Elvira (X)

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Mit starken Kopfschmerzen und schmerzendem Körper wache ich auf. Langsam nehme ich alles wahr und betrachte meine Umgebung, bis mir die Taten von gestern hochkommen. Schnell reagiert mein Körper, indem mein Herzschlag verrückt spielt, meine Hand unkontrolliert zittert und meine Atmung abgehackt wird. Ich bekomme Panik, wie so oft. Mein Inneres fühlt sich leer an, fast schon kalt. Nackt und verletzlich liege ich im Bett neben dem Mann, der mich komplett durcheinanderbringt. Andre, der Psycho.

Ruhig schläft er an meiner Seite und befürchtet nichts. Auf seinem Gesicht trägt er ein zufriedenes Lächeln, das friedlich und wie ein Engel scheint, doch er ist kein unschuldiger Engel. Er ist eine Mischung aus dem Guten und Bösen. Quasi ein Monster.
Die Decke bedeckt seinen Unterkörper, wobei sein Oberkörper frei in mein Blickfeld gerät. Ich schlucke. Er sieht toll aus, aber ich kann nicht weiter auf sein Äußeres eingehen. Er hat mich verletzt und mir weh getan. Ich beiße mir auf die Lippe und denke haargenau nach, was gestern genau passiert ist.

Wir waren in seinem Hobbyraum... Ich saß auf einem Stuhl, mit verschlossenen Augen und gefesselten Händen. Ich fühlte mich schwach und machtlos, da ich dieser Situation ausgeliefert war. Er hat mich schutzlos gemacht und mir die Macht geraubt. Mit viel Einfluss hat er mir Alkohol gegeben und mich betrunken gemacht. Ok, es ist nicht so, dass ich sturzbetrunken war. Ich wusste, was passierte, da er sein Vorhaben erklärt hatte. Er hat mir langsam meine Angst genommen und dadurch mein Vertrauen gewonnen. Ich bin praktisch geschmolzen, als ob ich ein Stück Eis in seinen Händen wäre. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen, Falten bilden sich. So verwirrend und gleichzeitig beängstigend.

Die kühle Luft kühlt meinen erhitzen Körper ab, trotzdem ist mir zu kalt. Deshalb ziehe ich die Decke fester an meinen Körper, ohne Andre zu wecken. Ich will ihn nicht wach haben. Was wird wohl danach passieren? Was macht man eigentlich, nachdem dieser Unfall passiert ist? Wir beide sind nackt, verdammt nochmal! Ich schüttele den Kopf ungläubig, aber sogar das hilft mir keineswegs. Wie hat er es nur geschafft, mich so zu beeinflussen? Verflixt, er hat Fotos von mir gemacht. Warum? In was für eine Pose hat er mich gestern gesteckt? Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Wie kompliziert und dumm von mir. Ich schließe meine Augen und atme aus, um meinen Frust loszuwerden, aber es klappt nur bedingt. Das ist schlimm. Überhaupt nicht gut.

,,Elvira, Liebling, warum bist du schon wach? Es ist noch früh...", sagt Andre verschlafen und dreht sich zu mir, bevor er sich dann kurz streckt. Ich folge seinen Bewegungen, analysiere und versuche ihn zu verstehen. Und dann, als sein Blick auf mich trifft, habe ich schon verloren. Seine eiskalten Augen, die ich zu Beginn kannte, sehen nun erfüllt, glücklich, aber auch spielerisch aus. Er hat es geschafft. Er hat mich komplett bekommen.

,,Wie ich es liebe, wenn du mich betrachtest. Du weißt nicht, wie sehr. Deine schönen Augen, dein schöner Körper..." Er hebt seine Hand und berührt mein Gesicht, wandert mit seiner Hand in Richtung meines Mundes. Er hält mein Kinn fest, dabei streicht er mit seinem Daumen über meine Unterlippe. Ich sehe, wie er große Augen bekommt und auf seine Lippe beißt. Er liebt dieses Spiel zwischen uns.

Ich räuspere mich und schaue ihn nicht mehr an. Er ist nackt - genau wie ich selbst. Diese Erkenntnis treibt mich dazu, die Decke immer näher an mich zu pressen, damit Andre nicht auf die Idee kommt, diese von mir zu reißen. Ich brauche eine Mauer zwischen ihm und mir. Und das geht nur, wenn ich alleine bin. So kann ich klar denken. Außerdem lenkt er mich lediglich ab.

Wir hatten miteinander geschlafen. Ich habe mir mein erstes Mal mit Andre nicht so gewünscht. Wenn ich darüber nachdenke, kann er es nur geplant haben... Erst die Fotos, dann diese Streichelnummern und Gespräche, bis er mich dann endlich hatte, um mich zum Bett zu führen. Er hat mich verhext. Er hat mich beeinflusst. Er ist krank. Wahrscheinlich hat er irgendein Mittel in das Alkohol gesteckt, damit ich... ich... zu diesen Dingen fähig wurde. Genau, das ist die Erklärung. Leider eine sehr schlechte Erklärung.

Andre unterbricht den verzweifelten Kampf in meinem Kopf, indem er mich an den Haaren packt und dann seine Lippen auf meine presst. Geschockt bleibe ich still und lasse es über mich ergehen, bis irgendwann wieder diese Zweifeln auftauchen und ich automatisch meinen Kopf zur Seite drehe, so dass Andres Lippen meine Wange berühren. Was, wenn er mich nicht mehr will? Er hat doch jetzt alles, was er möchte. Gestern habe ich mich ihm hingegeben. Quasi könnte er mich jetzt stehen lassen und zur Nächsten verschwinden. Ich schaue ihn nicht an und drehe mich zur Seite, damit er mich nicht anblicken kann. Ich habe den Drang zu weinen, aber ich will es ungern in seiner Anwesenheit tun. Es ist schon schwer genug, dass er hier ist. Es ist unangenehm.

Ich habe Angst, dass er mich nicht mehr will, da ich ihm nicht mehr wertvoll bin. Nur ein Spielzeug, das man bald wegwerfen kann, sobald man damit gespielt hat. Ich schlucke und spüre Andre, der mit seinen Fingern Kreise auf meinen Rücken zeichnet. Warum ist es ein Durcheinander mit uns? Weshalb konnten wir uns nicht normal kennenlernen?

UnheilWhere stories live. Discover now