Elvira (X)

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Noch nie in meinem Leben habe ich mich so kalt und schwach gefühlt wie jetzt. Mit meinem Nachthemd bekleidet, stehe ich dicht an die Wand gepresst und blicke in die Augen eines Monsters.

Seine blauen, eiskalten Augen strahlen keine Emotionen aus, nicht einmal einen kleinen Hauch von Wärme, die mich beruhigen könnte. Ein besonderer Ausdruck liegt darin, den ich leider nicht genau beschreiben kann. Ist es Besessenheit? Verlangen? Gier? Ich weiß es nicht, aber es macht mir Angst. Er zeigt mir keinen Einblick in seine Gedanken. Seine Seele ist verschlossen und so fällt es mir schwer, ihn richtig einzuschätzen.

Er kommt mir immer näher und drückt mich mehr zwischen ihn und die Wand, sodass ich nicht entkommen kann. Meine Hände liegen auf seiner muskulösen Brust, meine Beine zwischen seine geklemmt. Mein Herz pocht wie wild, so als ob ich einen 100-Meter-Sprint gerannt wäre, aber diese Situation ist ganz anders.

Seine Augen unterbrechen nicht eine Sekunde den Blickkontakt, er beobachtet mich, liest jeden Gesichtszug ab, jede Bewegung und Emotion. Ich bin das Schaf, während er der fleischfressende Wolf ist, der mich mit nur einem kleinen Aufwand töten könnte, und genau dieser Gedanke macht mir Angst.

Ich kann ihm nicht mehr in seine tiefblauen Augen sehen, da ich sonst zu fallen drohe, deshalb landet mein Blick auf seinen vollen Lippen, die leicht offenstehen. Doch dann tauchen wieder meine Gedanken auf. Ich darf seine Lippen nicht ansehen. Er ist ekelhaft. Er soll mich in Ruhe und gehen lassen.

Ich versuche, ihn mit meinen kleinen Händen wegzudrücken, doch er bewegt sich keinen Zentimeter. Nein, noch schlimmer. Er kommt mir näher und vergräbt sein Gesicht an meinem Nacken. Ich bleibe still und bewege mich nicht mehr. Was hat er nur vor? Warum lässt er mich nicht gehen?

Eine Träne kullert mir über mein Gesicht und dann folgen schon die nächsten. Er sieht es und schaut mich wieder an. Seine kräftigen, aber kalten Hände packen mich am Gesicht und halten mich fest. Sein Mund kommt meiner Haut näher, aber er berührt mich nicht. Doch dann spüre ich seine feuchte Zunge an meiner weichen Haut. Er leckt meine salzigen Tränen ab, während er ein Grinsen auf seinen Lippen trägt.

Ich wehre mich, aber ich habe keine Chance. Er ist viel größer und stärker als ich, sodass ich nichts gegen ihn anstellen kann. Warum habe ich keinen Kampfsport gelernt? Dann hätte ich mich verteidigen können. Wie soll ich nur hier weg?

,,B-Bitte. N-Nicht", stottere ich, aber als Antwort bekomme ich nur ein Lachen. Er küsst danach meinen Hals, bis er an meinem Ohrläppchen angelangt ist. Er zieht genüsslich daran, als ob ich ein Stückchen Fleisch wäre, sein Mittagessen.

Ich spüre seinen grauenhaften Atem auf mir, der mir trotz allem eine ungewollte Gänsehaut durch meinen Körper jagt. Ich schrecke über meine Körperreaktion zurück. Mein Körper betrügt mich!

,,Elvira, sei ein braves Mädchen", flüstert er in mein Ohr. Ich weine und versuche, mich noch einmal zu wehren, aber ich gebe auf. Es bringt mir nichts. Nicht einmal ein bisschen.

Dann starrt er mich wieder an. Minuten vergehen, in denen er mich mit diesen gefährlichen Augen betrachtet. Es ist ein schreckliches Gefühl, beobachtet zu werden und nichts dagegen tun zu können. Doch dann fällt mir etwas ein. Ohne mir große Gedanken darüber zu machen, was die Folgen sein könnten, spucke ich ihm ins Gesicht und schlage ihn. Ich nutze diese Gelegenheit, um zu fliehen, aber ich habe mich geirrt.

Er packt mich diesmal grob an der Kehle und drückt mich fester als zuvor an die Wand. Ich greife sofort an meinen Hals, um seine Hände wegzuschlagen, aber er lockert seinen Griff um keinen einzigen Millimeter. Ich keuche und fange wieder an zu weinen, wegen meines miesen und gescheiterten Plans.

,,Du gehörst mir, Elvira. Vergiss das nicht", zischt er und drückt fester zu.
Ich zappele wie verrückt und bitte ihn aufzuhören, aber es nützt nichts. Ich blicke in seine hypnotisierenden und gefährlichen Augen und werde ohnmächtig.

Meine Augen öffnen sich schlagartig, mein Puls ist hoch, mein Körper verschwitzt und zitternd. Ich greife unbewusst unter mein Bett und halte das Messer in meiner Hand. Ich schaue mich hektisch im ganzen Zimmer um, aber keiner ist da. Ich hatte einen Alptraum. Einen sehr furchtbaren Alptraum. Ich atme ein und aus, um mich zu beruhigen, aber es funktioniert einfach nicht.

Ich nehme das Messer und lege es unter mein Kissen, um etwas Sicherheit zu haben. Ich schließe meine Augen, aber öffne diese wieder nach wenigen Sekunden. Ich werde heute nicht mehr einschlafen können, und der Grund ist dieser Mann...

UnheilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt