Andre (X)

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Ihre Haare wirbeln in jede Richtung, streichen mein Gesicht und verdecken mir die Sicht. Ich presse meinen Körper an ihren und fühle die Wärme, die von ihr ausgeht. Ein Arm wandert zu ihrem Bauch, um sie stramm zu halten, während mein anderer Arm mit einem Tuch, das mit Chlorophorm getränkt wurde, auf ihren schreienden Mund drückt.

Sie zappelt, tritt und dreht ihren Kopf hin und her, damit sie den süßlichen Geruch nicht einatmet. Ihre Schreie verstummen durch das Tuch, trotzdem gibt sie nicht auf. Meine Liebe kämpft und will nicht aufgeben. Sie will weg, aber ich werde sie nicht freigeben. Sie gehört mir - ganz allein mir, und keiner wird es ändern können.

,,Schatz, ganz ruhig! Shhh... Alles wird gut", wispere ich in ihr Ohr und drücke das nasse Tuch fester auf ihren Mund. Warum kämpft sie so sehr gegen mich an? Ich liebe sie doch so sehr...

Plötzlich höre ich Geräusche, die aus jeder Richtung kommen und mir mein Plan kaputt machen könnten. Ich drehe meinen Kopf und halte nach Menschen Ausschau; dann sehe ich eine Gestalt in unsere Richtung schlendern. Ich habe keine Zeit mehr. Verdammt!

Ich ziehe sie rückwärts zur Straße, wo mein schwarzes Auto steht, und lasse das Tuch fallen. Ich öffne die Hintertür und will sie hineinbefördern, doch sie nutzt diese Unachtsamkeit, um sich von mir loszureißen. Meine Augen weiten sich und ich überlege, ob ich flüchten sollte oder lieber nicht, doch ich schmeiße diesen Gedanken sofort weg. Sie gehört zu mir und ich brauche keine Angst zu haben. Vor niemandem.

Ich schließe die Tür, hebe das Tuch auf und stopfe es in meine Hose, und renne ihr hinterher. Elvira ist nicht sehr weit gekommen. Noch immer ist sie von der Substanz etwas benebelt. Ich hätte mehr Chlorophorm nutzen sollen, dann hätte ich sie jetzt bewusstlos in meinen festen Armen. Ich schmunzele. Mein Kleine, wie kannst du nur flüchten?

,,Elvira", rufe ich sie und komme ihr immer näher. Sie stolpert und fällt auf ihre Knie, doch sie rappelt sich rasch auf und fängt wieder an zu laufen. Sie ist eine hartnäckige Kämpferin.

Sie läuft langsam und das merkt sie selbst, aber sie rennt nicht, da sie sonst zu fallen droht. Ich habe das Bedürfnis zu lachen, aber ich lasse es. Ich sollte meine Frau endlich nach Hause bringen. Dieser Gedanke gefällt mir sehr. Elvira... Meine Frau, Geliebte, Freundin...

Ich schüttele meinen Kopf und drehe mich nach hinten um. Die Gestalt ist immer noch hinter uns und kommt uns immer näher. Deshalb beschließe ich, unsere kleine miese Situation zu lösen, indem ich den Abstand zwischen Elvira und mir verkleinere und sie mit aller Kraft zu den Bäumen ziehe. Sie wehrt sich schwach, aber es ist mir egal. Sie könnte mir nie körperlich weh tun. Dazu hat sie keine Macht.

Ich drücke sie an mich und halte meine Hand auf ihren Mund. Wir verstecken uns hinter einem Baum, das weckt wieder eine kleine Erinnerung in mir auf. Ach, wie das Leben sein kann. Ich vergrabe mein Gesicht in Elviras Hals und küsse sie leicht. Wie kann man nur so schön sein?

Als ich Schritte höre, blicke ich vorsichtig zum Gehweg und sehe einen Mann mit einem Handy in der Hand an uns vorbeilaufen. Die Welt macht es mir wirklich einfach, meine Geliebte zu holen. Das muss wohl Schicksal sein.

,,Schatz, es ist vorbei. Wehrst du dich noch einmal...", ich mache eine kleine Pause, "muss ich anscheinend härtere Methoden nutzen, um dich ins Auto zu kriegen!" Mein Ton ist so gefährlich wie möglich, damit sie mir gehorcht.

Ich blicke in ihre tränennassen Augen und stoppe das Verlangen, meine Lippen auf ihre zu legen. Wie gerne ich sie küssen würde; ihre schönen, weichen Lippen... Verdammt, sie bringt meine Gedanken durcheinander.

Jetzt bleibt nur noch die Frage offen, ob sie mir freiwillig folgt oder ob ich sie dazu zwingen muss.

UnheilWhere stories live. Discover now