Elvira (X)

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Viele bunte Lichter, als ob man unter Drogen steht. Laute Musik wie bei einem Konzert, die dir dein Gehör weg pustet. Der Beat, der deinen Körper vibrieren und hin und her bewegen lässt. Viele Menschen auf engem Raum. Keine Privatsphäre, sondern dicht an dicht. Menschen, die nebeneinander vorbeigehen und genüsslich genießen. Alkohol, der über die Theke wandert und danach in die Mägen der Besoffenen gelangt. Gelächter und Rufe, die aus den tanzenden Gästen herausströmen. Alle sind in Feierstimmung... nur ich nicht.

Ich fühle mich fehl am Platz. Sitze in der dunklen Ecke an einem Tisch, der oft von bunten Lichterstrahlen getroffen wird, und beobachte die glücklichen Menschen, die ihre Probleme zuhause gelassen haben. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Den Drang zu tanzen, habe ich nicht. Ebenso will ich kein Alkohol trinken. Es ist komisch. Ich habe mich doch gefreut, mit Andre rauszugehen und nun bevorzuge ich unser Zuhause. Ein vertrauter Ort, an dem ich die Ruhe genießen kann und Andre in meiner Nähe habe.

Andre sitzt neben mir, während sein Freund gegenüber von ihm Platz genommen hat. Mir ist unwohl, da dieser Freund, der sich Skorpion nennt, mich die ganze Zeit anstarrt. Es ist ein mulmiges Gefühl. Warum tut er das? 

Im Gegensatz zu Andre ist Skorpions Körper mit vielen Tattoos überzogen, die ich leider in diesem Licht nicht genau erkennen kann. Lange Haare, die zu einem Zopf gebunden sind. Dunkle Jeans und ein schwarzes T-Shirt, das ihn gefährlich wirken lässt. Muskulöse Arme, die einen mit einem kurzen Schlag in eine andere Welt befördern könnten. Es nimmt mir den Atem. Er ist ganz anders als Andre; er ist gefährlich, sehr gefährlich. Vielleicht ist er schlimmer als Andre, aber ich bin mir da nicht sehr sicher. Ich vermute aber, dass Andre stark genug ist, um es mit Skorpion aufzunehmen.

Irgendwann spüre ich Andre an meinem Ohr, der mir etwas zubrüllt, da es zu laut ist. ,,Ich muss kurz weg." Ich blicke ihn ängstlich an, da ich nicht mit dem Mann, der gegenüber von mir sitzt, alleine sein möchte. Aber Andre versteht mich falsch und gibt mir stattdessen einen dicken Kuss vor seinem furchteinflößendem Freund. Ich habe das Bedürfnis meine Augen zu verdrehen, aber ich lasse es. Ich kann einfach nicht.

Als Andre aufsteht, ziehe ich an seinem Oberteil und sage: ,,Bitte bleib." Ich komme wahrscheinlich verzweifelt rüber, aber es ist mir egal. Er hält schlagartig inne, dann gibt er mir wieder einen Kuss, um mich vermutlich zu beruhigen. Verdammt, merkt er nicht, dass ich ihn gerade brauche? Er merkt es nicht, er läuft weg. Lässt mich einsam zurück.

,,Was ist los? Fühlst du dich nicht gut?", fragt jetzt Skorpion. Ich schaue ihn nicht an, blicke auf meine miteinander verschränkten Hände, die leicht schwitzen und etwas Kaltes anfassen müssen. Meine Stimme versagt für einen Moment. Ich fühle mich ratlos.

,,N-Nein. Alles bestens", stottere ich vor mich hin. Ich schaue ihn an und bemerke ein Grinsen, das sich in sein Gesicht schleicht.

,,Hmm..." sagt er und kratzt sich an seinem Bart, der ihn düsterer wirken lässt. Danach sehe ich in seinen Augen etwas aufblitzen. Es ist bestimmt nichts Gutes. Er öffnet seinen Mund, steckt seine Zunge zwischen seine Zähnen. Er will etwas sagen, verkneift es sich aber.

,,Hunt you down, eat you alive
Just like animals, animals, like animals-mals", singt er den Song von Maroon 5-Animals mit, der gerade im Club läuft, und grinst mich dreckig an. Meine Hände schwitzen, mein Mund ist trocken, benötigt dringend Wasser. Was meint er damit? Warum singt er dieses Lied? Ist er das Raubtier, während ich seine Beute bin? Nein... bestimmt nicht. Ich blicke über den Tisch zu dem Fremden und mustere ihn. Wie können diese beiden Männer befreundet sein? Das verstehe ich nicht.

,,Warum knabberst du so an deiner Lippe? Mach ich dich nervös? Tzz...Ich dachte, du magst Andre...", sagt er belustigt und ich höre sofort auf, ihn anzustarren.

,,I-Ich... N-Nein...Es ist nicht s-o", stottere ich, halte den Atem an und warte, was er nun tun wird.

