte mich mal wieder rasieren."

Am liebsten würde ich ihm raten, sich die Pulsadern gleich mit abzuschneiden. Das ist eine Sache, die wir Vampire nämlich wunderbar drauf haben: Verbluten. Elendig austrocknen.

Da reicht eine Wunde die tief genug ist und innerhalb weniger, qualvoller Stunden bist du Geschichte.

Stattdessen aber funkelte ich ihn angriffslustig an und fragte: "Was willst du hier?"

Er antwortete fast sofort, als hätte er meine Frage bereits vorhergesehen: "Wir sind wieder in die Stadt gezogen. Sieht so aus als mache ich doch noch hier meinen Abschluss."

Die Constanz waren eine der drei Vampirfamilien dieser Stadt - was bedeutete, dass seine Familie aus mehreren Vampiren bestand. So gefiel es mir auch immer Ash damit aufzuziehen, dass er gar nicht dazuzählte.

Jedenfalls hatten Chase, Ash und ich unsere Kindergarten- und Grundschulzeit immer zusammen verbracht. Irgendwann kam es aber zu heftigen Spannungen zwischen Chase und mir. Verschiedene Umstände hatten dann dazu geführt, dass seine Familie mit ihm die Stadt verlassen hatten. Und eigentlich sollte das auch so bleiben.

Jetzt war er aber wieder hier und lächelte mich an, als sei er nie weg gewesen, dieser Scheißkerl.

"Siehst gut aus, Cole ... ", fuhr er fort als bemerke er meinen Blick gar nicht, " Ich hab dich vermisst. Und ich würde dir nicht glauben wenn du behaupten würdest, dass du mich nicht vermisst hättest."

Ich sah ihn an als sei er geisteskrank. Hatte ich im Moment eigentlich nichts besseres zu tun als mir dieses sinnlose Gelaber anzuhören? Da war einfach schon viel zu viel meiner wertvollen, unendlichen Lebenszeit drauf gegangen.

"Was immer du sagst, Mann.", entgegnete ich unbeeindruckt und stieß ihn mit der Schulter zu Seite während ich meinen Weg fortsetzte. Selbst am Ende des Ganges spürte ich noch, wie sein stechender Blick mich durchbohrte.

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"Chase Constanz!?", rief Ash aus, als ich im Unterricht neben ihm saß und ihm kurz die Lage geschildert hatte.

"Mister Benson, würden Sie es bitte unterlassen in meinen Unterricht hereinzuschreien?", tadelte Mister Brown meinen besten Freund mit skeptischer Miene. Er war der einzige Lehrer, den wir eigentlich mochten - und das obwohl er Mathematik unterrichtete.

" Ich bin mir ziemlich sicher dass er versucht hat zu flüstern, Sir. Er hat es nur nicht geschafft.", bemerkte ich zu Ash Verteidigung und lächelte unseren Lehrer breit an. Er zog die große Brille ein Stück runter und starrte mich mit diesem Gewissen Lehrerblick an. Irgendwann wurde mir das zu viel und ich war gezwungen wegzusehen.

"Wenn wir dann mit diesem Problem fertig sind könnten wir uns wieder den Optimierungsproblemen widmen ... ", fuhr er fort und Ash Augen durchbohrten mich von der Seite.

" Hör auf damit oder ich werfe dir mein Mathebuch ins Gesicht.", warnte ich ihn.

"Du hast dein Buch nie dabei, Cole.", entgegnete er nur.

" Dann werde ich es in Zukunft extra für solche Anlässe mitnehmen."

"Ich meins Ernst! Was will' Chase-" , setzte er an als ein kleiner Zettel auf unserem Tisch landete. Ich brauchte mich gar nicht erst nach der Person umsehen, die ihn geworfen hatte. Ich wusste genau, dass Izzy hinter uns saß.

Ash seufzte leise, faltete ihn aus und begann zu lesen.

"Was steht drauf?", wollte ich wissen.

" Dass sie sich in der Pause mit mir treffen will.", meinte der nur kurz angebunden und schenkte dem Zettel daraufhin keine Beachtung mehr. Stattdessen sah er mich wieder mit diesem gewissen Gesichtsausdruck an. "Hör mal, ich denke, dass das kein Zufall ist, das-", setzte er erneut an, als auch schon der nächste Zettel unseren Tisch erreichte. Ash schloss für einen kurzen Moment die Augen. Er öffnete schon den Mund um fortzufahren, als der nächste Zettel erst gegen seinen Kopf flog und dann auf dem Tisch liegen blieb.

Es fiel mir derweilen so schwer, mir das Lachen zu verkneifen. Ash presste die Lippen aufeinander und griff dann genervt zu den Zetteln. "Und?" ,fragte ich schon von vornherein. Nachdem er sie gelesen hatte drehte er sich zu Izzy um, und ich folgte seinem Blick.

Sie zwinkerte und warf ihm dann einen sehnsüchtigen Luftkuss zu.

Ich zog die Stirn in Falten und fragte mich nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal in meinem Leben, was nur ihr Problem war.
"Da werde ich ja schon ganz eifersüchtig.", meinte ich nur. " Was wirst du jetzt machen?", fragte ich als wir uns wieder Richtung Tafel gedreht hatten, auf die Mister Brown gerade mit weißer Kreide kritzelte.

"Keine Ahnung...", meinte er und zuckte mit den Schultern. Ich betrachtete ihn lange und schüttelte nur den Kopf. Was tat er sich da eigentlich an? So etwas hatte er nicht verdient. Er könnte nicht nur jedes Mädchen haben, sondern auch noch jeden Kerl, der ... auch so war wie er. Wie lange würde ich das noch mitansehen können?

" Zuerst all diese Streuner in den Wäldern, dann dieser Wolf mit den grünen Augen und jetzt auch noch Chase? Bald ist Vollmond.", erklärte Ash mir völlig zusammenhanglos. Das schien ihn wohl fürs Erste mehr zu beschäftigen als Izzy, die ihn in der Pause wieder in irgendeiner Besenkammer vernaschen wollte.

"Du willst doch nicht etwa andeuten, dass Sie, das Mädchen mit den grünen Augen, irgendetwas damit zu tun hat!?", fragte ich vorsichtig. " Wir wissen doch nicht einmal, wer sie ist ... !"

"Ein Wolf, so viel steht fest. Da braut sich was an zwischen Wölfen und Vampiren, und gerade jetzt-", wollte er erklären, als ihm plötzlich bewusst war wie still es geworden war. Wir tauschten noch schnell einen 'Oh nein.' - Blick aus, ehe unsere Köpfe Richtung Tafel schossen.

Mister Brown hatte die Arme verschränkt und die Augenbrauen hochgezogen. Dieser Blick war nie gut.
" Wie wäre es, wenn ihr vor kommt und diese Gleichung für die Klasse löst?"

Kurz fixierte ich diese endlos lange Gleichung und fragte er mich, sie er dieses Zeug da so schnell eingeschrieben hatte. War das überhauptgarnicht noch Mathematik? Echt jetzt, das sah eher aus wie das chinesische Alphabet.

Stöhnend richteten wir uns auf, und während wir so zur Tafel gingen hörte ich Mister Brown noch fragen: "Habe ich euch nicht schon tausendmal umgesetzt??"

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Hoffe es hat euch gefallen!

Starfall

Gefährliches Spiel |BoyxBoyWhere stories live. Discover now