Blut ist dicker als Wasser

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Die Nacht war auf Berk hereingebrochen. Noch immer redeten Alvin und Haudrauf in der großen Halle über die Geschehnisse der letzten Tage. Viel hatte sich verändert, seit der vermeintliche Hicks sich in das Archipel gewagt und einen riesigen Schaden auf den bewohnten Inseln angerichtet hatte.
„Und wie sollen wir jetzt mit der Situation umgehen? Immerhin wird er sicher hierher nach Berk kommen und Gnade uns den Göttern, was dann passiert." Alvin schien sehr aufgeregt zu sein. Schließlich lag die Insel der Verbannten nicht mal einen Tag unter vollen Segeln von Berk entfernt. Eine Bedrohung, die auch Haudrauf Kopfzerbrechen bereitete. Wenn es sich nicht um Hicks handeln würde, hätten sie vielleicht bald große Schwierigkeiten, denn gegen ein mit Drachen und Kriegern zu kämpfen war für den Chef des Dorfes Berk eine Erfahrung, die er noch nicht erlebt hatte.
„Ich will hoffen, dass es sich um Hicks handelt. Wenn dem so ist, wird er vielleicht diese Insel meiden. Es kann gut sein, dass seine Erinnerungen hochkommen und ihn davon abbringen, diesen Flecken Land zu erobern. Andererseits könnte er sich auch rächen wollen."
Jetzt war es Alvin, der verwundert in die Welt starrte. „Rächen? Wieso sollte sich Hicks an euch rächen wollen?" – „Das ist eine ganz lange Geschichte.", erklärte Haudrauf. „Vor 5 Jahren hatte sich der Bursche zu einem Kämpfer entwickelt, der jeden Drachen bezwingen konnte. Vom kleinen schrecklichen Schrecken bis hin zum Tödlichen Nadder. Aber nicht mit der Axt. Er musste die Drachen nur an bestimmten Stellen berühren, da waren sie unter seiner Kontrolle."
Alvin hörte interessiert zu. Es schien, dass sich der Sohn Haudraufs in einen Drachenversteher verwandelt hatte. Von solchen Wikingern hatte er schon gehört. Die haben sich gut mit Drachen verstanden.
„Auf jeden Fall, haben wir bald den Grund für Hicks Wandlung herausgefunden. Als der Kampf zwischen ihm und einem Riesenhaften Albtraum stattfand, hat ein Nachtschatten diesen unterbrochen und Hicks beschützt. Erst verstanden wir die Welt nicht mehr, aber schnell wurde uns klar, dass mein Sohn sich mit einem Drachen angefreundet hatte. Und dann noch mit dem Schlimmsten, den es auf dieser Welt gibt. Das Vieh hat uns immer die Katapulte zerschossen."
Der Anführer der Verbannten verstand schnell. Freundschaften mit Drachen wurden von vielen Wikingerstämmen als das Werk von Loki angesehen. Dem entsprechen wurde auch mit diesen Leuten verfahren. Meist ereilte jenen ein schlimmes Schicksal. Aber im Fall von Hicks schien dies anders ausgegangen zu sein. Er hörte weiter interessiert zu.
„Nun. Wir konnten den Nachtschatten fangen. Hicks habe ich vorerst in die große Halle gesperrt, mit der Hoffnung, dass er sich besinnt. Abe der Junge war ein Sturkopf hoch zehn. Nichts konnte ihn abhalten, den Nachtschatten zu befreien und von Dannen zu fliegen. Wir haben ihn bei seinem Fluchtversuch mit den Katapulten beschossen. Vergebens. Er verschwand in einer stürmischen Nacht. Darauf haben wir ihn nie wieder gesehen."
Haudrauf beendete seinen Bericht und ließ den Kopf sinken. Es schien fast so, als würde es ihm leidtun, was damals geschehen war. Hicks war immerhin das Einzige, was von seiner Familie noch übrig geblieben war. Seine Frau wurde ihm von Drachen genommen und sein Sohn ebenso. Er hasste die Drachen dafür. Er konnte nicht umher, sie bis ans Ende der Welt zu jagen, wenn er denn könnte.
„Haudrauf?", erklang es von Alvin. Der rotbärtige Anführer Berks hob den Kopf und schaute dem Verbannten ins Gesicht.
„Was ist Alvin?" – „Wenn das wahr ist, wäre Hicks sicher nicht darauf aus gleich Blutrache an Berk zu üben. Was ich aus deinem Bericht entnehmen konnte, schließt darauf, dass er ganz nach deiner Frau Valka gekommen ist. Er ist genauso sanftmütig wie sie und ich denke nicht, dass er hier ein Blutbad anrichten würde. Immerhin ist Blut dicker als Wasser und auch wenn du vor 5 Jahren so reagiert hast, glaube ich nicht, dass er gleich jedem die Kehle aufschlitzen wird, dem er hier begegnet. Vorausgesetzt, er kommt überhaupt hierher. Vielleicht könnte er genau aus diesen Gründen nicht hierher kommen."
Haudrauf dachte nach. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Hicks einfach nur vorbeikommen und Hallo sagen würde. Er musste doch sicherlich auf Rache aus sein. Immerhin würde er dann nicht solch ein Heer aus Drachen und Kriegern anführen.
Aber Alvin hatte Recht. Er kannte noch Valka, bevor er auf die Insel der Verbannten ausgestoßen wurde. Damals waren Haudrauf und er dicke Freunde gewesen. Genauso wie heute Grobian und er. Valka war immer sanftmütig gewesen. Sie hatte sich sogar für ein Ende des Kampfes zwischen Drachen und Wikingern eingesetzt. Das stieß nicht immer auf positiven Rückhalt im Dorf, aber genau das hatte Haudrauf an seiner Frau so geliebt. Nur den Sturkopf. Den musste Hicks von seinem Vater geerbt haben. Da war sich Haudrauf ganz sicher.
„Was sollen wir tun, wenn er nun hier ankommen würde?", fragte Haudrauf zu Alvin. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber ein Kampf wäre ausgeschlossen. Das würde für Berk in einem Blutbad enden. Aber, ich glaube ich habe eine Idee." – „Dann spuck sie aus!" Haudrauf wollte es unbedingt wissen.
„Wenn Hicks so clever ist, dann wird er sicher nicht übersehen können, wenn ein Dorf gleich von Vornherein aufgibt. Ich würde eine weiße Flagge hissen, um zu zeigen, dass sich Berk kampflos den Heerscharen von Hicks ergeben würde. Es käme nicht zu einem Blutbad und du könntest dich, rein diplomatisch, mit Hicks unterhalten. Auf jeden Fall würde es keine Toten geben."
Haudrauf wusste nicht, ob er diesen Plan gutheißen sollte. Immerhin bestünde immer noch ein Rest Risiko, dass es sich nicht um Hicks handelte. Aber sein ganzes Dorf in ein Blutbad zu führen, käme für ihn als Stammesoberhaupt auch nicht in Frage. Es war der bisher einzige Weg, dem entgegen zu wirken.
In diesem Moment wurde die Tür der großen Halle geöffnet. Grobian humpelte wieder mit einem neu gefüllten Krug Met an seiner Armprothese.
„Und schon was Neues herausgefunden?" – „Grobian!" – „Was ist, Haudrauf?" – „Suche allen weißen Stoff zusammen, lass ihn zusammen nähen und binde ihn an einen hohen Mast, sodass man ihn weit sehen kann." Grobian schaute schräg drein: „Also ich kenne schon viele Einfälle, aber der ist mit Abstand einer der komischsten." – „Nun mach schon, wir haben vielleicht nicht viel Zeit!" – „Ist ja schon gut." Der Dorfschmied humpelte wieder von dannen und nahm in seinen Bart stöhnend, einen großen Schluck von seinem Met.
In der großen Halle schaute Haudrauf wieder zu Alvin: „Wollen wir hoffen, dass es klappt."


Etwas abseits von Berk hatte sich Astrid ein ruhiges Plätzchen gesucht. Sie wollte von dem ganzen Trubel im Dorf nichts weiter zu tun haben. Immerhin hatte Rotzbacke sie schon die ganzen Tage aufgesucht, um sich bei ihr einzuschleimen. Ohne Erfolg. Entweder hatte sie ihm den Arm ausgekugelt oder mit Axt fast getroffen. Der charakterschwache Jorgenson war dann meist in Ohnmacht gefallen.
So hatte die blonde Schildmaid ihre Ruhe und versteckte sich in den Wäldern.
In den letzten Tagen war viel Passiert. Händler Johann. Dass Hicks ein vermeintlicher Feldherr unter dem Befehl von diesem Drago Blutfaust wäre. Es schien, dass sich der junge Haddock in der Welt gemacht hatte. Und die rechnete ganz fest damit. Hicks würde sicher nicht nur die Insel der Verbannten erobern, sondern auch Berk.
Aber ihr war das ganz egal, denn ihr Herz hatte er schon vor 5 Jahren erobert. Damals, als sie viel mit Ohnezahn im Talkessel verbracht hatten. Sie ritten auf dem Nachtschatten, lagen in der Sonne und Hicks erzählte davon, wie wohl das Leben als freier Drachenreiter sein würde. Einfach in der Welt umher fliegen und neue Drachenarten entdecken und erforschen. Am liebsten wäre sie damals mit gekommen, aber der Fluchtversuch ging so schnell, dass sie ihm nur traurig hinterherschauen konnte.
Jetzt aber schien sich das Glück auf ihrer Seite zu sein. Hicks würde sicher hier nach Berk kommen und dann könnten sie endlich wieder zusammen Abenteuer unternehmen. Vielleicht sogar das Abenteuer Liebe?
Plötzlich raschelte etwas in den Büschen. Astrid sprang auf, zückte ihre Axt und richtete sie in alle erdenklichen Richtungen. „Wer ist da? Zeig dich, oder ich hack dich in Stücke!"
Bevor Astrid auch nur den Satz aussprechen konnte, erschallte ein klägliches „Bitte nicht!" aus den Büschen und eine große stämmige Gestalt erhob sich aus den Sträuchern.
„Fischbein? Was machst du noch so spät hier in der Nacht?" – „Das gleiche könnte ich dich Fragen Astrid." Aber die blonde Wikingerin blieb stur. „Ich habe zuerst gefragt. Also, was machst du hier? Hat dich Rotzbacke geschickt?" Mit diesen Worten hielt sie ihm die Axt entgegen.
„Astrid. Niemand hat mich geschickt. Ich wollte nur Kräuter sammeln, die nur nachts blühen. Du weißt, doch dass ich eine Ausbildung bei Gothi mache." Astrid senkte ihre Waffe. Es stimmte. Fischbein machte eine Ausbildung bei Gothi und zurzeit unterwies die Dorfälteste ihn in der Kräuterkunde. Sie konnte davon ausgehen, dass der gewichtige Wikinger die Wahrheit sagte.
„Ich wollte dich wirklich nicht erschrecken Astrid. Tut mir leid." – „Du musst dich nicht entschuldigen Fischbein. Ist schon in Ordnung." – „Und was machst du hier, Astrid?"
Sie schwieg kurz, dann ließ sie ihre Axt völlig sinken und sprach: „Ich habe über alles Mögliche nachgedacht. Über Hicks und das er vielleicht bald hier als großer Heerführer auftauchen wird. Mit Ohnezahn, seinem Nachtschatten. Ich hoffe, dass er mich noch erkennt und dass wir wieder das Verhältnis haben werden, dass wir einst hatten." Sie ließ den Kopf hängen.
„Oh. Tut mir leid Astrid. Es fällt dir immer noch schwer, an Hicks zu denken. Nach all den Jahren?" Die sonst so stolz erscheinende Schildmaid nickte leicht, während sie schniefte. Sie fing an zu weinen. „Ich...ich kann nicht. Es tut so weh...ich...ich vermisse ihn so sehr..." – „Mensch Astrid." Die blonde Wikingerin ließ ihre Axt auf den Boden fallen und ließ sich in die Umarmung Fischbeins fallen.
Er war der einzige, der alles über Hicks, Astrid und den Nachtschatten wusste. Astrid hatte es ihm anvertraut und sie war sich sicher, dass es bei Fischbein sicher aufbewahrt war.
„Schon gut Astrid, schon gut. Er wird kommen und sich an dich erinnern. Da bin ich mir ganz sicher." – „Fischbein." konnte man es schniefend hören, als Astrid ihren Kopf auf des Ingermanns linker Schulter stützte. „Schon gut." – „Fischbein!" Dieses Mal nicht schniefend. Astrid löste sich aus der Umarmung ihres besten Freundes.
„Was ist los? Hab ich dich verletzt?" – „Nein. Schau doch. Zum Meer." Verwundert drehte sich Fischbein in die Blickrichtung von Astrid. „Sage mal Astrid. Seit wann geht denn die Sonne im Westen auf? Und dann noch mitten in der Nacht?" – „Fischbein. Das ist nicht die aufgehende Sonne. Das sind die Lichter einer gigantischen Kriegsflotte..."

The Dark Riderحيث تعيش القصص. اكتشف الآن