,,Weißt du, ich will nicht um den heißen Brei reden. Ich will gerne mit dir sprechen, wenn es kein Problem für dich ist. Du musst auch nichts erwidern. Ich will einfach nur ein paar Dinge loswerden. Verstehst du?", fragt er und ich nicke.
Er beugt sich leicht über den Tisch und sieht mich an, ohne zu lächeln. Jetzt kommt er mir zu nahe. Nicht gut...

,,Ich kenne Andre seit Jahren, eigentlich mein ganzes Leben lang. Jedoch sind wir keine richtigen Freunde. Du musst es nicht verstehen... Wir sind Feinde, aber gleichzeitig beste Freunde. Du willst gar nicht wissen, wie wir uns kennengelernt haben. Es ist anders gewesen. Wie gesagt, ich kenne Andre sehr gut. Es hat mich überrascht, als er dich erwähnt hat. Normalerweise redet er über keine Frauen. Natürlich hatte er so einige Geliebte gehabt, aber nicht mehr als das. Zahlreiche lange Nächte verbrachten wir zusammen und lebten... aber es hat seit vielen Monaten aufgehört, da du ihn verändert hast. Er hat angefangen zu lieben...", er stoppt und schaut auf die tanzende Menge im Club. Ich bin in seinen Worten gefangen und will mehr hören.

,,Er hat dich in seinen Fängen, nicht wahr? Er kontrolliert dich... Er lässt dich nicht los. So ist Andre nun mal. Andre verliebt sich schnell, aber lieben tut er nicht. Du bist die Ausnahme... Du bist besonders in seinen Augen. Und diese Einzigartigkeit schwächt ihn. Er liebt dich mit vollem Herzen. Und was ist mit dir? Gehört dein Herz ihm oder nicht?", fragt er. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Natürlich liebe ich Andre. Er ist toll und macht mich glücklich. Er ist anders, seltsam, krank, aber ich liebe ihn. Ich liebe seine Art.

Als ich Skorpion antworten möchte, spüre ich Andres Anwesenheit. Er stellt die Getränke auf dem Tisch ab und setzt sich neben mich. Er ergreift meine Hand, umschlingt diese und lässt unsere Hände auf seinen Oberschenkel liegen. Ich sehe kein Lächeln, seine Fassade ist kalt und ernst. Was ist nur passiert?

,,Endlich sehe ich dich wieder", sagt der Fremde und lächelt breit. Andre nickt und wendet seinen Blick von ihm ab, ignoriert ihn einfach. Seine ganze Aufmerksamkeit schenkt er mir. Meine Beine werden weich, mein Herz klopft schneller, meine Ohren pochen und mein Blut rauscht.

,,Wo warst du?", frage ich mit zittriger Stimme. Ich will ihn nicht bedrängen.

,,Ich musste telefonieren und eine Zigarette  rauchen", antwortet er und legt seinen Arm um meine Schultern. Mir wird warm und kalt zugleich. Ein Schauer jagt über meinen Körper.

,,Seit wann rauchst du?", frage ich verwirrt. Noch nie habe ich ihn rauchen sehen.

,,Ab und zu kommt es zu diesem Verlangen", gesteht er und küsst mich auf die Wange, wobei er danach zu meinem Hals und dann du meinem Ohr steuert. Er beißt und zieht.
,,Ich will nicht reden... Lass uns tanzen", sagt er mit seiner tiefen Stimme, jedoch hört sie sich diesmal tiefer und dunkler an als sonst. Ich rutsche auf meinem Platz hin und her.

,,Aber ich bin keine gute Tänzerin", sage ich und hoffe, dass er aufgibt, aber ich seufze, als Andre aufsteht und mich zur Tanzflächen zieht. Er ist der Stärkere...

Es läuft die Musik von ZHU-faded, sie klingt hypnotisierend und seltsam. Die Musik verdreht einem dem Kopf. Ich merke gar nicht, wie eng wir miteinander tanzen. Er dreht mich um, so dass mein Rücken seine Brust berührt. Seinen Atem haucht er an meinen Hals, bringt mich dazu, zu stöhnen. Unsere Körper passen perfekt zusammen, als ob wir füreinander geschaffen sind. Irgendwann dreht er mich wieder um, lehnt seine verschwitzte Stirn an meine. Mein Herz rast unaufhörlich, nicht nur wegen dem Tanz. Es will gar nicht mehr aufhören. Dies führt zu einem Kribbeln in meinem Bauch. Ich begehre diesen Mann.

,,Ich liebe dich, Elvira. Du bist die Luft, die ich zum Atmen brauche. Du hast mich verzaubert. Ich kann dir einfach nicht widerstehen. Was hast du mit mir gemacht?" Seine raue Stimme klingt verzweifelt. ,,Du bist meine Droge, meine Sucht. Ich brauche dich. Du bist meine Welt."

Ich blicke ihn an und küsse ihn. Ich liebe ihn so sehr.

UnheilWhere stories live. Discover now