Andre (X)

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Seit neun Uhr laufe ich durch mein ganzes Haus und bereite alles für die Ankunft meiner Familie vor. Ich habe die Gästezimmer vorbereitet, das Essen gekocht, das Haus geputzt, und zusätzlich Elvira das gesamte Haus gezeigt. Natürlich habe ich sie die ganze Zeit beobachtet, damit sie bloß nicht auf dumme Ideen kommt. Glücklicherweise hat sie nur mit großen Augen das Haus betrachtet und nicht nach Fluchtmöglichkeiten gesucht.

Es ist mir ein Vergnügen gewesen, sie durch alle Räume zu führen, die alle modern eingerichtet sind. Sie ist von den Räumen beeindruckt gewesen. Natürlich freue ich mich darüber, dass es ihr gefällt. Besser kann es nicht laufen. Meine zukünftige Frau liebt mein Heim, das nun auch ihres ist. Entzückend.

Es ist nun dunkel und die Nacht bricht langsam herein. Der Esstisch ist gedeckt, es fehlen nur noch die vertrauten Gäste, die nicht pünktlich erscheinen wollen. Ich habe alle um 18 Uhr erwartet, aber jetzt ist es schon 20:34 Uhr. Eine Verspätung und das mag ich überhaupt nicht. Langsam werde ich nervös. Ich habe noch nie eine Frau meiner Familie vorgestellt. Sicherlich hatte ich in meinem Leben Techtelmechtel mit ein paar Frauen, aber diese waren nur für kurze Dauer. Nichts Besonderes, worauf man stolz sein sollte. Keine einzige Frau hatte mich beeindruckt und mein Herz schneller schlagen lassen, außer Elvira. Sie ist anders als die anderen weiblichen Gestalten. Deshalb wird es merkwürdig werden, meiner Familie Elvira als meine erste richtige Freundin vorzustellen. Eigentlich ist unsere Beziehung etwas komplizierter, als man denkt, aber das müssen meine Verwandten ja nicht genau wissen. Natürlich werden sie wachsam sein und Elvira in die Mangel nehmen. So, wie ich sie alle kenne, werden sie Elvira viele Fragen stellen und da könnten Probleme auftauchen, die ich aber verhindern werde.

Plötzlich klingelt es. Mein Herz rast für einige Sekunden, aber dann werde ich wieder normal. Ich nehme Elviras Hand und ziehe sie zur Haustür. Wir stehen davor und warten. Ich blicke sie erneut an. Suche nach Anzeichen für einen Verrat, aber ich sehe nichts. Ich bin mir nicht sicher, was sie tun wird, und deshalb habe ich so große Angst vor ihr. Sie gehört mir und sie darf meiner Familie nichts beichten. Ich habe Angst, dass sie weg will und diese Möglichkeit nutzt, um ihre Freiheit zu bekommen. Natürlich werde ich es nicht zulassen, aber trotzdem fürchte ich mich vor der Wahrheit. Es darf einfach nicht sein. Das kann ich nicht zulassen. Sie muss bei mir bleiben und sie darf mich nicht verlassen. Ich liebe sie doch.

Ich fasse den Türknopf an und sehe Elvira durchdringlich und finster an. Ich muss es tun. Ich muss sicher gehen, auch wenn sie mich später dafür hassen könnte. ,,Elvira, wenn du etwas sagst oder Falsches tust, dann wirst du die Folgen ertragen müssen. Glaub mir... es wird nicht gut enden. Meine Familie ist mir wichtig, aber sobald meine Liebenden gegen mich sind, werde ich gegen diese sein. Ich werde dich nicht loslassen und hergeben", drohe ich ihr und sehe, wie sie mich schockiert ansieht. Sie schluckt und ich kann in ihren Augen Trauer und Furcht sehen. So fühle ich mich auch, Elvira, sage ich mir selbst und fahre mit einer Hand durch meine Haare.

Ich entferne mich von der Tür und komme ihrem Körper näher. Uns trennen nur noch wenige Zentimeter. Ich hebe meine Hand und streichele ihr Gesicht, bevor ich dann zu ihren Hals herunterwandere. Ohne Druck auszuüben, lasse ich meine Hand einfach an ihrem Hals liegen. Es ist eine Drohung. Ein Versprechen. Ich muss ihr zeigen, wie gefährlich ich sein kann, wenn sie mir nicht gehorcht. ,,Verstehst du, dass ich dich nie gehen lassen werde? Du bist meins. Ich kämpfe um dich. Du wirst nie verschwinden können. Wenn du etwas sagst, dann wird jemand leiden müssen und das werde nicht ich sein. Ich mag dich. Du gehörst an meine Seite. Ich kann dich nicht verlassen. Also streng dich an, dein bestes Benehmen zu präsentieren. Verstanden, mein Liebling?", hauche ich in ihr Ohr.

,,Mach dir keine Sorgen, Andre", sagt sie leise und blickt mir tief in meine dunkle Seele. In diesem Moment kann ich ihre Ehrlichkeit spüren. Sie wird mich nicht verraten. Das weiß ich. Sie will bei mir bleiben oder sie will nicht, dass jemand dafür leiden muss. Ich seufze. So schwierig mit ihr. Sie legt ihre Hand auf meine und schiebt diese von ihrem Hals, dann gibt sie mir einen kurzen Kuss auf die Wange und zeigt auf die Tür, da es schon wieder klingelt.

Es wird also Zeit. Hoffentlich wird es ein interessanter und erfolgreicher Abend. Ich lächle Elvira zu und nehme ihre Hand in meine, bevor ich dann die Tür weit öffne und in die Gesichter meiner Liebenden blicke.

UnheilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt