Angriff - oder doch nicht?

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Hicks wurde nicht ganz schlau aus der Sache. Was wollten die Berkianer jetzt von ihm? Sie hatten die weiße Fahne gehisst. Sicherlich schon als sie die Flotte kommen sahen. In solch einer Situation hatte er noch nie gesteckt. Immer hatten die Dörfer Widerstand geleistet, wenn seine Truppen angriffen. Noch nie hat eines vor einer Schlacht aufgegeben.
„Was machen wir nun, Kumpel?", fragte sich Hicks, als er zu seinem Drachen schaute. Der wusste auch nicht, was er davon halten sollte. Immerhin hatte der Nachtschatten selber noch nie eine ähnliche Situation erlebt. Beide. Sowohl Drache als auch Reiter hatten keine Ahnung, wie sie jetzt die Truppen dirigieren sollten. Die Armee war schon in der Luft. Die Schiffe hatten ihre Kanonen und Katapulte geladen, bereit, das Dorf in Schutt und Asche zu verwandeln.
Der zwanzigjährige in seiner schwarzen Lederrüstung atmete tief durch. Er konnte seine Truppen nicht einfach so zurück pfeifen. Wenn es eine Falle wäre, müsste er schnell reagieren. Aber ein Angriff konnte so auch nicht stattfinden. Ein Dorf anzugreifen, dass sich schon vor einer Schlacht ergab, galt als äußert unehrenhaft und konnte sogar den Tod des Heerführer zur Folge haben. Und Hicks und Ohnezahn wollten ihr Köpfe noch eine Weile behalten.
„Herr. Was ist? Warum greifen wir das Dorf nicht an?" Einer seiner Offiziere hatte sich Hicks genähert. Fast hätte sich der braunhaarige Wikinger erschrocken. Zum Glück hielt er sich und klappte sein Visier hoch.
„Vigo. Siehst du dort die weiße Fahne?" Der Offizier nickte. „Wir können das Dorf nicht angreifen. Das geht gegen die Ehre aller Krieger hier. Man greift keinen Ort an, der vorher aufgibt." - „Und was sollen wir jetzt machen? Die Krieger warten auf einen Befehl."
Hicks dachte für einen kurzen Moment nach. Angreifen ging nicht, aber auch das Heer wieder zurück auf die Schiffe zu befehligen war auch keine Option, die in Frage käme. Er musste einen Zwischenweg wählen. Und da kam ihm die Lösung.
„Sagt allen Männern, dass sie auf den Dächern der Häuser landen sollen. Und wenn die Dächer nicht reichen auch auf den Mauern und den Türmen. Überall wo Platz zum landen aber auch zum möglichen Kämpfen wäre. Kein Krieger greift das Dorf ohne meinen Befehl an. Wer es doch wagen sollte, den mache ich persönlich einen Kopf kürzer." - „Jawohl mein Herr."
Mit diesen Worten richtete Vigo den Befehl an die anderen Offiziere und die an ihre Einheiten weiter. Sogleich hatte sich der riesige Schwarm aus Kriegern und Drachen zu einer Formation formiert und nahm Kurs auf das Dorf. Sie sollten sich wie eine Wolke über Berk begeben und sich anschließend auf den Häuserdächern landen. Ob sie da in eine Fallen gehen würden, wusste Hicks nicht. Zur Not, hätte er den Roten Tod als letzte Option zur Hand. Aber dieser Drache würde von der ganzen Insel nur ein Häufchen Asche übrig lassen.

„Was zum Thor machen die da?" Astrid und Haudrauf konnten sich keinen Reim daraus machen. Die riesige Armee aus Drachen und Kriegern hatte sich zu einer Art Wolke formiert und flog langsam über Berk. Zu hoch für die Katapulte, aber irgendwie beunruhigend.
„Wenn sie uns so von Oben mit ihrem Drachenfeuer Bombardieren wollen, hat unsere Verteidigung keine Chance, sie in der Höhe zu treffen.", stellte Haudrauf fest.
Dem stämmigen Wikinger stellten sich bei diesem Anblick die Nackenhaare auf. Scheinbar hatte die weiße Fahne nichts gebracht. Die Drachen würden aus einer Höhe angreifen, in der ihre Katapulte nutzlos wären und Berk würde es morgen nicht mehr geben.
Zum ersten Mal in seinem Leben schien Haudrauf so etwas wie Angst zu verspüren. Ein unangenehmes Gefühl der Ohnmacht breitete sich in ihm aus. Er wäre fähig nichts tun zu können. Sein Dorf und alle Bewohner würden Flammen aufgehen. Und er als ihr aller Oberhaupt könnte dem nichts entgegen setzen.
Er kannte dies von Wikingern, die im Kampf am Rücken verwundet wurden. Einige konnten nur noch ihren Kopf bewegen, waren so Hilflos, dass sie ständig umsorgt wurden. Bei einem Angriff waren sie der Gnade der Feinde ausgeliefert. Uns so fühlte sich Haudrauf gerade.
„Haudrauf. Hey!" Astrid schien ihn aus seinen Gedanken geholt zu haben. Der Anführer Berks schüttelte sich kurz und schaute dann zur jungen blonden Kriegerin, die ihn entschlossen anschaute.
„Auch wenn wir heute sterben werden, würde unser Kampfgeschrei bis in die weitesten Winkel Walhallas reichen. Die Götter werden heute sehen, wie Wikinger für ihr Dorf kämpfen. Das sind wir ihnen wenigstens schuldig. Und wenn wir an Odins Tafel sitzen, sollen wir nicht den Spott unserer Ahnen erhalten, wir hätten unser Dorf zu schnell aufgegeben. Heute wird es einen Kampf geben, der zur Legende werden wird. Wo ein einzelnes Dorf den Legionen eines Tyrannen standhielt, bis zum letzten Krieger."
damit beendete Astrid ihre kleine Ansprache an das Oberhaupt. Und Haudrauf nickte nur. „Ja. Liefern wir ihnen einen Kampf, den sie so schnell nicht vergessen werden." Beide zogen ihre Kriegeraxt und stürmten zurück ins Dorf.

