Kapitel 20

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Rachel

Es ist soweit. Heute fliege ich nach Washington. In einer Stunde geht mein Flug. Mein Gepäck habe ich schon abgegeben, jetzt warte ich im Wartebereich, dass der Flug aufgerufen wird.

Nick hat sich ganze drei Wochen nicht gemeldet. Kein Bisschen. Ich habe ihn nicht mal gesehen, obwohl wir nebeneinander wohnen. Wie kann das eigentlich sein?

Ich sitze hier auf einer Bank, und warte. Ich höre Musik und starre ab und zu Menschen an, die sich entweder verlaufen haben oder einfach nur hier rum spazieren, um sich die Zeit zu vertreiben.

Ich denke darüber nach, warum das zwischen Nick und mir so schief gelaufen ist und muss meine Tränen zurück halten.

Ich denke darüber nach, warum er so ein Leben gewählt hat.

Und ich denke darüber nach, warum mein Bruder meine Eltern umgebracht hat, und wer der Unbekannte ist, der ihn totgefahren hat.

Das Leben ist scheiße. Das weiß ich. Aber ich glaube ich bin auf einem guten Weg es zu verbessern.

Ich lasse meine Augen wieder über die Menschen streifen. Da ist ein Mann mit einer dicken Winterjacke über dem Arm und an seiner Hand klammert sich ein kleines Mädchen fest, welches ihn glücklich anschaut. 

Weiter links, am Duty Free Shop steht eine Frau, mit Heels, Pelzkragen und zwei riesigen Tüten in der Hand. Die hat den halben Shop mit Parfum und Schminke aufgekauft.

Dann fällt mein Blick auf einen Typen mit breiten Schultern. Er steht mit dem Rücken zu mir, daher kann ich sein Gesicht nicht erkennen.
Neben ihm steht ein anderer. Das ist doch.... Das ist Jensen! Ich erkenne ihn! Natürlich! Aber was macht Jensen hier?

Erst da fallen mir die Tattoos an den Armen des Typen neben Jensen auf. Nick. Das ist Nick.

Ohne nachzudenken, lasse ich meine Tasche stehen, schmeiße mein Handy auf den Sitz und renne zu den beiden hinüber. Jensen sieht mich und in dem Moment dreht sich auch Nick um.

Er hat eine Rose in der Hand. Eine Blutrote Rose. Er lächelt schwach, er kommt auf mich zu. Breitet die Arme aus.

"Rachel." Flüstert er und reißt mich an sich.

Ich hatte ihn so unglaublich vermisst, dass es mir gerade komplett egal ist, dass ich eigentlich sauer auf ihn sein müsste.

Er riecht nach seinem Aftershave. Himmlisch. Ich liebe diesen Duft.

"Was tust du hier?" Schluchzte ich. Ich weinte. Das merkte ich mal wieder etwas zu spät.

"Tja." Er deutete auf die Richtung, wo Jensen stand.

Dort war eine riesiger Koffer. Sein Koffer. Ich starrte ihn verständnislos an.

"Ich komme mit Rachel. Ich habe in der Zeit, wo wir nicht geredet haben um diesen einen beschissenen Uni Platz gekämpft. Ich habe es geschafft!" Er strahlte über beide Ohren.

Ich fing wieder an zu weinen und presste mich wieder an ihn. Er lachte auf, weil er überrascht war und drückte mich an sich.

"Du bedeutest mir alles Rachel. Ich kann dich nicht einfach gehen lassen." Flüstert er mir ins Ohr und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

Hinter uns räusperte Jensen sich.

"Wenn ihr dann mal fertig seid mit rummachen, würde ich mich gerne von euch verabschieden." Er lachte und kam mit seinem typischen schiefen Grinsen auf uns zu.


*.*


Wir flogen circa zwei Stunden. Nick entschuldigte sich so oft für sein Benehmen, dass es mich nervte, aber ich es trotzdem süß fand.

Ich fragte ihn nicht aus. Das wollte ich noch nicht. Ich wollte einfach nur die Zeit mit ihm genießen.

Er erzählte mir von dem Kampf um seinen Studienplatz und welches Fach er studierte. Englische Literatur. Hätte ich niemals gedacht, das Nick Englische Literatur wählt.

Unsere Koffer waren die ersten bei der Gepäckabgabe, daher waren wir schneller aus dem Flughafen raus als wir dachten.

Mit einem Shuttlebus kamen wir innerhalb einer halben Stunde an dem Universitätsgelände an.

Die Gebäude waren riesig und alt. Ich liebe diese Art von Gebäuden, denn sie verströmen etwas Märchenhaftes, wie ich finde.

Nick war die Aufregung nicht anzumerken, doch ich flippte halb aus, als wir mit unseren Koffern über den Campus liefen.

Überall auf dem Rasen in der Mitte saßen Studenten herum und starrten in Bücher, spielten Gitarre oder redeten einfach zusammen.

Zusammen liefen wir zum Hauptgebäude und suchten das Zimmer wo der Direktor saß.

Nach einer gefühlten Ewigkeit fanden wir es schlussendlich und klopften zaghaft an.

"Herein!" Schrie einer von innen.

"Hallo meine Lieben neuen Studenten! Herzlich Willkommen!" Mister Grayson war ein starkgebauter großer Mann. Er hatte einen Vollbart und einen Hut auf.

Ein Direktor mit Hut. Mit einem super netten Lächeln. Bin ich im Himmel? Ich dachte immer, dass Direktoren böse, gemein und streng waren. Doch unser hier schien echt ziemlich nett zu sein.


Mister Grayson überreichte uns unsere Stundenpläne und wir machten uns auf dem Weg zu unseren Zimmern.

Nick verabschiedete sich, denn er musste in Gebäude C. Also lief ich weiter und zog dann die Türen zum Gebäude D auf, indem mein Zimmer liegen musste.

Es war riesig. Der Eingangsbereich war dunkel mit leichter Beleuchtung und vereinzelte Grüppchen standen herum.

Ich ging zu einer Gruppe mit Büchern in der Hand und fragte, wo Zimmer 212 sein sollte.
Sie sagten, dass ich eine Treppe nach oben gehen müsse und dann links abbiegen soll.

Vor dem Zimmer angekommen klopfte mein Herz so wild und unregelmäßig, dass ich hätte wetten können, es würde explodieren.

Ich klopfte an der Tür. Es drang laute und schrille Musik heraus.

"Schon mal was von anklopfen gehört?" Rief mir ein Mädchen über die Musik hinweg zu.

"Die Musik war zu laut, du hast es nicht gehört." Erwiderte ich.

"Ach je, tut mir leid, dass ich dich so angemault habe. Ich bin Meghan." Sie grinste mich an und reichte mir die Hand.

"Ich bin Rachel. Ich soll hier wohnen." Ich sah mich im Zimmer um und erkannte ein leeres Bett.

"Hey. Ja klar. Wie konnte ich das vergessen! Du bist meine neue Mitbewohnerin!" Sie klatschte in die Hände.

"Wie schön! Wir werden uns bestimmt gut verstehen! Das dort ist dein Bett, da dein Schrank und unter meinem Kram dahinten dein Schreibtisch." Sie lachte nervös, wahrscheinlich hatte sie wirklich vergessen, dass sie ab jetzt nicht mehr alleine wohnen würde.

"Ich bin dann mal weg. Räum dich gut ein! Bis nachher!" Sie winkte mir zu und verließ das Zimmer.

Ich schaltete diese schreckliche Musik aus und betrachtete noch einmal den Raum.

Mein Neues Leben. Mein Neues Zuhause.



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