Kapitel 16

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Nicholas

Es war Mittwoch. Halb 6 morgens. Ich hatte die ganze verschissene Nacht kein Auge zugedrückt.

Wie sollte ich Rachel wieder für mich gewinnen? Mit Blumen? Mit Schmuck? Oh man. Jetzt seht ihr mal, dass ich keinen Plan hatte wie das funktioniert.

Ich kletterte aus meinem Bett, ging in die Küche und machte mir einen Kaffee.

Ich betrachtete meine Fingerknöchel, auf denen sich Schorf gebildet hatte.
Beim Boxen hatte ich schon oft solche Verletzungen gehabt, aber es tat mir nicht mehr weh. Ich war den Schmerz gewohnt. Ich lebte jeden Tag mit fucking Schmerzen!

Lily war mein ein und alles. Nachdem ich den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen hatte, war sie mein Fels in der Brandung. Wir hielten immer zusammen. Immer! Doch dann kam Chase. Chase riss uns auseinander.
Lily verliebte sich in ihn und ich als ihr großer Bruder war natürlich total dagegen. Ich meine Hallo?! Meine kleine Schwester verliebt sich in den größten Aufreißer von New York? Ist doch klar, dass ich was dagegen hatte.

Lily wurde immer wütender auf mich und ich stellte mich der Beziehung von Chase und ihr immer mehr in den Weg. Ich weiß jetzt, dass ich das vielleicht hätte nicht tun sollen. Aber ich kann nun mal nicht mehr die Zeit zurück drehen, daher muss ich jetzt mit den Folgen leben.

Chase der Wichser lebt und Lily ist Tod.

Erschossen.

Von mir.

Rachel

Sollte ich mich bei ihm melden? Sollte ich zu ihm rüber gehen und nach Antworten betteln?

Nein.

Oder doch?

“Waaas hast du vor Rach?“ Zog mich Ella aus meinen Gedanken.

“Ich überlege zu Nick zu gehen.“ Antwortete ich ihr. Ich hatte kein einziges Wort über ihn verloren, oder was da am Samstag Abend zwischen uns vorgefallen war.

“Na dann tu das doch,“ Sie zwinkerte mir zu. “Besser als hier allein herum zu sitzen.“ Ella zog ihre Trainingstasche vom Tisch und umarmte mich zum Abschied. Dann ging sie aus der Tür zum Ballett.

Nagut. Rachel. Du gehst da jetzt rüber und verlangst nach Antworten.

10 Minuten später klopfte ich an der Tür und Nick stand im Türrahmen.

“Hey.“ Sagte ich und sah ihn fest an.

“Rachel es tut mir leid. Verdammt! Wirklich!“ Er nahm meine Hand und zog mich in seine Wohnung.

“Dann rede mit mir Nick! Sag mir die Wahrheit! Ich habe dir ALLES von mir erzählt, und von dir bekomme ich gar nichts!“ Ich wollte ihn nicht verletzen, aber ich wusste nicht wie ich meine Gefühle sonst zum Ausdruck bringen konnte.

“Okay. Okay. Ich werde. Also ich werde dir einen Teil von mir erzählen und erklären okay? Aber bitte, bitte Hass mich nicht. Und bitte, bleib bei mir. Ich brauche dich! Verdammt Rachel ich brauche dich wirklich! Du bist zu dem Mittelpunkt in meinem Leben geworden!“

Nick sprach laut und - verzweifelt.

“Ich könnte dich nie hassen. Niemals Nick. Wann verstehst du das endlich?“
Schrie ich schon fast und schonwieder stiegen mir die Tränen in die Augen.

“Ich habe sie getötet.“ Flüsterte er kaum hörbar.

Ich hatte ihn verstanden. Mehr als deutlich genug.

“Wen?“

“Meine Schwester, Rachel!“ Er krallte sich mit beiden Händen in seinen Haaren fest, sein gesamter Oberkörper spannte sich an und seine Stirn war in Falten gelegt.

Er hatte seine eigene Schwester umgebracht?

“Ich wollte das nicht! Es war nicht meine Absicht! Da war ein Typ in der Bar, er hat rumgepöbelt, sie angetatscht. Ich war dabei. Ich wurde wütend. Habe ihm gedroht damit er die Finger von ihr läst. Chase stand nur daneben. Er hat nichts unternommen. Ich habe den Typen zusammengeschlagen. Doch er hatte eine Waffe. Ich versuchte ihm sie ab zunehmen, er schoss und traf nicht mich. Sondern sie, Rachel! Ich habe sie getötet, weil ich ihr nicht helfen konnte!“

Nick sackte vor mir auf seine Knie. Er stemmte sein Gesicht in seine Hände. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Verletzlich. Kaputt. Ängstlich. Traurig.

Er schluchzte.
Dann sah er zu mir hoch. Seine Augen waren rot unterlaufen und angeschwollen.

“Jetzt wirst du gehen. Du wirst sagen, dass du mich hasst, genauso wie sie es getan hat. Und du wirst mich nie wieder sehen wollen.“
Wieder schaute er zu Boden, weinte.

“Ich werde nicht gehen.“

Er sah zu mir hoch. Ein Verwirrter Ausdruck lag auf seinem Gesicht.

“Du hast es nicht verdient, dass jemand sagt, dass DU Schuld an dem Tod deiner Schwester bist. Das darfst du nicht denken! Der Typ hat deine Schwester getötet. Er hatte die Waffe. Nicht du! Du hast sie geliebt, beschützt, wie ein großer Bruder sein sollte.“

Ich setzte mich ihm gegenüber auf den Fußboden. Ich nahm seine Hände in meine.

“Nick du bist der liebste und wundervollste Mensch den ich kenne. Ich kann dich so nicht sehen. Ich kann es nicht sehen wie du leidest. Du bedeutest mir mehr als du denkst, deswegen werde ich nicht gehen. Egal was du mir noch erzählst.
Weißt du noch? Unser Versprechen? Wir sind für einander da. Und das wird sich so schnell nicht ändern.“

Mit einer Hand berührte ich ihn an der Wange. Ich streichelte sie, spürte den leichten Bart unter meinen Fingern.

Seine Augen waren immer noch glasig. Er wirkte erschöpft. Müde. Ausgelaugt.

“Danke Rachel.“ Flüsterte er tonlos und drückte mich fest an sich. Er zitterte.

“Ich habe dir noch nicht alles erzählt. Aber für heute reicht das doch oder?“ Fragte er gequält.

“Ja Nick. Danke für dein Vertrauen.“ Ich küsste ihm auf die Wange.

Nick würde vielleicht nicht von heute auf morgen offener werden und mir jedes Detail aus seinem Leben erzählen, aber ich glaube wenn das so weiter geht, dann könnte er wirklich noch mehr Vertrauen zu mir aufbauen.

Eins steht schon mal fest. Ich werde ihn nicht hängen lassen, komme was wolle. Ich werde an seiner Seite kämpfen, selbst, wenn ich dafür an die dunkelsten Geheimnisse kommen würde und teil von ihnen werde.














FACEWhere stories live. Discover now