Als sie in der Mitte Berks ankamen, bot sich über ihnen ein weiteres Mal ein verwirrendes Schauspiel. Die Formation aus Drachen und Reiter hatte sich komplett über den Himmel des Dorfes begeben. Die Drachenleuchten Berks strahlten sie von unten an. Das erste Mal konnten sie abschätzen, wie viele es wahren. Insgesamt sicher mehrere tausend. Aber sie griffen nicht an. Wieso? Sie schienen einfach in der Luft auf ein Signal zu warten.
„Was soll das? Wieso greifen die immer noch nicht an? Sie hätten mittlerweile unser Dorf mehrmals vernichten könnten.", fragte sich Haudrauf.
„Vielleicht ist das so ein Psycho-Spiel. Mein Vorrat an Unterhosen hat es schon zu spüren bekommen. Das ist jetzt meine letzte, die ich anhabe und ich hoffe, dass die jetzt eine Weile hält." Mit diesen Worten hatte sich Grobian zu den Beiden gesellt. Mitten auf dem Dorfplatz.
„Das wollten wir eigentlich nicht wissen. Also das mit den Unterhosen. Aber das andere klang interessant." Astrid schien das gar nicht mal so abwegig. Die Krieger vorher durch den Anblick einer riesigen Armee im Geist marode machen und dann angreifen. So würde es vielleicht weniger Verluste geben. Aber sicher konnte man sich hier nicht sein, zu viel Unerwartetes war heute schon passiert.
Aber plötzlich rührte sich etwas. Der ganze Schwarm schien sich langsam zu senken. Ohne an einen Angriff zu denken, senkten sich die Drachen und begannen die Wachtürme und Mauern Berks zu besetzen. Die Krieger hatten nicht einmal ihre Waffen gezogen. Beide Hände waren fest an den Haltegriffen ihrer Sättel.
Als sie schließlich die ersten Häuserdächer besetzten, wurde es den Wikingern immer suspekter. Alle erschraken sich, als sich die Klauen hunderter Drachen in das Gebälk ihrer Häuser gruben. Und immer noch hatte keiner der Krieger gezogene Waffen. Merkwürdig. Äußerst merkwürdig.
Astrid ließ ihr Axt in alle Richtungen Blitzen. Bald konnte sie nur noch Drachen ausmachen, die die Dächer der Häuser besetzt hielten. Sie blieben ruhig, genau so wie die Krieger, die auf ihnen ritten. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Was das immer auch für ein Spiel war, es gefiel ihr ganz und gar nicht. Auf den Dächern waren die Drachen vor den Schwertern der Wikinger geschützt. Man konnte nicht so schnell dort rauf klettern und angreifen. Es würde mit dem Tod ausgehen.
Dann auf einmal rutschte ein Schütze Berks aus. Der Pfeil flog direkt in die Richtung einer der Krieger, Doch der hielt nur einen Schild vor sich und ließ den Pfeil dort einschlagen. Nichts weiter passierte. Und das war für die meisten Wikinger Berk in diesem Moment nicht realisierbar. Manche von ihnen standen schon mit offenen Mündern da.

Dann auf einmal ein Zischen. Aus dem dunklen Nachthimmel schoss eine Silhouette hervor und huschte über den Dächern Berks. So schnell, dass Astrid und Haudrauf ihr kaum nachfolgen konnten. Ohne Vorwarnung landete ein schwarzer Drache vor ihnen. Darauf ein Krieger in eben so schwarzer Lederrüstung.

The Dark RiderTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang