Da bin ich aber platt!

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Schnell verließen sie die große Halle. Haudrauf, Grobian und Alvin so, als würden die Gefangenen verlegt werden. Hinter ihnen Eret und Valka, wieder in der Rolle der Wachen. Sie müssten einmal quer durch das ganze Dorf, um in das provisorische Gefangenenlager zu kommen, wo Astrid abgesetzt wurde. Alles musste nach Plan verlaufen. Sie würden Astrid holen und dann Hicks aufsuchen. Gemeinsam könnten sie ihn wieder zum Einlenken bringen.
„Wir müssen hier lang." Eret gab die Richtung vor. Währenddessen unterhielten sich Haudrauf und Valka darüber, wie sie Hicks am besten wieder zur Besänftigung bringen würden. Als dabei der Blick des Anführers durch das Dorf schweifte, konnte er sehen, dass sie doch noch recht gut weggekommen waren. Hier und da war ein Haus eingebrochen, weil die Drachen zu schwer waren, aber die Schäden die bei manchen Drachenangriffen entstanden waren, waren oft viel gravierender gewesen.
„So, hier sind wir. Das Gefangenenlager." Eret machte Halt und trat an den Soldaten heran, der die Tür bewachte.
„Ich habe hier vorhin eine junge blonde Wikingerin abgegeben. Ich bräuchte sie wieder. Der dunkle Reiter möchte diese Gefangene gerne sprechen." Doch der Wachmann antwortete völlig unerwartet: „Ist schon abgeholt worden. Tut mir leid, aber da kommen sie zu spät. Als der dunkle Reiter erfahren hat, dass sich das blonde Mädchen hier befand, hat er sie sofort zu sich holen lassen."
Das traf alle wieder Schlag. So etwas hatten sie nicht erwartet. Doch Eret musste die Ruhe bewahren. Schließlich durfte die Tarnung nicht auffliegen. Mit einer ruhigen Stimme fragte er: „Wo wurden sie denn hingebracht?" – „In das Haus den alten Anführers dieses Dorfes. Einfach nur den Hügel rauf da." Eret bedankte sich und machte sich mit den anderen auf, Haudraufs Haus aufzusuchen. Sie mussten sich beeilen, denn man konnte Hicks nur sehr schwer einschätzen.

Als Astrid in das Haus geführt wurde, sah sie niemanden. Die Wachen ließen sie stehen und verschlossen die Tür hinter ihr. Im Hauptraum stehend konnte sie keinen ausmachen. Das Feuer in der Stelle schien neu entzündet worden zu sein. Ein kleiner Trog mit Suppe köchelte vor sich hin und zischte manchmal ein wenig.
Das war definitiv nicht Teil des Plans von Eret und Valka gewesen. Hicks musste sie gefunden und hierher beordert haben. Anders konnte sie es sich nicht erklären. Aber nur wie ihm gegenübertreten. Stark und selbstbewusst, hoffte sie. Nicht so jämmerlich und voller Trauer, wie vorhin. Sie musste Stärke zeigen, dass sie eine selbstständige Kriegerin war, die sich jetzt nicht mehr von ihren Gefühlen zu ihm beirren lassen musste. Sie konnte das nicht zulassen. Hicks war zu einem Monster geworden und musste wieder von Drago abgelenkt werden, wenn nötig mit Gewalt. Ja. Das war genau die richtige Einstellung.
„Ich habe schon viele Schlachten geschlagen. Gegen die Germanen, die Kelten, Die Schotten und auch die Normannen. Alle habe ich sie besiegt und das Reich von Drago vergrößert. Eigentlich sind diese kleinen Insel und Farbkleckse auf der riesigen Landkarte des Reiches, was ich einst erben werde. Aber nun steht mir wohl eine Schlacht bevor, die ich nicht so einfach bestreiten kann." Urplötzlich, wie aus dem Nichts erklang die Stimme von Hicks. Er hatte sich in jenen Schatten versteckt, in die das Licht des Feuers nicht hin drang.
Völlig in Ruhe schritt er in den Lichtkegel, seine Rüstung abgelegt und nur mit einer grünen Tunika und einer Stoffhose bekleidet, und schaute Astrid mit einem ernsten Blick an. Keine Wut, kein Zorn und keine Herablassung gegenüber der jungen Wikingerin. Es schien so, als hätte Hicks wieder eine völlige Charakterwandlung vollzogen. So als ob er nie richtig einzuschätzen wäre, wie er im nächsten Moment reagieren würde.
„Ich habe dich beleidigt. Das war falsch von mir. Ich habe dir wehgetan, obwohl du mit mir damals vor fünf Jahren das Vertrauen geschenkt hast und du mit mir auf Ohnezahn geritten bist. Und wenn ich mich so erinnere war es einer der schönsten Flüge, die ich jemals in meinem Leben hatte. Du hast dich damals in mich verliebt und..." kurz eine Ruhepause, dann ein tiefer Atemzug von Hicks und vervollständigte den Satz: „...ich in dich. Astrid, jede Schlacht, die ich geschlagen habe, ist nichts im Vergleich zu dieser. Als ich dieses Haus betreten habe. Mein altes Zimmer. Da kam es alles wieder hoch. Die schönen Momente mit dir. Wie ich Tagelang in der Schmiede ein meinen Erfindungen gebastelt habe. Und deswegen will ich mich bei dir von ganzem Herzen bei dir entschuldigen. Es tut mir schrecklich leid."
Eine Träne rann aus einem Auge. Seine Mundwinkel bebten. Astrid verstand die Welt nicht mehr. War Hicks kurz davor zu weinen?
Er schritt näher zu ihr heran. Sie konnte förmlich sehen, wie sich klare Flüssigkeit in seinen Augen sammelte. „Ich kann verstehen, wenn du mir nicht verzeihst. Aber ich wollte nur, dass du weiß, dass es mir Leid tut, was ich heute getan habe. Was ich euch allen hier angetan habe."
Plötzlich sackte Hicks vor ihr zusammen. Auf den Knien umgriff er Astrids Hüften und drückte seinen Kopf weinend an seinen Bauch. Ein Tränenfluss brach aus.
Astrid wusste nicht, wie darauf reagieren sollte. Zum einen hatte Hicks sie tief verletzt, aber diese Entschuldigung. Dieser Weinkrampf. Das konnte nie im Leben eine Täuschung sein, also tat sie das, was sie wohl nie getan hätte. Vorsichtig legte sie ihre Hände mur seinen Kopf. Durch seine braunen wuscheligen Haare streichelnd.
„Sch....Es wird alles wieder gut. Ich verzeihe dir." Worte, die bei Hicks wie Balsam für seine Seele wirkten. Er schien wie ausgetauscht. Als ob der kleine emotionale Junge aus Berk wieder da wäre. Es war merkwürdig und befriedigend für Astrid zugleich. All die Jahre waren doch nicht vergebens gewesen. Hicks hatte sich doch in sie Verliebt gehabt und das kam jetzt alles wieder zurück. Ihr Hicks war wieder da. Was Valka und Eret noch planten, hatte sie anscheinend geschafft.
Plötzlich wurde die Ruhe der beiden gestört. Die Tür wurde geöffnet und in das Haus traten Eret, Valka Haudrauf, Grobian und Alvin. Alle mit demselben verwunderten Blick, als sie sahen, was sich ihnen dort bot.
Grobian sagte bloß: „Na meine Güte. Da bin ich aber platt..."

The Dark RiderWhere stories live. Discover now